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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die Phytotomie im 18. Jahrhundert.
Natur" (Magdeburg 1723) und "Allerhand nützliche Versuche"
(Halle 1721) sich wiederholt mit der Beschreibung von Mikro-
skopen und mit phytotomischen Dingen beschäftigte; vorwiegend in
dem zuletzt genannten Werk, wo er ein zusammengesetztes Mi-
kroskop mit Sammellinse zwischen Objectiv und Ocular beschreibt,
dem jedoch der Beleuchtungsspiegel fehlte; es diente also zur
Beobachtung bei Oberlicht auf undurchsichtiger Unterlage; das
Objectiv war eine einfache Linse. Für stärker vergrößernde Ob-
jekte, sagt Wolff indessen, benutze er statt dieses zusammen-
setzten Mikroskopes lieber ein einfaches, was damals überhaupt
gewöhnlicher im Gebrauch war. Als ächter Dilettant unterwarf
Wolff seinem Mikroskope allerlei kleine und feine Dinge, ohne
irgend eines derselben consequent und mit Ausdauer zu unter-
suchen. Auch ist seine phytotomische Ausbeute sehr gering.
Er erkannte z. B., daß das Stärkemehl (Puder) aus Kügelchen
besteht, glaubte aber aus der Lichtbrechung derselben schließen zu
müssen, es seien mit Flüssigkeit erfüllte Bläschen; doch überzeugte
er sich, daß diese Körnchen schon im Roggenkorn enthalten sind,
also nicht erst bei dem Mahlen desselben entstehen. Dünne
Schnitte von Pflanzentheilen legte er auf Glas, und zwar auf
matt geschliffenes Glas, wobei er natürlich Nichts deutlich sehen
konnte. Noch viel ungeschickter griff sein Schüler Thümmig
(Melethemata 1736) die Sache an. Gerade bei diesen beiden
zeigt sich recht deutlich, daß der geringe Erfolg weit weniger
durch die Unvollkommenheit ihrer Mikroskope, als durch die Un-
geschicklichkeit in der Handhabung derselben und durch die un-
zweckmäßige Präparation bedingt wurde. Wolff und Thüm-
mig aber bemühten sich doch wenigstens, selbst Etwas von der
Structur der Pflanzen zu sehen; ein damals berühmter Botaniker
dagegen, Ludwig, hatte einen derartigen Versuch offenbar nicht
gemacht, denn in seinen Institutiones regni vegetabilis 1742
äußert er sich über den inneren Bau der Pflanze folgendermaßen:
"Platten oder membranöse Häutchen, so unter sich verbunden,
daß sie kleine Höhlungen oder Zellchen bilden, und nicht selten
durch Zwischenkunft von feinen Fäden netzartig disponirt werden,

Die Phytotomie im 18. Jahrhundert.
Natur“ (Magdeburg 1723) und „Allerhand nützliche Verſuche“
(Halle 1721) ſich wiederholt mit der Beſchreibung von Mikro-
ſkopen und mit phytotomiſchen Dingen beſchäftigte; vorwiegend in
dem zuletzt genannten Werk, wo er ein zuſammengeſetztes Mi-
kroſkop mit Sammellinſe zwiſchen Objectiv und Ocular beſchreibt,
dem jedoch der Beleuchtungsſpiegel fehlte; es diente alſo zur
Beobachtung bei Oberlicht auf undurchſichtiger Unterlage; das
Objectiv war eine einfache Linſe. Für ſtärker vergrößernde Ob-
jekte, ſagt Wolff indeſſen, benutze er ſtatt dieſes zuſammen-
ſetzten Mikroſkopes lieber ein einfaches, was damals überhaupt
gewöhnlicher im Gebrauch war. Als ächter Dilettant unterwarf
Wolff ſeinem Mikroſkope allerlei kleine und feine Dinge, ohne
irgend eines derſelben conſequent und mit Ausdauer zu unter-
ſuchen. Auch iſt ſeine phytotomiſche Ausbeute ſehr gering.
