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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Textil-Industrie.
geordnet; mittels einer Kurbel werden die Nadeln in gleicher Weise ge-
dreht, Platinen bilden die Schleifen aus dem fortgesetzt über die Nadeln
gelegten Faden und es wird die neue Maschenreihe ähnlich so wie beim
Handkulierstuhl gebildet, aber ohne Unterbrechung. Solche Rundstühle,
vielfach mit Dampf betrieben, auch Tricotstühle genannt, haben sich in
verbesserter Form in der Praxis sehr verbreitet. Man stellt heute auf
ihnen nicht allein einfache Tricotware her, sondern auch gemusterte.
Es darf nicht auffallen, daß in der umstehenden Fig. 213 eines solchen
Stuhles mehrere Spulen die Fäden abgeben. Erstens muß das ge-
schehen, wenn man mehrfarbige Waren oder solche mit verschiedenem
Material haben will, zweitens geschieht es aber auch stets bei einfarbiger
Ware, da die Maschenbildung gleichzeitig an mehreren Stellen des
Kreises vorgenommen wird. Der hierzu erforderliche Apparat heißt
Mailleuse, und hat man Stühle mit 3, 4, 5 Mailleusen. Rundstühle
werden an einem Balken mit ihrer vertikalen Axe aufgehängt. Flache
mechanische Kulierstühle haben sich zunächst keinen Eingang verschaffen
können, sind vielmehr erst in Aufnahme gekommen, als sie mit selbst-
thätigen und sicher arbeitenden Mindervorrichtungen ausgestattet wurden.
Im Handkulierstuhl kann man nämlich sehr leicht die Breite der Ware
dadurch erweitern oder verkürzen, daß man Endmaschen von den Nadeln
abnimmt und sie nach auswärts oder einwärts auf Nachbarnadeln
bringt. Man kann hierdurch sog. reguläre Ware herstellen, d. h. Teilen
von Bekleidungsgegenständen, wie Hosen, Strümpfe, Handschuhe, gleich
ihre richtige Form geben, so daß sie nur zusammengenäht zu werden
brauchen, um den Gegenstand zu ergeben. Im Gegensatz hierzu steht
die geschnittene Ware; es werden die beregten Teile aus einem größeren
Warenstück herausgeschnitten und gleichfalls durch Nähen vereinigt.
Einleuchtend ist, daß die letztere Ware im Innern wulstige, drückende
Nähte haben muß, die bei der regulären Ware nicht vorhanden sind.
1857 ist nun zuerst eine derartige Mindervorrichtung Luke Barton
patentiert worden, worauf sehr schnell zahlreiche dahin zielende Er-
findungen folgten. Auch Wirkmuster kann man heute auf solchen
[Abbildung] Fig. 214.

Flacher mechanischer Strumpfstuhl.

Die Textil-Induſtrie.
geordnet; mittels einer Kurbel werden die Nadeln in gleicher Weiſe ge-
dreht, Platinen bilden die Schleifen aus dem fortgeſetzt über die Nadeln
gelegten Faden und es wird die neue Maſchenreihe ähnlich ſo wie beim
Handkulierſtuhl gebildet, aber ohne Unterbrechung. Solche Rundſtühle,
vielfach mit Dampf betrieben, auch Tricotſtühle genannt, haben ſich in
verbeſſerter Form in der Praxis ſehr verbreitet. Man ſtellt heute auf
ihnen nicht allein einfache Tricotware her, ſondern auch gemuſterte.
Es darf nicht auffallen, daß in der umſtehenden Fig. 213 eines ſolchen
Stuhles mehrere Spulen die Fäden abgeben. Erſtens muß das ge-
ſchehen, wenn man mehrfarbige Waren oder ſolche mit verſchiedenem
Material haben will, zweitens geſchieht es aber auch ſtets bei einfarbiger
Ware, da die Maſchenbildung gleichzeitig an mehreren Stellen des
Kreiſes vorgenommen wird. Der hierzu erforderliche Apparat heißt
Mailleuſe, und hat man Stühle mit 3, 4, 5 Mailleuſen. Rundſtühle
werden an einem Balken mit ihrer vertikalen Axe aufgehängt. Flache
mechaniſche Kulierſtühle haben ſich zunächſt keinen Eingang verſchaffen
können, ſind vielmehr erſt in Aufnahme gekommen, als ſie mit ſelbſt-
thätigen und ſicher arbeitenden Mindervorrichtungen ausgeſtattet wurden.
Im Handkulierſtuhl kann man nämlich ſehr leicht die Breite der Ware
dadurch erweitern oder verkürzen, daß man Endmaſchen von den Nadeln
abnimmt und ſie nach auswärts oder einwärts auf Nachbarnadeln
bringt. Man kann hierdurch ſog. reguläre Ware herſtellen, d. h. Teilen
von Bekleidungsgegenſtänden, wie Hoſen, Strümpfe, Handſchuhe, gleich
ihre richtige Form geben, ſo daß ſie nur zuſammengenäht zu werden
brauchen, um den Gegenſtand zu ergeben. Im Gegenſatz hierzu ſteht
die geſchnittene Ware; es werden die beregten Teile aus einem größeren
Warenſtück herausgeſchnitten und gleichfalls durch Nähen vereinigt.
Einleuchtend iſt, daß die letztere Ware im Innern wulſtige, drückende
Nähte haben muß, die bei der regulären Ware nicht vorhanden ſind.
1857 iſt nun zuerſt eine derartige Mindervorrichtung Luke Barton
patentiert worden, worauf ſehr ſchnell zahlreiche dahin zielende Er-
findungen folgten. Auch Wirkmuſter kann man heute auf ſolchen
[Abbildung] Fig. 214.

