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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Knospen ohne Betheiligung des letzteren stattfindet oder wenigstens be-
ginnt, was durch den auf S. 159 angeführten Fall eines selbstständig
ausschlagenden in ein warmes Zimmer gezogenen Zweiges wahrscheinlich
gemacht wird.

Nachdem später die Blätter sich vollständig entfaltet haben, hört der
mächtige Strom des Frühjahrssaftes auf, wenn es nicht vielleicht richtiger
ist zu sagen: er setzt sich mit dem Verbrauch durch die Blätter in's Gleich-
gewicht; denn daß die Wurzel nicht aufhört Bodenwasser aufzunehmen
und stammaufwärts zu schicken erhellt aus dem Verdorren der Baum-
kronen bei lange anhaltender Wärme und Trockenheit.

Doch wir kehren nun vorbereitet zu den Erscheinungen des Baum-
lebens vom ersten Erwachen an zurück.

Es beginnt nun in den Knospen ein reges Bildungsleben und wir
wissen es schon, daß in ihnen der neue Trieb mit allen Blättern, oder
wenigstens ein guter Theil davon, bereits vorgebildet als kleine Anfänge
vorhanden ist (S. 65 f.).

Namentlich an der Buche sieht das kundige Auge schon vor dem
ersten Aufbrechen der Knospen, wenn dasselbe eben ganz nahe bevorsteht,
eine Veränderung, die recht eigentlich in einer Summirung vieler fast
unsichtbar kleiner Sümmchen beruht. Die großen spindelförmigen vom
Triebe weit abstehenden Knospen der Buche (S. 60. III. Fig. 9) ver-
mögen durch ihr Anschwellen einem aus der Ferne gesehenen Buchen-
bestande eine bemerkbare Füllung und Färbung zu geben.

Die Art und Weise wie die jungen Blättchen in der Knospe unter-
gebracht und dabei verschiedentlich zusammengefaltet und gewunden waren,
bedingt nun eine große Manchfaltigkeit der Bilder, welche die sich ent-
wickelnden Knospen darbieten. Dabei spielen die, vielen Bäumen eigenen,
bereits erwähnten Nebenblättchen eine nicht unbedeutende Rolle, was
z. B. auch bei der Buche der Fall ist.

Sie zeigt uns zugleich durch ihre Knospenentfaltung, daß am Triebe
die Blätter (wenn sie nicht gegenständig stehen) stets in Schraubenlinien
gestellt sind, so wenig dies auch nachher, nachdem der Trieb mit seinen
Blättern in seiner ganzen Länge hervorgetrieben ist, noch auffällt. Eine
Buchenknospe bildet nach dem Aufbrechen der Knospe einen zierlichen
Trichter, gebildet durch die Spiralstellung an dem noch ganz kurzen Triebe.

Knospen ohne Betheiligung des letzteren ſtattfindet oder wenigſtens be-
ginnt, was durch den auf S. 159 angeführten Fall eines ſelbſtſtändig
ausſchlagenden in ein warmes Zimmer gezogenen Zweiges wahrſcheinlich
gemacht wird.

Nachdem ſpäter die Blätter ſich vollſtändig entfaltet haben, hört der
mächtige Strom des Frühjahrsſaftes auf, wenn es nicht vielleicht richtiger
iſt zu ſagen: er ſetzt ſich mit dem Verbrauch durch die Blätter in’s Gleich-
gewicht; denn daß die Wurzel nicht aufhört Bodenwaſſer aufzunehmen
und ſtammaufwärts zu ſchicken erhellt aus dem Verdorren der Baum-
kronen bei lange anhaltender Wärme und Trockenheit.

Doch wir kehren nun vorbereitet zu den Erſcheinungen des Baum-
lebens vom erſten Erwachen an zurück.

Es beginnt nun in den Knospen ein reges Bildungsleben und wir
wiſſen es ſchon, daß in ihnen der neue Trieb mit allen Blättern, oder
wenigſtens ein guter Theil davon, bereits vorgebildet als kleine Anfänge
vorhanden iſt (S. 65 f.).

