Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite



ein arabisches Buch brächte, etwa über Arithmetik
oder Astronomie, und versicherte Dich, wer dies
Buch besitze, könne Geld machen, Todte erwecken,
und von sich selbst Tod und Krankheit abhalten --
würdest Du ihr das glauben? Nein, Tante! Aber
Du verstehest doch kein Arabisch und wüßtest ja
nicht was darin stehet. Es könnte doch vielleicht
seyn. Die Walpurga kann ja nicht wissen was in
dem Buch steht, weil sie die Sprache nicht kennt
in der es geschrieben ist, und zu dem so ist es ja
gar nicht wahrscheinlich, ja es scheint mir unmög-
lich, daß es ein solches Buch geben könne. Ein
solches Buch wäre nicht unmöglicher, als das nächt-
liche Auferstehen eines beerdigten Gehenkten, und
die Macht eines uns unsichtbaren todten Körpers
Pferde scheu zu machen oder Leute auszuzischen.
Aber Tante! Es glauben doch so viele Menschen --
Nenne mir die wohl unterrichteten Menschen, die
so etwas glauben. -- Unsere Haushälterin auf
Buchenhayn -- Hast Du nicht selbst oft genug ih-
rer Unwissenheit gespottet? -- Die alte Frau Rek-
torin -- Erinnere Dich, was Du von der wohl sag-
test. Aber -- selbst der Herr Pfarrer zu Neuen-



ein arabiſches Buch brächte, etwa über Arithmetik
oder Aſtronomie, und verſicherte Dich, wer dies
Buch beſitze, könne Geld machen, Todte erwecken,
und von ſich ſelbſt Tod und Krankheit abhalten —
würdeſt Du ihr das glauben? Nein, Tante! Aber
Du verſteheſt doch kein Arabiſch und wüßteſt ja
nicht was darin ſtehet. Es könnte doch vielleicht
ſeyn. Die Walpurga kann ja nicht wiſſen was in
dem Buch ſteht, weil ſie die Sprache nicht kennt
in der es geſchrieben iſt, und zu dem ſo iſt es ja
gar nicht wahrſcheinlich, ja es ſcheint mir unmög-
lich, daß es ein ſolches Buch geben könne. Ein
ſolches Buch wäre nicht unmöglicher, als das nächt-
liche Auferſtehen eines beerdigten Gehenkten, und
die Macht eines uns unſichtbaren todten Körpers
Pferde ſcheu zu machen oder Leute auszuziſchen.
Aber Tante! Es glauben doch ſo viele Menſchen —
Nenne mir die wohl unterrichteten Menſchen, die
ſo etwas glauben. — Unſere Haushälterin auf
Buchenhayn — Haſt Du nicht ſelbſt oft genug ih-
rer Unwiſſenheit geſpottet? — Die alte Frau Rek-
torin — Erinnere Dich, was Du von der wohl ſag-
teſt. Aber — ſelbſt der Herr Pfarrer zu Neuen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0226" n="218"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ein arabi&#x017F;ches Buch brächte, etwa über Arithmetik<lb/>
oder A&#x017F;tronomie, und ver&#x017F;icherte Dich, wer dies<lb/>
Buch be&#x017F;itze, könne Geld machen, Todte erwecken,<lb/>
und von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t Tod und Krankheit abhalten &#x2014;<lb/>
würde&#x017F;t Du ihr das glauben? Nein, Tante! Aber<lb/>
Du ver&#x017F;tehe&#x017F;t doch kein Arabi&#x017F;ch und wüßte&#x017F;t ja<lb/>
nicht was darin &#x017F;tehet. Es könnte doch vielleicht<lb/>
&#x017F;eyn. Die Walpurga kann ja nicht wi&#x017F;&#x017F;en was in<lb/>
dem Buch &#x017F;teht, weil &#x017F;ie die Sprache nicht kennt<lb/>
in der es ge&#x017F;chrieben i&#x017F;t, und zu dem &#x017F;o i&#x017F;t es ja<lb/>
gar nicht wahr&#x017F;cheinlich, ja es &#x017F;cheint mir unmög-<lb/>
lich, daß es ein &#x017F;olches Buch geben könne. Ein<lb/>
&#x017F;olches Buch wäre nicht unmöglicher, als das nächt-<lb/>
liche Aufer&#x017F;tehen eines beerdigten Gehenkten, und<lb/>
die Macht eines uns un&#x017F;ichtbaren todten Körpers<lb/>
Pferde &#x017F;cheu zu machen oder Leute auszuzi&#x017F;chen.<lb/>
Aber Tante! Es glauben doch &#x017F;o viele Men&#x017F;chen &#x2014;<lb/>
Nenne mir die wohl unterrichteten Men&#x017F;chen, die<lb/>
&#x017F;o etwas glauben. &#x2014; Un&#x017F;ere Haushälterin auf<lb/>
Buchenhayn &#x2014; Ha&#x017F;t Du nicht &#x017F;elb&#x017F;t oft genug ih-<lb/>
rer Unwi&#x017F;&#x017F;enheit ge&#x017F;pottet? &#x2014; Die alte Frau Rek-<lb/>
torin &#x2014; Erinnere Dich, was Du von der wohl &#x017F;ag-<lb/>
te&#x017F;t. Aber &#x2014; &#x017F;elb&#x017F;t der Herr Pfarrer zu Neuen-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0226] ein arabiſches Buch brächte, etwa über Arithmetik oder Aſtronomie, und verſicherte Dich, wer dies Buch beſitze, könne Geld machen, Todte erwecken, und von ſich ſelbſt Tod und Krankheit abhalten — würdeſt Du ihr das glauben? Nein, Tante! Aber Du verſteheſt doch kein Arabiſch und wüßteſt ja nicht was darin ſtehet. Es könnte doch vielleicht ſeyn. Die Walpurga kann ja nicht wiſſen was in dem Buch ſteht, weil ſie die Sprache nicht kennt in der es geſchrieben iſt, und zu dem ſo iſt es ja gar nicht wahrſcheinlich, ja es ſcheint mir unmög- lich, daß es ein ſolches Buch geben könne. Ein ſolches Buch wäre nicht unmöglicher, als das nächt- liche Auferſtehen eines beerdigten Gehenkten, und die Macht eines uns unſichtbaren todten Körpers Pferde ſcheu zu machen oder Leute auszuziſchen. Aber Tante! Es glauben doch ſo viele Menſchen — Nenne mir die wohl unterrichteten Menſchen, die ſo etwas glauben. — Unſere Haushälterin auf Buchenhayn — Haſt Du nicht ſelbſt oft genug ih- rer Unwiſſenheit geſpottet? — Die alte Frau Rek- torin — Erinnere Dich, was Du von der wohl ſag- teſt. Aber — ſelbſt der Herr Pfarrer zu Neuen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/226
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/226>, abgerufen am 30.04.2024.