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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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57. Die großblättrige oder Sommerlinde,
Tilia grandifolia Ehrh.

Die unterscheidenden Merkmale ergeben sich fast von selbst aus der
Beschreibung der vorigen. Sie beruhen hauptsächlich auf den noch schiefer,
oft fast nur halbseitig herzförmigen, unterseits gleichfarbigen fein behaarten
und außerdem ebenfalls aber nicht braun, sondern weißlich bebarteten und
größeren Blättern, den meist blos 2 -- 3blüthigen Blüthensträußen und
den aufrechtstehenden Lappen der Narbe. Das Nüßchen ist meist etwas
größer und meist deutlich fünfkantig. Die Triebe sind meist etwas dicker,
die Knospen voller und der Stamm schlanker mit etwas glatterer Rinde,
auch die Krone etwas lockerer. Die Sommerlinde blüht etwas früher,
obgleich immer erst 3 -- 4 Wochen nach der völligen Ausbildung des
Laubes. Das Holz ist noch weicher und lockerer als das der vorigen Art.

Im Uebrigen stimmt die Sommerlinde mit der Winterlinde überein
und in der Hauptsache gilt auch von ihr alles das, was über das Leben
und sonst von der vorigen gesagt wurde. Die Sommerlinde ist jedoch
mehr im Süden als im Norden Deutschlands zu Hause.

Zu diesen zwei verbreitetsten Lindenarten kommen, theils zwischen
beide sich stellend, theils diesseits der einen von beiden stehend, außer den
schon erwähnten Host'schen Arten noch andere, namentlich von Alexander
Braun
unterschieden, über welche wegen ihrer Artgültigkeit unter den
Botanikern große Meinungsverschiedenheit obwaltet. Wir lassen sie jetzt
auf sich beruhen, werden aber an den in Promenaden und anderwärts
angepflanzten Linden vielfältig Gelegenheit haben, uns zu überzeugen, daß
unsere angegebenen Unterscheidungsmerkmale auf viele Lindenbäume nicht
passen. Namentlich in der Gestalt und Randzähnelung des Blattes, in der
Farbe und Behaarung der Blattrückseite, in der Länge des Deckblattes
im Vergleich zu dem Blüthenstiel, und in der Gestalt und den mehr oder
weniger ausgeprägten oder auch ganz fehlenden Rippen der Frucht werden
wir mancherlei Verschiedenheiten auffinden. Der von Manchen behauptete
Unterschied im Geruch ist wenigstens sehr fraglich. Ich kann mich wenig-
stens nicht besinnen, je eine blühende Linde ohne den eigenthümlichen
lieblichen Geruch gefunden zu haben, was von einem berühmten Botaniker
sogar der Winterlinde Schuld gegeben wird.

57. Die großblättrige oder Sommerlinde,
Tilia grandifolia Ehrh.

Die unterſcheidenden Merkmale ergeben ſich faſt von ſelbſt aus der
Beſchreibung der vorigen. Sie beruhen hauptſächlich auf den noch ſchiefer,
oft faſt nur halbſeitig herzförmigen, unterſeits gleichfarbigen fein behaarten
und außerdem ebenfalls aber nicht braun, ſondern weißlich bebarteten und
größeren Blättern, den meiſt blos 2 — 3blüthigen Blüthenſträußen und
den aufrechtſtehenden Lappen der Narbe. Das Nüßchen iſt meiſt etwas
größer und meiſt deutlich fünfkantig. Die Triebe ſind meiſt etwas dicker,
die Knospen voller und der Stamm ſchlanker mit etwas glatterer Rinde,
auch die Krone etwas lockerer. Die Sommerlinde blüht etwas früher,
obgleich immer erſt 3 — 4 Wochen nach der völligen Ausbildung des
Laubes. Das Holz iſt noch weicher und lockerer als das der vorigen Art.

Im Uebrigen ſtimmt die Sommerlinde mit der Winterlinde überein
und in der Hauptſache gilt auch von ihr alles das, was über das Leben
und ſonſt von der vorigen geſagt wurde. Die Sommerlinde iſt jedoch
mehr im Süden als im Norden Deutſchlands zu Hauſe.

