wie sie es wohl anfangen möchten, mich zu bereden, daß ich eine Reise mit ihnen nach der Schweiz und -- wohl gar, nach Jtalien machte? Jetzt weißt Du ohngefähr, durch welche Mittel Deine Freundin den poetischen Sinn in unsern Kindern zu entfalten sucht. Alle Drei freuen sich der Stun- de, und können sie fast nicht erwarten. Heiterer und lebendiger sind sie nie. Jede Störung dieser Stunde, und wäre sie auch die angenehmste, kommt ihnen ungelegen. Fürchte aber nicht, daß der Hang zur süßen poetischen Schwermuth über- wiegend bei ihnen werde. Die Prosa des Lebens wird schon ihr Recht behaupten.
Zur nächsten Stunde hat Mathilde den Per- lenkranz von Pfeffel zur Aufgabe. Clärchen hat Hölty's Elegie auf ein Landmädchen gewählt, Jda, Bürger's Blümchen Wunderhold. Erklärt wird ihnen von den gewählten oder aufgegebenen Stücken nie alles unverstanden. Mehrere dunkele Stellen werden ihnen zum eigenen Nach- sinnen so dunkel überlassen. Jede hat ein weis- ses Buch. Jn dieses wird ihnen zum Preise ein
wie ſie es wohl anfangen möchten, mich zu bereden, daß ich eine Reiſe mit ihnen nach der Schweiz und — wohl gar, nach Jtalien machte? Jetzt weißt Du ohngefähr, durch welche Mittel Deine Freundin den poetiſchen Sinn in unſern Kindern zu entfalten ſucht. Alle Drei freuen ſich der Stun- de, und können ſie faſt nicht erwarten. Heiterer und lebendiger ſind ſie nie. Jede Störung dieſer Stunde, und wäre ſie auch die angenehmſte, kommt ihnen ungelegen. Fürchte aber nicht, daß der Hang zur ſüßen poetiſchen Schwermuth über- wiegend bei ihnen werde. Die Proſa des Lebens wird ſchon ihr Recht behaupten.
Zur nächſten Stunde hat Mathilde den Per- lenkranz von Pfeffel zur Aufgabe. Clärchen hat Hölty’s Elegie auf ein Landmädchen gewählt, Jda, Bürger’s Blümchen Wunderhold. Erklärt wird ihnen von den gewählten oder aufgegebenen Stücken nie alles unverſtanden. Mehrere dunkele Stellen werden ihnen zum eigenen Nach- ſinnen ſo dunkel überlaſſen. Jede hat ein weiſ- ſes Buch. Jn dieſes wird ihnen zum Preiſe ein
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wie ſie es wohl anfangen möchten, mich zu bereden,
daß ich eine Reiſe mit ihnen nach der Schweiz
und — wohl gar, nach Jtalien machte? Jetzt
weißt Du ohngefähr, durch welche Mittel Deine
Freundin den poetiſchen Sinn in unſern Kindern
zu entfalten ſucht. Alle Drei freuen ſich der Stun-
de, und können ſie faſt nicht erwarten. Heiterer
und lebendiger ſind ſie nie. Jede Störung dieſer
Stunde, und wäre ſie auch die angenehmſte,
kommt ihnen ungelegen. Fürchte aber nicht, daß
der Hang zur ſüßen poetiſchen Schwermuth über-
wiegend bei ihnen werde. Die Proſa des Lebens
wird ſchon ihr Recht behaupten.
Zur nächſten Stunde hat Mathilde den Per-
lenkranz von Pfeffel zur Aufgabe. Clärchen hat
Hölty’s Elegie auf ein Landmädchen gewählt,
Jda, Bürger’s Blümchen Wunderhold. Erklärt
wird ihnen von den gewählten oder aufgegebenen
Stücken nie alles unverſtanden. Mehrere
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/301>, abgerufen am 29.04.2024.
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