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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Hause waren sie alle ganz anders, und alles war
dort anders wie hier.

"Magst du denn aber mit uns noch immer nicht
gern seyn?" O ja! aber ich schäme mich vor euch
allen, weil ich nicht so seyn kann. Was ich nur
immer von meiner Mutter foderte, das mußte
sie thun, sonst ward ich heftig, und warf die
Thüren und riß alles durcheinander, und wenn
sie das sah, dann konnte sie es nicht aushalten,
und sagte, ich möchte nur gut seyn, sie wollt'
es auch thun. Und wenn der kleine Bruder
Kasimir nicht wollte, wie ich, so mußt' er wohl,
und alles fügte sich nach mir. Und ihr seyd nun
alle so anders, und Jda ist so fromm, daß ich
mich vor ihr schämen muß, weil ich nicht fromm
seyn kann. Oft bin ich so bös auf mich, und auf
alles, was ich ansehe, daß ich alles zerschlagen
möchte. Manchmal könnt' ich Jda schlagen,
aber ich fürchte mich vor Dir und Platov und
Woldemar, und doch muß ich Jda so unbändig
lieb haben. Sieh, Tante, das macht mich oft so
stumm, weil ich nicht immer sagen darf, was ich
denke.

Hauſe waren ſie alle ganz anders, und alles war
dort anders wie hier.

„Magſt du denn aber mit uns noch immer nicht
gern ſeyn?‟ O ja! aber ich ſchäme mich vor euch
allen, weil ich nicht ſo ſeyn kann. Was ich nur
immer von meiner Mutter foderte, das mußte
ſie thun, ſonſt ward ich heftig, und warf die
Thüren und riß alles durcheinander, und wenn
ſie das ſah, dann konnte ſie es nicht aushalten,
und ſagte, ich möchte nur gut ſeyn, ſie wollt’
es auch thun. Und wenn der kleine Bruder
Kaſimir nicht wollte, wie ich, ſo mußt’ er wohl,
und alles fügte ſich nach mir. Und ihr ſeyd nun
alle ſo anders, und Jda iſt ſo fromm, daß ich
mich vor ihr ſchämen muß, weil ich nicht fromm
ſeyn kann. Oft bin ich ſo bös auf mich, und auf
alles, was ich anſehe, daß ich alles zerſchlagen
möchte. Manchmal könnt’ ich Jda ſchlagen,
aber ich fürchte mich vor Dir und Platov und
Woldemar, und doch muß ich Jda ſo unbändig
lieb haben. Sieh, Tante, das macht mich oft ſo
ſtumm, weil ich nicht immer ſagen darf, was ich
denke.

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[168/0182] Hauſe waren ſie alle ganz anders, und alles war dort anders wie hier. „Magſt du denn aber mit uns noch immer nicht gern ſeyn?‟ O ja! aber ich ſchäme mich vor euch allen, weil ich nicht ſo ſeyn kann. Was ich nur immer von meiner Mutter foderte, das mußte ſie thun, ſonſt ward ich heftig, und warf die Thüren und riß alles durcheinander, und wenn ſie das ſah, dann konnte ſie es nicht aushalten, und ſagte, ich möchte nur gut ſeyn, ſie wollt’ es auch thun. Und wenn der kleine Bruder Kaſimir nicht wollte, wie ich, ſo mußt’ er wohl, und alles fügte ſich nach mir. Und ihr ſeyd nun alle ſo anders, und Jda iſt ſo fromm, daß ich mich vor ihr ſchämen muß, weil ich nicht fromm ſeyn kann. Oft bin ich ſo bös auf mich, und auf alles, was ich anſehe, daß ich alles zerſchlagen möchte. Manchmal könnt’ ich Jda ſchlagen, aber ich fürchte mich vor Dir und Platov und Woldemar, und doch muß ich Jda ſo unbändig lieb haben. Sieh, Tante, das macht mich oft ſo ſtumm, weil ich nicht immer ſagen darf, was ich denke.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/182>, abgerufen am 02.05.2024.