Er erkannte z. B., daß das Stärkemehl (Puder) aus Kügelchen
beſteht, glaubte aber aus der Lichtbrechung derſelben ſchließen zu
müſſen, es ſeien mit Flüſſigkeit erfüllte Bläschen; doch überzeugte
er ſich, daß dieſe Körnchen ſchon im Roggenkorn enthalten ſind,
alſo nicht erſt bei dem Mahlen desſelben entſtehen. Dünne
Schnitte von Pflanzentheilen legte er auf Glas, und zwar auf
matt geſchliffenes Glas, wobei er natürlich Nichts deutlich ſehen
konnte. Noch viel ungeſchickter griff ſein Schüler Thümmig
(Melethemata 1736) die Sache an. Gerade bei dieſen beiden
zeigt ſich recht deutlich, daß der geringe Erfolg weit weniger
durch die Unvollkommenheit ihrer Mikroſkope, als durch die Un-
geſchicklichkeit in der Handhabung derſelben und durch die un-
zweckmäßige Präparation bedingt wurde. Wolff und Thüm-
mig aber bemühten ſich doch wenigſtens, ſelbſt Etwas von der
Structur der Pflanzen zu ſehen; ein damals berühmter Botaniker
dagegen, Ludwig, hatte einen derartigen Verſuch offenbar nicht
gemacht, denn in ſeinen Institutiones regni vegetabilis 1742
äußert er ſich über den inneren Bau der Pflanze folgendermaßen:
„Platten oder membranöſe Häutchen, ſo unter ſich verbunden,
daß ſie kleine Höhlungen oder Zellchen bilden, und nicht ſelten
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[267/0279] Die Phytotomie im 18. Jahrhundert. Natur“ (Magdeburg 1723) und „Allerhand nützliche Verſuche“ (Halle 1721) ſich wiederholt mit der Beſchreibung von Mikro- ſkopen und mit phytotomiſchen Dingen beſchäftigte; vorwiegend in dem zuletzt genannten Werk, wo er ein zuſammengeſetztes Mi- kroſkop mit Sammellinſe zwiſchen Objectiv und Ocular beſchreibt, dem jedoch der Beleuchtungsſpiegel fehlte; es diente alſo zur Beobachtung bei Oberlicht auf undurchſichtiger Unterlage; das Objectiv war eine einfache Linſe. Für ſtärker vergrößernde Ob- jekte, ſagt Wolff indeſſen, benutze er ſtatt dieſes zuſammen- ſetzten Mikroſkopes lieber ein einfaches, was damals überhaupt gewöhnlicher im Gebrauch war. Als ächter Dilettant unterwarf Wolff ſeinem Mikroſkope allerlei kleine und feine Dinge, ohne irgend eines derſelben conſequent und mit Ausdauer zu unter- ſuchen. Auch iſt ſeine phytotomiſche Ausbeute ſehr gering. Er erkannte z. B., daß das Stärkemehl (Puder) aus Kügelchen beſteht, glaubte aber aus der Lichtbrechung derſelben ſchließen zu müſſen, es ſeien mit Flüſſigkeit erfüllte Bläschen; doch überzeugte er ſich, daß dieſe Körnchen ſchon im Roggenkorn enthalten ſind, alſo nicht erſt bei dem Mahlen desſelben entſtehen. Dünne Schnitte von Pflanzentheilen legte er auf Glas, und zwar auf matt geſchliffenes Glas, wobei er natürlich Nichts deutlich ſehen konnte. Noch viel ungeſchickter griff ſein Schüler Thümmig (Melethemata 1736) die Sache an. Gerade bei dieſen beiden zeigt ſich recht deutlich, daß der geringe Erfolg weit weniger durch die Unvollkommenheit ihrer Mikroſkope, als durch die Un- geſchicklichkeit in der Handhabung derſelben und durch die un- zweckmäßige Präparation bedingt wurde. Wolff und Thüm- mig aber bemühten ſich doch wenigſtens, ſelbſt Etwas von der Structur der Pflanzen zu ſehen; ein damals berühmter Botaniker dagegen, Ludwig, hatte einen derartigen Verſuch offenbar nicht gemacht, denn in ſeinen Institutiones regni vegetabilis 1742 äußert er ſich über den inneren Bau der Pflanze folgendermaßen: „Platten oder membranöſe Häutchen, ſo unter ſich verbunden, daß ſie kleine Höhlungen oder Zellchen bilden, und nicht ſelten durch Zwiſchenkunft von feinen Fäden netzartig disponirt werden,

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/279>, abgerufen am 30.04.2024.