Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

französischen Lectüre besonders gefällt, das über-
setzen sie mir stellenweise ins Deutsche. Engel's
kleine Schauspiele, den Edelknaben und den dank-
baren Sohn, sollen sie ins Französische übersetzen.
Alle Morgen haben sie eine Stunde in der deut-
schen Grammatik beim Pfarrer. -- An schönen
feinen Handarbeiten wird in dieser Jahrszeit
nicht viel gemacht; doch das holen wir im Winter
nach. -- Es werden diesen Sommer viel kleine
Fahrten gemacht, auf unsern Abendspatziergängen
begleiten uns jetzt auch die Kinder. Selbst De-
borah läßt sich ungern bereden, ihrer Gesundheit
zu lieb zurück zu bleiben. "O laßt mich doch der
Erde in ihrer Schönheit noch freuen, weil ich
darauf bin," sagte sie neulich, als wir sie ba-
ten, sich der feuchten Abendluft nicht auszusetzen,
und leise mir ins Ohr: "bald lieg' ich darunter."
Während des langen Wegs war sie sehr heiter, ja
oft muthwillig. Und wir vermieden, als ob wir
es verabredet, sorgfältig den feierlichen Ernst,
der uns an diesen Abenden sonst so natürlich ist.

Adio, Emma!



franzöſiſchen Lectüre beſonders gefällt, das über-
ſetzen ſie mir ſtellenweiſe ins Deutſche. Engel’s
kleine Schauſpiele, den Edelknaben und den dank-
baren Sohn, ſollen ſie ins Franzöſiſche überſetzen.
Alle Morgen haben ſie eine Stunde in der deut-
ſchen Grammatik beim Pfarrer. — An ſchönen
feinen Handarbeiten wird in dieſer Jahrszeit
nicht viel gemacht; doch das holen wir im Winter
nach. — Es werden dieſen Sommer viel kleine
Fahrten gemacht, auf unſern Abendſpatziergängen
begleiten uns jetzt auch die Kinder. Selbſt De-
borah läßt ſich ungern bereden, ihrer Geſundheit
zu lieb zurück zu bleiben. „O laßt mich doch der
Erde in ihrer Schönheit noch freuen, weil ich
darauf bin,‟ ſagte ſie neulich, als wir ſie ba-
ten, ſich der feuchten Abendluft nicht auszuſetzen,
und leiſe mir ins Ohr: „bald lieg’ ich darunter.‟
Während des langen Wegs war ſie ſehr heiter, ja
oft muthwillig. Und wir vermieden, als ob wir
es verabredet, ſorgfältig den feierlichen Ernſt,
der uns an dieſen Abenden ſonſt ſo natürlich iſt.

Adio, Emma!



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0087" n="79"/>
franzö&#x017F;i&#x017F;chen Lectüre be&#x017F;onders gefällt, das über-<lb/>
&#x017F;etzen &#x017F;ie mir &#x017F;tellenwei&#x017F;e ins Deut&#x017F;che. <hi rendition="#g">Engel&#x2019;s</hi><lb/>
kleine Schau&#x017F;piele, den Edelknaben und den dank-<lb/>
baren Sohn, &#x017F;ollen &#x017F;ie ins Franzö&#x017F;i&#x017F;che über&#x017F;etzen.<lb/>
Alle Morgen haben &#x017F;ie eine Stunde in der deut-<lb/>
&#x017F;chen Grammatik beim Pfarrer. &#x2014; An &#x017F;chönen<lb/>
feinen Handarbeiten wird in die&#x017F;er Jahrszeit<lb/>
nicht viel gemacht; doch das holen wir im Winter<lb/>
nach. &#x2014; Es werden die&#x017F;en Sommer viel kleine<lb/>
Fahrten gemacht, auf un&#x017F;ern Abend&#x017F;patziergängen<lb/>
begleiten uns jetzt auch die Kinder. Selb&#x017F;t De-<lb/>
borah läßt &#x017F;ich ungern bereden, ihrer Ge&#x017F;undheit<lb/>
zu lieb zurück zu bleiben. &#x201E;O laßt mich doch der<lb/>
Erde in ihrer Schönheit noch freuen, weil ich<lb/>
darauf bin,&#x201F; &#x017F;agte &#x017F;ie neulich, als wir &#x017F;ie ba-<lb/>
ten, &#x017F;ich der feuchten Abendluft nicht auszu&#x017F;etzen,<lb/>
und lei&#x017F;e mir ins Ohr: &#x201E;bald lieg&#x2019; ich darunter.&#x201F;<lb/>
Während des langen Wegs war &#x017F;ie &#x017F;ehr heiter, ja<lb/>
oft muthwillig. Und wir vermieden, als ob wir<lb/>
es verabredet, &#x017F;orgfältig den feierlichen Ern&#x017F;t,<lb/>
der uns an die&#x017F;en Abenden &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o natürlich i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Adio, Emma!</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0087] franzöſiſchen Lectüre beſonders gefällt, das über- ſetzen ſie mir ſtellenweiſe ins Deutſche. Engel’s kleine Schauſpiele, den Edelknaben und den dank- baren Sohn, ſollen ſie ins Franzöſiſche überſetzen. Alle Morgen haben ſie eine Stunde in der deut- ſchen Grammatik beim Pfarrer. — An ſchönen feinen Handarbeiten wird in dieſer Jahrszeit nicht viel gemacht; doch das holen wir im Winter nach. — Es werden dieſen Sommer viel kleine Fahrten gemacht, auf unſern Abendſpatziergängen begleiten uns jetzt auch die Kinder. Selbſt De- borah läßt ſich ungern bereden, ihrer Geſundheit zu lieb zurück zu bleiben. „O laßt mich doch der Erde in ihrer Schönheit noch freuen, weil ich darauf bin,‟ ſagte ſie neulich, als wir ſie ba- ten, ſich der feuchten Abendluft nicht auszuſetzen, und leiſe mir ins Ohr: „bald lieg’ ich darunter.‟ Während des langen Wegs war ſie ſehr heiter, ja oft muthwillig. Und wir vermieden, als ob wir es verabredet, ſorgfältig den feierlichen Ernſt, der uns an dieſen Abenden ſonſt ſo natürlich iſt. Adio, Emma!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/87
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/87>, abgerufen am 27.04.2024.