ich von der Gemeinde erhalten; dann hieß es; ich solle gehen und Steine klopfen. Nun -- und jetzt klopf' ich sie," schloß er mit bitterem Lächeln, während er wieder nach dem Ham¬ mer griff.
Sie hatte schweigend das Haupt gesenkt. "Aber Du wirst es nicht aushalten", sagte sie still.
"Vielleicht doch; wenn ich nur wieder zu essen habe. Es ist mir recht schlecht gegangen in den letzten Tagen, und seit gestern früh hab' ich nicht einen Bissen über die Lippen ge¬ bracht."
Sie antwortete nichts und zog langsam ein Stück schwar¬ zen Brodes hervor, das in ihre Schürze gewickelt war, brach es in zwei ungleiche Theile und reichte ihm den größeren hin. "Iß", sagte sie.
Er warf einen scheuen Blick auf das Gebotene. "Das ist Dein Brod", erwiederte er leise und ablehnend.
"Das thut nichts; ich hab' an dem da genug." Und da er noch immer keine Miene machte, es zu nehmen, so legte sie es dicht an seiner Seite auf den Boden nieder. "Du wirst auch durstig sein", fuhr sie fort. "Ich will Dir einen Trunk Wasser holen; dort oben fließt eine Quelle." Und damit stand sie auf, bückte sich nach einem Krüglein, das halb zer¬ scherbt zwischen dem Geröll lag, und stieg bis zum Tannicht oberhalb des Steinbruchs hinauf, wo ein dünner Wasserstrahl unter dunklem Moose hervorrieselte. Sie füllte das Krüglein,
ich von der Gemeinde erhalten; dann hieß es; ich ſolle gehen und Steine klopfen. Nun — und jetzt klopf' ich ſie,“ ſchloß er mit bitterem Lächeln, während er wieder nach dem Ham¬ mer griff.
Sie hatte ſchweigend das Haupt geſenkt. „Aber Du wirſt es nicht aushalten“, ſagte ſie ſtill.
„Vielleicht doch; wenn ich nur wieder zu eſſen habe. Es iſt mir recht ſchlecht gegangen in den letzten Tagen, und ſeit geſtern früh hab' ich nicht einen Biſſen über die Lippen ge¬ bracht.“
Sie antwortete nichts und zog langſam ein Stück ſchwar¬ zen Brodes hervor, das in ihre Schürze gewickelt war, brach es in zwei ungleiche Theile und reichte ihm den größeren hin. „Iß“, ſagte ſie.
Er warf einen ſcheuen Blick auf das Gebotene. „Das iſt Dein Brod“, erwiederte er leiſe und ablehnend.
„Das thut nichts; ich hab' an dem da genug.“ Und da er noch immer keine Miene machte, es zu nehmen, ſo legte ſie es dicht an ſeiner Seite auf den Boden nieder. „Du wirſt auch durſtig ſein“, fuhr ſie fort. „Ich will Dir einen Trunk Waſſer holen; dort oben fließt eine Quelle.“ Und damit ſtand ſie auf, bückte ſich nach einem Krüglein, das halb zer¬ ſcherbt zwiſchen dem Geröll lag, und ſtieg bis zum Tannicht oberhalb des Steinbruchs hinauf, wo ein dünner Waſſerſtrahl unter dunklem Mooſe hervorrieſelte. Sie füllte das Krüglein,
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ich von der Gemeinde erhalten; dann hieß es; ich ſolle gehen
und Steine klopfen. Nun — und jetzt klopf' ich ſie,“ ſchloß
er mit bitterem Lächeln, während er wieder nach dem Ham¬
mer griff.
Sie hatte ſchweigend das Haupt geſenkt. „Aber Du
wirſt es nicht aushalten“, ſagte ſie ſtill.
„Vielleicht doch; wenn ich nur wieder zu eſſen habe. Es
iſt mir recht ſchlecht gegangen in den letzten Tagen, und ſeit
geſtern früh hab' ich nicht einen Biſſen über die Lippen ge¬
bracht.“
Sie antwortete nichts und zog langſam ein Stück ſchwar¬
zen Brodes hervor, das in ihre Schürze gewickelt war, brach
es in zwei ungleiche Theile und reichte ihm den größeren hin.
„Iß“, ſagte ſie.
Er warf einen ſcheuen Blick auf das Gebotene. „Das
iſt Dein Brod“, erwiederte er leiſe und ablehnend.
„Das thut nichts; ich hab' an dem da genug.“ Und da
er noch immer keine Miene machte, es zu nehmen, ſo legte ſie
es dicht an ſeiner Seite auf den Boden nieder. „Du wirſt
auch durſtig ſein“, fuhr ſie fort. „Ich will Dir einen Trunk
Waſſer holen; dort oben fließt eine Quelle.“ Und damit
ſtand ſie auf, bückte ſich nach einem Krüglein, das halb zer¬
ſcherbt zwiſchen dem Geröll lag, und ſtieg bis zum Tannicht
oberhalb des Steinbruchs hinauf, wo ein dünner Waſſerſtrahl
unter dunklem Mooſe hervorrieſelte. Sie füllte das Krüglein,
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/155>, abgerufen am 16.06.2024.
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