"Maria Schutz" genannt. Aber die Emsigen hatten kein Auge für das herrliche Bild; sie hämmerten und klopften, in dum¬ pfem Eifer tief zur Erde hinab gebeugt. Höher und höher stieg die Sonne und brannte schon heiß und sengend auf ihre Scheitel nieder. Die Schläge Georgs wurden immer schwächer, immer langsamer; endlich ließ er den Hammer sinken, lüftete die Mütze und trocknete sich den Schweiß ab, der in hellen Tropfen über sein Antlitz rann. Auch Tertschka hielt inne. "Bist Du schon müd?" fragte sie, indem sie ihn theilnehmend ansah.
"Weiß Gott, das bin ich", antwortete er mit tonloser Stimme. "Jetzt spür' ich erst, wie arg mich das Fieber herunter gebracht hat."
"Wie hast Du auch da herauf kommen können, krank und hinfällig, wie Du bist?" fuhr sie fort.
"Was hätt' ich Anderes thun sollen? Betteln vielleicht? Das vermag ich nicht. Handwerk hab' ich kein's gelernt. Vater und Mutter sind nur früh gestorben, und da hab' ich im Ort die Gänse hüten müssen und später die Kühe -- bis in mein achtzehntes Jahr. Denn ich war immer an Kraft zurück und kein Bauer hat mich als Knecht nehmen mögen. Aber den Herren von der Assentirung war ich doch recht. "Im zweiten Glied kann er mitlaufen", meinten sie und haben mir den weißen Rock angezogen. Und nun hat man mich krank und elend nach Hause geschickt. Eine Zeit lang wurd'
„Maria Schutz“ genannt. Aber die Emſigen hatten kein Auge für das herrliche Bild; ſie hämmerten und klopften, in dum¬ pfem Eifer tief zur Erde hinab gebeugt. Höher und höher ſtieg die Sonne und brannte ſchon heiß und ſengend auf ihre Scheitel nieder. Die Schläge Georgs wurden immer ſchwächer, immer langſamer; endlich ließ er den Hammer ſinken, lüftete die Mütze und trocknete ſich den Schweiß ab, der in hellen Tropfen über ſein Antlitz rann. Auch Tertſchka hielt inne. „Biſt Du ſchon müd?“ fragte ſie, indem ſie ihn theilnehmend anſah.
„Weiß Gott, das bin ich“, antwortete er mit tonloſer Stimme. „Jetzt ſpür' ich erſt, wie arg mich das Fieber herunter gebracht hat.“
„Wie haſt Du auch da herauf kommen können, krank und hinfällig, wie Du biſt?“ fuhr ſie fort.
„Was hätt' ich Anderes thun ſollen? Betteln vielleicht? Das vermag ich nicht. Handwerk hab' ich kein's gelernt. Vater und Mutter ſind nur früh geſtorben, und da hab' ich im Ort die Gänſe hüten müſſen und ſpäter die Kühe — bis in mein achtzehntes Jahr. Denn ich war immer an Kraft zurück und kein Bauer hat mich als Knecht nehmen mögen. Aber den Herren von der Aſſentirung war ich doch recht. „Im zweiten Glied kann er mitlaufen“, meinten ſie und haben mir den weißen Rock angezogen. Und nun hat man mich krank und elend nach Hauſe geſchickt. Eine Zeit lang wurd'
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„Maria Schutz“ genannt. Aber die Emſigen hatten kein Auge
für das herrliche Bild; ſie hämmerten und klopften, in dum¬
pfem Eifer tief zur Erde hinab gebeugt. Höher und höher
ſtieg die Sonne und brannte ſchon heiß und ſengend auf ihre
Scheitel nieder. Die Schläge Georgs wurden immer ſchwächer,
immer langſamer; endlich ließ er den Hammer ſinken, lüftete
die Mütze und trocknete ſich den Schweiß ab, der in hellen
Tropfen über ſein Antlitz rann. Auch Tertſchka hielt inne.
„Biſt Du ſchon müd?“ fragte ſie, indem ſie ihn theilnehmend
anſah.
„Weiß Gott, das bin ich“, antwortete er mit tonloſer
Stimme. „Jetzt ſpür' ich erſt, wie arg mich das Fieber
herunter gebracht hat.“
„Wie haſt Du auch da herauf kommen können, krank und
hinfällig, wie Du biſt?“ fuhr ſie fort.
„Was hätt' ich Anderes thun ſollen? Betteln vielleicht?
Das vermag ich nicht. Handwerk hab' ich kein's gelernt.
Vater und Mutter ſind nur früh geſtorben, und da hab' ich
im Ort die Gänſe hüten müſſen und ſpäter die Kühe — bis
in mein achtzehntes Jahr. Denn ich war immer an Kraft
zurück und kein Bauer hat mich als Knecht nehmen mögen.
Aber den Herren von der Aſſentirung war ich doch recht.
„Im zweiten Glied kann er mitlaufen“, meinten ſie und haben
mir den weißen Rock angezogen. Und nun hat man mich
krank und elend nach Hauſe geſchickt. Eine Zeit lang wurd'
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/154>, abgerufen am 16.06.2024.
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