Zu dieſen zwei verbreitetſten Lindenarten kommen, theils zwiſchen
beide ſich ſtellend, theils dieſſeits der einen von beiden ſtehend, außer den
ſchon erwähnten Hoſt’ſchen Arten noch andere, namentlich von Alexander
Braun
unterſchieden, über welche wegen ihrer Artgültigkeit unter den
Botanikern große Meinungsverſchiedenheit obwaltet. Wir laſſen ſie jetzt
auf ſich beruhen, werden aber an den in Promenaden und anderwärts
angepflanzten Linden vielfältig Gelegenheit haben, uns zu überzeugen, daß
unſere angegebenen Unterſcheidungsmerkmale auf viele Lindenbäume nicht
paſſen. Namentlich in der Geſtalt und Randzähnelung des Blattes, in der
Farbe und Behaarung der Blattrückſeite, in der Länge des Deckblattes
im Vergleich zu dem Blüthenſtiel, und in der Geſtalt und den mehr oder
weniger ausgeprägten oder auch ganz fehlenden Rippen der Frucht werden
wir mancherlei Verſchiedenheiten auffinden. Der von Manchen behauptete
Unterſchied im Geruch iſt wenigſtens ſehr fraglich. Ich kann mich wenig-
ſtens nicht beſinnen, je eine blühende Linde ohne den eigenthümlichen
lieblichen Geruch gefunden zu haben, was von einem berühmten Botaniker
ſogar der Winterlinde Schuld gegeben wird.

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[542/0598] 57. Die großblättrige oder Sommerlinde, Tilia grandifolia Ehrh. Die unterſcheidenden Merkmale ergeben ſich faſt von ſelbſt aus der Beſchreibung der vorigen. Sie beruhen hauptſächlich auf den noch ſchiefer, oft faſt nur halbſeitig herzförmigen, unterſeits gleichfarbigen fein behaarten und außerdem ebenfalls aber nicht braun, ſondern weißlich bebarteten und größeren Blättern, den meiſt blos 2 — 3blüthigen Blüthenſträußen und den aufrechtſtehenden Lappen der Narbe. Das Nüßchen iſt meiſt etwas größer und meiſt deutlich fünfkantig. Die Triebe ſind meiſt etwas dicker, die Knospen voller und der Stamm ſchlanker mit etwas glatterer Rinde, auch die Krone etwas lockerer. Die Sommerlinde blüht etwas früher, obgleich immer erſt 3 — 4 Wochen nach der völligen Ausbildung des Laubes. Das Holz iſt noch weicher und lockerer als das der vorigen Art. Im Uebrigen ſtimmt die Sommerlinde mit der Winterlinde überein und in der Hauptſache gilt auch von ihr alles das, was über das Leben und ſonſt von der vorigen geſagt wurde. Die Sommerlinde iſt jedoch mehr im Süden als im Norden Deutſchlands zu Hauſe. Zu dieſen zwei verbreitetſten Lindenarten kommen, theils zwiſchen beide ſich ſtellend, theils dieſſeits der einen von beiden ſtehend, außer den ſchon erwähnten Hoſt’ſchen Arten noch andere, namentlich von Alexander Braun unterſchieden, über welche wegen ihrer Artgültigkeit unter den Botanikern große Meinungsverſchiedenheit obwaltet. Wir laſſen ſie jetzt auf ſich beruhen, werden aber an den in Promenaden und anderwärts angepflanzten Linden vielfältig Gelegenheit haben, uns zu überzeugen, daß unſere angegebenen Unterſcheidungsmerkmale auf viele Lindenbäume nicht paſſen. Namentlich in der Geſtalt und Randzähnelung des Blattes, in der Farbe und Behaarung der Blattrückſeite, in der Länge des Deckblattes im Vergleich zu dem Blüthenſtiel, und in der Geſtalt und den mehr oder weniger ausgeprägten oder auch ganz fehlenden Rippen der Frucht werden wir mancherlei Verſchiedenheiten auffinden. Der von Manchen behauptete Unterſchied im Geruch iſt wenigſtens ſehr fraglich. Ich kann mich wenig- ſtens nicht beſinnen, je eine blühende Linde ohne den eigenthümlichen lieblichen Geruch gefunden zu haben, was von einem berühmten Botaniker ſogar der Winterlinde Schuld gegeben wird.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/598>, abgerufen am 30.04.2024.