Namentlich an der Buche ſieht das kundige Auge ſchon vor dem
erſten Aufbrechen der Knospen, wenn daſſelbe eben ganz nahe bevorſteht,
eine Veränderung, die recht eigentlich in einer Summirung vieler faſt
unſichtbar kleiner Sümmchen beruht. Die großen ſpindelförmigen vom
Triebe weit abſtehenden Knospen der Buche (S. 60. III. Fig. 9) ver-
mögen durch ihr Anſchwellen einem aus der Ferne geſehenen Buchen-
beſtande eine bemerkbare Füllung und Färbung zu geben.

Die Art und Weiſe wie die jungen Blättchen in der Knospe unter-
gebracht und dabei verſchiedentlich zuſammengefaltet und gewunden waren,
bedingt nun eine große Manchfaltigkeit der Bilder, welche die ſich ent-
wickelnden Knospen darbieten. Dabei ſpielen die, vielen Bäumen eigenen,
bereits erwähnten Nebenblättchen eine nicht unbedeutende Rolle, was
z. B. auch bei der Buche der Fall iſt.

Sie zeigt uns zugleich durch ihre Knospenentfaltung, daß am Triebe
die Blätter (wenn ſie nicht gegenſtändig ſtehen) ſtets in Schraubenlinien
geſtellt ſind, ſo wenig dies auch nachher, nachdem der Trieb mit ſeinen
Blättern in ſeiner ganzen Länge hervorgetrieben iſt, noch auffällt. Eine
Buchenknospe bildet nach dem Aufbrechen der Knospe einen zierlichen
Trichter, gebildet durch die Spiralſtellung an dem noch ganz kurzen Triebe.

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[164/0188] Knospen ohne Betheiligung des letzteren ſtattfindet oder wenigſtens be- ginnt, was durch den auf S. 159 angeführten Fall eines ſelbſtſtändig ausſchlagenden in ein warmes Zimmer gezogenen Zweiges wahrſcheinlich gemacht wird. Nachdem ſpäter die Blätter ſich vollſtändig entfaltet haben, hört der mächtige Strom des Frühjahrsſaftes auf, wenn es nicht vielleicht richtiger iſt zu ſagen: er ſetzt ſich mit dem Verbrauch durch die Blätter in’s Gleich- gewicht; denn daß die Wurzel nicht aufhört Bodenwaſſer aufzunehmen und ſtammaufwärts zu ſchicken erhellt aus dem Verdorren der Baum- kronen bei lange anhaltender Wärme und Trockenheit. Doch wir kehren nun vorbereitet zu den Erſcheinungen des Baum- lebens vom erſten Erwachen an zurück. Es beginnt nun in den Knospen ein reges Bildungsleben und wir wiſſen es ſchon, daß in ihnen der neue Trieb mit allen Blättern, oder wenigſtens ein guter Theil davon, bereits vorgebildet als kleine Anfänge vorhanden iſt (S. 65 f.). Namentlich an der Buche ſieht das kundige Auge ſchon vor dem erſten Aufbrechen der Knospen, wenn daſſelbe eben ganz nahe bevorſteht, eine Veränderung, die recht eigentlich in einer Summirung vieler faſt unſichtbar kleiner Sümmchen beruht. Die großen ſpindelförmigen vom Triebe weit abſtehenden Knospen der Buche (S. 60. III. Fig. 9) ver- mögen durch ihr Anſchwellen einem aus der Ferne geſehenen Buchen- beſtande eine bemerkbare Füllung und Färbung zu geben. Die Art und Weiſe wie die jungen Blättchen in der Knospe unter- gebracht und dabei verſchiedentlich zuſammengefaltet und gewunden waren, bedingt nun eine große Manchfaltigkeit der Bilder, welche die ſich ent- wickelnden Knospen darbieten. Dabei ſpielen die, vielen Bäumen eigenen, bereits erwähnten Nebenblättchen eine nicht unbedeutende Rolle, was z. B. auch bei der Buche der Fall iſt. Sie zeigt uns zugleich durch ihre Knospenentfaltung, daß am Triebe die Blätter (wenn ſie nicht gegenſtändig ſtehen) ſtets in Schraubenlinien geſtellt ſind, ſo wenig dies auch nachher, nachdem der Trieb mit ſeinen Blättern in ſeiner ganzen Länge hervorgetrieben iſt, noch auffällt. Eine Buchenknospe bildet nach dem Aufbrechen der Knospe einen zierlichen Trichter, gebildet durch die Spiralſtellung an dem noch ganz kurzen Triebe.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/188>, abgerufen am 11.05.2024.