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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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steigt hinab in den Keller, um dem Vater einen
recht frischen Trunk Wein zu holen. Sie wird
schwindlicht und stürzt die halbe Stiege hinunter,
wo sie ohne Bewußtseyn eine Zeitlang liegen
bleibt. Clärchen vermißt sie endlich, und frägt
im ganzen Hause nach ihr herum. Dem Vater
fällt es ein, daß sie vor einer Weile in den Keller
gehen wollen. Clärchen geht ihr nach und findet
sie unten am Boden bleich und bewegungslos lie-
gen. Eilig fliegt sie hinauf und ruft: Vater!
o Vater, Betty! Jhr ganz zerstörtes Gesicht,
ihr plötzliches Verstummen läßt das allerschlimmste
ahnen. "Jst Betty todt"? fragt Deborah mit
schneidendem Schmerz und sinkt hin. Welche
Verwirrung! man ruft mich eilig. Der Pfarrer
wußte nicht, wem er zu Hülfe eilen sollte. Jch
bringe Deborah mit seiner Hülfe ins Bett, und
lasse Jda bei ihr, steige dann in den Keller hinab.
Es ward das Nöthige angewendet, Betty wieder
ins Bewußtseyn zu bringen. Sie erholte sich
bald; aber die Mutter war sichtbar verändert, und
ist seitdem sehr schwach. Nur wenige Stunden
kann sie am Tage außer dem Bett seyn. Mit sicht-

ſteigt hinab in den Keller, um dem Vater einen
recht friſchen Trunk Wein zu holen. Sie wird
ſchwindlicht und ſtürzt die halbe Stiege hinunter,
wo ſie ohne Bewußtſeyn eine Zeitlang liegen
bleibt. Clärchen vermißt ſie endlich, und frägt
im ganzen Hauſe nach ihr herum. Dem Vater
fällt es ein, daß ſie vor einer Weile in den Keller
gehen wollen. Clärchen geht ihr nach und findet
ſie unten am Boden bleich und bewegungslos lie-
gen. Eilig fliegt ſie hinauf und ruft: Vater!
o Vater, Betty! Jhr ganz zerſtörtes Geſicht,
ihr plötzliches Verſtummen läßt das allerſchlimmſte
ahnen. „Jſt Betty todt‟? fragt Deborah mit
ſchneidendem Schmerz und ſinkt hin. Welche
Verwirrung! man ruft mich eilig. Der Pfarrer
wußte nicht, wem er zu Hülfe eilen ſollte. Jch
bringe Deborah mit ſeiner Hülfe ins Bett, und
laſſe Jda bei ihr, ſteige dann in den Keller hinab.
Es ward das Nöthige angewendet, Betty wieder
ins Bewußtſeyn zu bringen. Sie erholte ſich
bald; aber die Mutter war ſichtbar verändert, und
iſt ſeitdem ſehr ſchwach. Nur wenige Stunden
kann ſie am Tage außer dem Bett ſeyn. Mit ſicht-

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[99/0107] ſteigt hinab in den Keller, um dem Vater einen recht friſchen Trunk Wein zu holen. Sie wird ſchwindlicht und ſtürzt die halbe Stiege hinunter, wo ſie ohne Bewußtſeyn eine Zeitlang liegen bleibt. Clärchen vermißt ſie endlich, und frägt im ganzen Hauſe nach ihr herum. Dem Vater fällt es ein, daß ſie vor einer Weile in den Keller gehen wollen. Clärchen geht ihr nach und findet ſie unten am Boden bleich und bewegungslos lie- gen. Eilig fliegt ſie hinauf und ruft: Vater! o Vater, Betty! Jhr ganz zerſtörtes Geſicht, ihr plötzliches Verſtummen läßt das allerſchlimmſte ahnen. „Jſt Betty todt‟? fragt Deborah mit ſchneidendem Schmerz und ſinkt hin. Welche Verwirrung! man ruft mich eilig. Der Pfarrer wußte nicht, wem er zu Hülfe eilen ſollte. Jch bringe Deborah mit ſeiner Hülfe ins Bett, und laſſe Jda bei ihr, ſteige dann in den Keller hinab. Es ward das Nöthige angewendet, Betty wieder ins Bewußtſeyn zu bringen. Sie erholte ſich bald; aber die Mutter war ſichtbar verändert, und iſt ſeitdem ſehr ſchwach. Nur wenige Stunden kann ſie am Tage außer dem Bett ſeyn. Mit ſicht-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/107>, abgerufen am 29.04.2024.