Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Freue Dich Deiner Tochter, Emma, bei ihr sind
weiche Milde und Kraft zum Dulden, wie zum
Duldensehen, glücklich vereinigt. Sie erinnerte
mich oft an ein liebes sechzehnjähriges Mädchen,
für dessen Bildung ich einst sorgte. Oft mußt' ich
den Kindern von ihr erzählen, wie sie sieben Wo-
chen hindurch nicht von dem Bette der geliebten
Gespielin wegzubringen war, die an den heftig-
sten Krämpfen litt. Alle andern jungen Gespie-
linnen wurden aus Vorsicht von diesem Kranken-
bett entfernt, weil auf schwache Naturen nichts
verderblicher wirkt, als der Anblick von heftigen
Krämpfen.

Magdalis allein war aus dem Krankenzimmer
durch keine Vorstellung und durch keine Bitte,
ihrer selbst zu schonen, zu entfernen. Jch gab
endlich dem heißen Verlangen nach, hoffend, ein
solches Gemüth, das den schwersten Dienst so
kräftig fodere, werde auch mit Kraft darin beste-
hen. Während dieser sieben Wochen kamen die
schrecklichsten Anfälle Nacht und Tag so oft, daß
selten zwei Stunden frei hingingen. Und Mag-

Freue Dich Deiner Tochter, Emma, bei ihr ſind
weiche Milde und Kraft zum Dulden, wie zum
Duldenſehen, glücklich vereinigt. Sie erinnerte
mich oft an ein liebes ſechzehnjähriges Mädchen,
für deſſen Bildung ich einſt ſorgte. Oft mußt’ ich
den Kindern von ihr erzählen, wie ſie ſieben Wo-
chen hindurch nicht von dem Bette der geliebten
Geſpielin wegzubringen war, die an den heftig-
ſten Krämpfen litt. Alle andern jungen Geſpie-
linnen wurden aus Vorſicht von dieſem Kranken-
bett entfernt, weil auf ſchwache Naturen nichts
verderblicher wirkt, als der Anblick von heftigen
Krämpfen.

Magdalis allein war aus dem Krankenzimmer
durch keine Vorſtellung und durch keine Bitte,
ihrer ſelbſt zu ſchonen, zu entfernen. Jch gab
endlich dem heißen Verlangen nach, hoffend, ein
ſolches Gemüth, das den ſchwerſten Dienſt ſo
kräftig fodere, werde auch mit Kraft darin beſte-
hen. Während dieſer ſieben Wochen kamen die
ſchrecklichſten Anfälle Nacht und Tag ſo oft, daß
ſelten zwei Stunden frei hingingen. Und Mag-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0072" n="64"/>
Freue Dich Deiner Tochter, Emma, bei ihr &#x017F;ind<lb/>
weiche Milde und Kraft zum Dulden, wie zum<lb/>
Dulden&#x017F;ehen, glücklich vereinigt. Sie erinnerte<lb/>
mich oft an ein liebes &#x017F;echzehnjähriges Mädchen,<lb/>
für de&#x017F;&#x017F;en Bildung ich ein&#x017F;t &#x017F;orgte. Oft mußt&#x2019; ich<lb/>
den Kindern von ihr erzählen, wie &#x017F;ie &#x017F;ieben Wo-<lb/>
chen hindurch nicht von dem Bette der geliebten<lb/>
Ge&#x017F;pielin wegzubringen war, die an den heftig-<lb/>
&#x017F;ten Krämpfen litt. Alle andern jungen Ge&#x017F;pie-<lb/>
linnen wurden aus Vor&#x017F;icht von die&#x017F;em Kranken-<lb/>
bett entfernt, weil auf &#x017F;chwache Naturen nichts<lb/>
verderblicher wirkt, als der Anblick von heftigen<lb/>
Krämpfen.</p><lb/>
          <p>Magdalis allein war aus dem Krankenzimmer<lb/>
durch keine Vor&#x017F;tellung und durch keine Bitte,<lb/>
ihrer &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;chonen, zu entfernen. Jch gab<lb/>
endlich dem heißen Verlangen nach, hoffend, ein<lb/>
&#x017F;olches Gemüth, das den &#x017F;chwer&#x017F;ten Dien&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
kräftig fodere, werde auch mit Kraft darin be&#x017F;te-<lb/>
hen. Während die&#x017F;er &#x017F;ieben Wochen kamen die<lb/>
&#x017F;chrecklich&#x017F;ten Anfälle Nacht und Tag &#x017F;o oft, daß<lb/>
&#x017F;elten zwei Stunden frei hingingen. Und Mag-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0072] Freue Dich Deiner Tochter, Emma, bei ihr ſind weiche Milde und Kraft zum Dulden, wie zum Duldenſehen, glücklich vereinigt. Sie erinnerte mich oft an ein liebes ſechzehnjähriges Mädchen, für deſſen Bildung ich einſt ſorgte. Oft mußt’ ich den Kindern von ihr erzählen, wie ſie ſieben Wo- chen hindurch nicht von dem Bette der geliebten Geſpielin wegzubringen war, die an den heftig- ſten Krämpfen litt. Alle andern jungen Geſpie- linnen wurden aus Vorſicht von dieſem Kranken- bett entfernt, weil auf ſchwache Naturen nichts verderblicher wirkt, als der Anblick von heftigen Krämpfen. Magdalis allein war aus dem Krankenzimmer durch keine Vorſtellung und durch keine Bitte, ihrer ſelbſt zu ſchonen, zu entfernen. Jch gab endlich dem heißen Verlangen nach, hoffend, ein ſolches Gemüth, das den ſchwerſten Dienſt ſo kräftig fodere, werde auch mit Kraft darin beſte- hen. Während dieſer ſieben Wochen kamen die ſchrecklichſten Anfälle Nacht und Tag ſo oft, daß ſelten zwei Stunden frei hingingen. Und Mag-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/72
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/72>, abgerufen am 27.04.2024.