Flacher mechaniſcher Strumpfſtuhl.

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[382/0400] Die Textil-Induſtrie. geordnet; mittels einer Kurbel werden die Nadeln in gleicher Weiſe ge- dreht, Platinen bilden die Schleifen aus dem fortgeſetzt über die Nadeln gelegten Faden und es wird die neue Maſchenreihe ähnlich ſo wie beim Handkulierſtuhl gebildet, aber ohne Unterbrechung. Solche Rundſtühle, vielfach mit Dampf betrieben, auch Tricotſtühle genannt, haben ſich in verbeſſerter Form in der Praxis ſehr verbreitet. Man ſtellt heute auf ihnen nicht allein einfache Tricotware her, ſondern auch gemuſterte. Es darf nicht auffallen, daß in der umſtehenden Fig. 213 eines ſolchen Stuhles mehrere Spulen die Fäden abgeben. Erſtens muß das ge- ſchehen, wenn man mehrfarbige Waren oder ſolche mit verſchiedenem Material haben will, zweitens geſchieht es aber auch ſtets bei einfarbiger Ware, da die Maſchenbildung gleichzeitig an mehreren Stellen des Kreiſes vorgenommen wird. Der hierzu erforderliche Apparat heißt Mailleuſe, und hat man Stühle mit 3, 4, 5 Mailleuſen. Rundſtühle werden an einem Balken mit ihrer vertikalen Axe aufgehängt. Flache mechaniſche Kulierſtühle haben ſich zunächſt keinen Eingang verſchaffen können, ſind vielmehr erſt in Aufnahme gekommen, als ſie mit ſelbſt- thätigen und ſicher arbeitenden Mindervorrichtungen ausgeſtattet wurden. Im Handkulierſtuhl kann man nämlich ſehr leicht die Breite der Ware dadurch erweitern oder verkürzen, daß man Endmaſchen von den Nadeln abnimmt und ſie nach auswärts oder einwärts auf Nachbarnadeln bringt. Man kann hierdurch ſog. reguläre Ware herſtellen, d. h. Teilen von Bekleidungsgegenſtänden, wie Hoſen, Strümpfe, Handſchuhe, gleich ihre richtige Form geben, ſo daß ſie nur zuſammengenäht zu werden brauchen, um den Gegenſtand zu ergeben. Im Gegenſatz hierzu ſteht die geſchnittene Ware; es werden die beregten Teile aus einem größeren Warenſtück herausgeſchnitten und gleichfalls durch Nähen vereinigt. Einleuchtend iſt, daß die letztere Ware im Innern wulſtige, drückende Nähte haben muß, die bei der regulären Ware nicht vorhanden ſind. 1857 iſt nun zuerſt eine derartige Mindervorrichtung Luke Barton patentiert worden, worauf ſehr ſchnell zahlreiche dahin zielende Er- findungen folgten. Auch Wirkmuſter kann man heute auf ſolchen [Abbildung Fig. 214. Flacher mechaniſcher Strumpfſtuhl.]

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/400>, abgerufen am 26.04.2024.