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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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gerichtet. Unserer Freundin, Elwire mit ihrer
Familie verdanken wir viel. Sie weiß das Ge-
heimniß, ihren Hülfeleistungen einen solchen An-
strich zu geben, als ob man ihr einen Dienst thäte,
indem man sie annimmt. Was ich von ihren Kin-
dern halten soll, ob ich mich ihres Umgangs für
die Unsern erfreuen soll? ist mir noch nicht klar.
Jhre Gefälligkeit ist sehr groß, aber sie haben der
Manier zu viel. Jhr ganzes Wesen scheint ein
Kunstgebilde. Die älteste ist 14, die jüngste 11
Jahr; aber die Kindheit scheint von allen Dreien
schon längst gewichen zu seyn. So verschiedene
Naturen sich auch in ihren äußerst verschiedenen
Bildungen aussprechen, so sind sie doch alle drei
wie in eine Form gegossen. Alle ihre Bewegun-
gen, ihre Minen nach demselben Maaß abgemessen.
Viel thut zu dieser Wirkung auch wohl die völlig
gleiche Kleidung von allen Dreien. Mich ängstigt
die Aengstlichkeit ihrer Bewegungen bei jedem
Blick, den ich auf sie thue, und wie widersteht
das sichtbare Bewußtseyn jeder ihrer Minen und
die ganze studierte abgemessene Grazie in den ar-
men Kindern!

gerichtet. Unſerer Freundin, Elwire mit ihrer
Familie verdanken wir viel. Sie weiß das Ge-
heimniß, ihren Hülfeleiſtungen einen ſolchen An-
ſtrich zu geben, als ob man ihr einen Dienſt thäte,
indem man ſie annimmt. Was ich von ihren Kin-
dern halten ſoll, ob ich mich ihres Umgangs für
die Unſern erfreuen ſoll? iſt mir noch nicht klar.
Jhre Gefälligkeit iſt ſehr groß, aber ſie haben der
Manier zu viel. Jhr ganzes Weſen ſcheint ein
Kunſtgebilde. Die älteſte iſt 14, die jüngſte 11
Jahr; aber die Kindheit ſcheint von allen Dreien
ſchon längſt gewichen zu ſeyn. So verſchiedene
Naturen ſich auch in ihren äußerſt verſchiedenen
Bildungen ausſprechen, ſo ſind ſie doch alle drei
wie in eine Form gegoſſen. Alle ihre Bewegun-
gen, ihre Minen nach demſelben Maaß abgemeſſen.
Viel thut zu dieſer Wirkung auch wohl die völlig
gleiche Kleidung von allen Dreien. Mich ängſtigt
die Aengſtlichkeit ihrer Bewegungen bei jedem
Blick, den ich auf ſie thue, und wie widerſteht
das ſichtbare Bewußtſeyn jeder ihrer Minen und
die ganze ſtudierte abgemeſſene Grazie in den ar-
men Kindern!

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[134/0142] gerichtet. Unſerer Freundin, Elwire mit ihrer Familie verdanken wir viel. Sie weiß das Ge- heimniß, ihren Hülfeleiſtungen einen ſolchen An- ſtrich zu geben, als ob man ihr einen Dienſt thäte, indem man ſie annimmt. Was ich von ihren Kin- dern halten ſoll, ob ich mich ihres Umgangs für die Unſern erfreuen ſoll? iſt mir noch nicht klar. Jhre Gefälligkeit iſt ſehr groß, aber ſie haben der Manier zu viel. Jhr ganzes Weſen ſcheint ein Kunſtgebilde. Die älteſte iſt 14, die jüngſte 11 Jahr; aber die Kindheit ſcheint von allen Dreien ſchon längſt gewichen zu ſeyn. So verſchiedene Naturen ſich auch in ihren äußerſt verſchiedenen Bildungen ausſprechen, ſo ſind ſie doch alle drei wie in eine Form gegoſſen. Alle ihre Bewegun- gen, ihre Minen nach demſelben Maaß abgemeſſen. Viel thut zu dieſer Wirkung auch wohl die völlig gleiche Kleidung von allen Dreien. Mich ängſtigt die Aengſtlichkeit ihrer Bewegungen bei jedem Blick, den ich auf ſie thue, und wie widerſteht das ſichtbare Bewußtſeyn jeder ihrer Minen und die ganze ſtudierte abgemeſſene Grazie in den ar- men Kindern!

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/142>, abgerufen am 28.04.2024.