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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Auch wollen die Unsrigen gar nicht heran. So
lieb sie die sanfte Madam Elwire schon haben, so
fremd stehen sie neben den drei Töchtern, und de-
ren steifen Gouvernante der Mlle Fleuri. O war-
um hat diese gute Mutter es sich nicht zugetraut,
ihre Töchter selbst zu bilden! Ja hätte sie sie nur
neben sich aufwachsen lassen, im Sonnenschein
ihrer natürlich freundlichen Güte, es stünde sicher-
lich jetzt besser um diese armen eingeschnürten Ge-
schöpfe. Wahr ist es, und das muß man ihnen
lassen, ihr Kompliment machen sie wie ein Tanz-
meister, und höslich sind sie, wie man es nur be-
gehren mag; vor ihren Verbeugungen und sonsti-
gen Artigkeiten weiß man sich gar nicht zu retten;
aber durchaus kein Fünkchen kindlicher Freude
scheint aus ihnen hervor. Wenn sie an unsern
Kindern nicht nach und nach zum Leben aufthauen,
so müssen sie sie durch ihre frostige Art versteinern,
wenn sie lange bei einander bleiben. Wir müssen
dann unser Heil versuchen, ob die gesunde Natur
auch hier der Unnatur Meister werden kann. Die
deutschen Namen dieser Kinder hat Mlle. Fleuri so-
gleich beim Antritt ihrer Regierung über sie fran-

Auch wollen die Unſrigen gar nicht heran. So
lieb ſie die ſanfte Madam Elwire ſchon haben, ſo
fremd ſtehen ſie neben den drei Töchtern, und de-
ren ſteifen Gouvernante der Mlle Fleuri. O war-
um hat dieſe gute Mutter es ſich nicht zugetraut,
ihre Töchter ſelbſt zu bilden! Ja hätte ſie ſie nur
neben ſich aufwachſen laſſen, im Sonnenſchein
ihrer natürlich freundlichen Güte, es ſtünde ſicher-
lich jetzt beſſer um dieſe armen eingeſchnürten Ge-
ſchöpfe. Wahr iſt es, und das muß man ihnen
laſſen, ihr Kompliment machen ſie wie ein Tanz-
meiſter, und höſlich ſind ſie, wie man es nur be-
gehren mag; vor ihren Verbeugungen und ſonſti-
gen Artigkeiten weiß man ſich gar nicht zu retten;
aber durchaus kein Fünkchen kindlicher Freude
ſcheint aus ihnen hervor. Wenn ſie an unſern
Kindern nicht nach und nach zum Leben aufthauen,
ſo müſſen ſie ſie durch ihre froſtige Art verſteinern,
wenn ſie lange bei einander bleiben. Wir müſſen
dann unſer Heil verſuchen, ob die geſunde Natur
auch hier der Unnatur Meiſter werden kann. Die
deutſchen Namen dieſer Kinder hat Mlle. Fleuri ſo-
gleich beim Antritt ihrer Regierung über ſie fran-

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[135/0143] Auch wollen die Unſrigen gar nicht heran. So lieb ſie die ſanfte Madam Elwire ſchon haben, ſo fremd ſtehen ſie neben den drei Töchtern, und de- ren ſteifen Gouvernante der Mlle Fleuri. O war- um hat dieſe gute Mutter es ſich nicht zugetraut, ihre Töchter ſelbſt zu bilden! Ja hätte ſie ſie nur neben ſich aufwachſen laſſen, im Sonnenſchein ihrer natürlich freundlichen Güte, es ſtünde ſicher- lich jetzt beſſer um dieſe armen eingeſchnürten Ge- ſchöpfe. Wahr iſt es, und das muß man ihnen laſſen, ihr Kompliment machen ſie wie ein Tanz- meiſter, und höſlich ſind ſie, wie man es nur be- gehren mag; vor ihren Verbeugungen und ſonſti- gen Artigkeiten weiß man ſich gar nicht zu retten; aber durchaus kein Fünkchen kindlicher Freude ſcheint aus ihnen hervor. Wenn ſie an unſern Kindern nicht nach und nach zum Leben aufthauen, ſo müſſen ſie ſie durch ihre froſtige Art verſteinern, wenn ſie lange bei einander bleiben. Wir müſſen dann unſer Heil verſuchen, ob die geſunde Natur auch hier der Unnatur Meiſter werden kann. Die deutſchen Namen dieſer Kinder hat Mlle. Fleuri ſo- gleich beim Antritt ihrer Regierung über ſie fran-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/143>, abgerufen am 29.04.2024.