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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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deshalb versuchen sie es da eher, ihren Willen durch-
zusetzen. So lange das Kind sehr krank war, kam
es ja nicht auf seine Erziehung an; es lag uns al-
les an seiner Erhaltung. Jetzt, nun es uns wie-
der geschenkt ist, tritt unsere Sorge für die schönste
Ausbildung dieser seltenen Anlagen wieder ein,
wenn gleich sie der für des Kindes körperliche Ge-
sundheit noch zur Zeit untergeordnet bleiben muß.
Alles was darauf entschiedenen Einfluß hat, muß
uns wichtig seyn, und bis zu dem Grade wichtig,
daß wir ihr auch sehr schöne Freuden opfern kön-
nen. Seraphine ist z. B. jetzt nicht so gern im
Garten wie sonst, und wir ganz Gesunden wären
gern immer darinn. Bei dem Kinde ist es wahr-
scheinlich noch ein Rest von Krankheitsgefühl, was
ihr die Luft im Freien so empfindlich macht, we-
nigstens ist mir das viel wahrscheinlicher, als daß
sie aus Eigensinn nicht im Garten seyn will. Da
ist es nun gut, ja es ist nöthig, daß wir ihr das
Opfer bringen, selbst mehr im Zimmer zu seyn,
weil sie einmal gewohnt ist, immer um uns zu seyn.
Freilich könnte Lisel mit ihr hier bleiben. Viel-
leicht ließ sie sich das auch gefallen, aber wir müß-



deshalb verſuchen ſie es da eher, ihren Willen durch-
zuſetzen. So lange das Kind ſehr krank war, kam
es ja nicht auf ſeine Erziehung an; es lag uns al-
les an ſeiner Erhaltung. Jetzt, nun es uns wie-
der geſchenkt iſt, tritt unſere Sorge für die ſchönſte
Ausbildung dieſer ſeltenen Anlagen wieder ein,
wenn gleich ſie der für des Kindes körperliche Ge-
ſundheit noch zur Zeit untergeordnet bleiben muß.
Alles was darauf entſchiedenen Einfluß hat, muß
uns wichtig ſeyn, und bis zu dem Grade wichtig,
daß wir ihr auch ſehr ſchöne Freuden opfern kön-
nen. Seraphine iſt z. B. jetzt nicht ſo gern im
Garten wie ſonſt, und wir ganz Geſunden wären
gern immer darinn. Bei dem Kinde iſt es wahr-
ſcheinlich noch ein Reſt von Krankheitsgefühl, was
ihr die Luft im Freien ſo empfindlich macht, we-
nigſtens iſt mir das viel wahrſcheinlicher, als daß
ſie aus Eigenſinn nicht im Garten ſeyn will. Da
iſt es nun gut, ja es iſt nöthig, daß wir ihr das
Opfer bringen, ſelbſt mehr im Zimmer zu ſeyn,
weil ſie einmal gewohnt iſt, immer um uns zu ſeyn.
Freilich könnte Liſel mit ihr hier bleiben. Viel-
leicht ließ ſie ſich das auch gefallen, aber wir müß-

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[230/0238] deshalb verſuchen ſie es da eher, ihren Willen durch- zuſetzen. So lange das Kind ſehr krank war, kam es ja nicht auf ſeine Erziehung an; es lag uns al- les an ſeiner Erhaltung. Jetzt, nun es uns wie- der geſchenkt iſt, tritt unſere Sorge für die ſchönſte Ausbildung dieſer ſeltenen Anlagen wieder ein, wenn gleich ſie der für des Kindes körperliche Ge- ſundheit noch zur Zeit untergeordnet bleiben muß. Alles was darauf entſchiedenen Einfluß hat, muß uns wichtig ſeyn, und bis zu dem Grade wichtig, daß wir ihr auch ſehr ſchöne Freuden opfern kön- nen. Seraphine iſt z. B. jetzt nicht ſo gern im Garten wie ſonſt, und wir ganz Geſunden wären gern immer darinn. Bei dem Kinde iſt es wahr- ſcheinlich noch ein Reſt von Krankheitsgefühl, was ihr die Luft im Freien ſo empfindlich macht, we- nigſtens iſt mir das viel wahrſcheinlicher, als daß ſie aus Eigenſinn nicht im Garten ſeyn will. Da iſt es nun gut, ja es iſt nöthig, daß wir ihr das Opfer bringen, ſelbſt mehr im Zimmer zu ſeyn, weil ſie einmal gewohnt iſt, immer um uns zu ſeyn. Freilich könnte Liſel mit ihr hier bleiben. Viel- leicht ließ ſie ſich das auch gefallen, aber wir müß-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/238>, abgerufen am 30.04.2024.