Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

oft noch recht hell wieder auf, daß so gar der
Arzt wieder ernste Lebenshoffnung gab. Auch De-
korah sagte dann wohl mit einem schmachtenden
Durst nach Leben: Ach! sagt mir doch, werde ich
noch bei euch bleiben? O heißt mich hoffen, ihr
Guten, daß ich noch ferner mit euch wandeln soll.
Jhr Mann schien mit dem Himmel um ihr Leben
zu ringen: Nein, Deborah, du wirst nicht ster-
ben, du darfst noch nicht von uns gehen! Wir
können dich noch nicht lassen. Dann blickte sie
mich sehnsüchtig an, als wollte ihr Leben sich an
meinem halten: o ich kann noch nicht von euch
gehen, Gatte, Freundin, Kinder, ich will noch
nicht sterben, will noch nicht selig seyn! Jn der
nächsten Stunde war dann alles anders, dann
war sie so still, so sanft, lächelte uns alle an mit
himmlischer Ruhe, schüttelte verneinend das
Haupt zu jeder Lebensverheißung, wollte selbst
die verordneten Tränke nicht nehmen, und gab
nur endlich den zärtlichen Bitten des Mannes
und der Kinder nach.

Wenn sie recht heiter war, dann rief sie uns
alle zu sich, und wir bildeten einen Halbkreis um

oft noch recht hell wieder auf, daß ſo gar der
Arzt wieder ernſte Lebenshoffnung gab. Auch De-
korah ſagte dann wohl mit einem ſchmachtenden
Durſt nach Leben: Ach! ſagt mir doch, werde ich
noch bei euch bleiben? O heißt mich hoffen, ihr
Guten, daß ich noch ferner mit euch wandeln ſoll.
Jhr Mann ſchien mit dem Himmel um ihr Leben
zu ringen: Nein, Deborah, du wirſt nicht ſter-
ben, du darfſt noch nicht von uns gehen! Wir
können dich noch nicht laſſen. Dann blickte ſie
mich ſehnſüchtig an, als wollte ihr Leben ſich an
meinem halten: o ich kann noch nicht von euch
gehen, Gatte, Freundin, Kinder, ich will noch
nicht ſterben, will noch nicht ſelig ſeyn! Jn der
nächſten Stunde war dann alles anders, dann
war ſie ſo ſtill, ſo ſanft, lächelte uns alle an mit
himmliſcher Ruhe, ſchüttelte verneinend das
Haupt zu jeder Lebensverheißung, wollte ſelbſt
die verordneten Tränke nicht nehmen, und gab
nur endlich den zärtlichen Bitten des Mannes
und der Kinder nach.

Wenn ſie recht heiter war, dann rief ſie uns
alle zu ſich, und wir bildeten einen Halbkreis um

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0111" n="103"/>
oft noch recht hell wieder auf, daß &#x017F;o gar der<lb/>
Arzt wieder ern&#x017F;te Lebenshoffnung gab. Auch De-<lb/>
korah &#x017F;agte dann wohl mit einem &#x017F;chmachtenden<lb/>
Dur&#x017F;t nach Leben: Ach! &#x017F;agt mir doch, werde ich<lb/>
noch bei euch bleiben? O heißt mich hoffen, ihr<lb/>
Guten, daß ich noch ferner mit euch wandeln &#x017F;oll.<lb/>
Jhr Mann &#x017F;chien mit dem Himmel um ihr Leben<lb/>
zu ringen: Nein, Deborah, du wir&#x017F;t nicht &#x017F;ter-<lb/>
ben, du darf&#x017F;t noch nicht von uns gehen! Wir<lb/>
können dich noch nicht la&#x017F;&#x017F;en. Dann blickte &#x017F;ie<lb/>
mich &#x017F;ehn&#x017F;üchtig an, als wollte ihr Leben &#x017F;ich an<lb/>
meinem halten: o ich kann noch nicht von euch<lb/>
gehen, Gatte, Freundin, Kinder, ich will noch<lb/>
nicht &#x017F;terben, will noch nicht &#x017F;elig &#x017F;eyn! Jn der<lb/>
näch&#x017F;ten Stunde war dann alles anders, dann<lb/>
war &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;till, &#x017F;o &#x017F;anft, lächelte uns alle an mit<lb/>
himmli&#x017F;cher Ruhe, &#x017F;chüttelte verneinend das<lb/>
Haupt zu jeder Lebensverheißung, wollte &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
die verordneten Tränke nicht nehmen, und gab<lb/>
nur endlich den zärtlichen Bitten des Mannes<lb/>
und der Kinder nach.</p><lb/>
          <p>Wenn &#x017F;ie recht heiter war, dann rief &#x017F;ie uns<lb/>
alle zu &#x017F;ich, und wir bildeten einen Halbkreis um<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0111] oft noch recht hell wieder auf, daß ſo gar der Arzt wieder ernſte Lebenshoffnung gab. Auch De- korah ſagte dann wohl mit einem ſchmachtenden Durſt nach Leben: Ach! ſagt mir doch, werde ich noch bei euch bleiben? O heißt mich hoffen, ihr Guten, daß ich noch ferner mit euch wandeln ſoll. Jhr Mann ſchien mit dem Himmel um ihr Leben zu ringen: Nein, Deborah, du wirſt nicht ſter- ben, du darfſt noch nicht von uns gehen! Wir können dich noch nicht laſſen. Dann blickte ſie mich ſehnſüchtig an, als wollte ihr Leben ſich an meinem halten: o ich kann noch nicht von euch gehen, Gatte, Freundin, Kinder, ich will noch nicht ſterben, will noch nicht ſelig ſeyn! Jn der nächſten Stunde war dann alles anders, dann war ſie ſo ſtill, ſo ſanft, lächelte uns alle an mit himmliſcher Ruhe, ſchüttelte verneinend das Haupt zu jeder Lebensverheißung, wollte ſelbſt die verordneten Tränke nicht nehmen, und gab nur endlich den zärtlichen Bitten des Mannes und der Kinder nach. Wenn ſie recht heiter war, dann rief ſie uns alle zu ſich, und wir bildeten einen Halbkreis um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/111
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/111>, abgerufen am 29.04.2024.