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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Textil-Industrie.
1804 die Doppelkurbelwalke durch John Dyer, und hat letztere den Grund
für die heutigen Cylinderwalken gegeben, während neben diesen als zweites
System die Hammerkurbelwalken bestehen, beide Arten in einer fast
unübertrefflichen Vollkommenheit. Außer den genannten Walkmitteln
ist Seife als vorzüglichstes zu erwähnen. Das Rauhen von Stoffen
war gleichfalls bereits im grauen Altertum bekannt und wurde diese
Operation mit der noch heute für den gleichen Zweck verwendeten
Kardendistel, wenn auch in einer anderen Spezies, vorgenommen. Man
befestigte die Karden in einem Kreuz mit Handgriff und bearbeitete das
der Länge nach herunterhängende Gewebe in Richtung der Kette, riß
also die Schußfäden auf, wodurch die Haardecke entstand. Wenn auch
höchst selten, so geschieht das Rauhen für kleinere Gewebestücke in
Kleinbetrieben heute noch in gleicher oder ähnlicher Weise. Die
Maschinenrauherei soll 1684 mit James Dabadies Patent begonnen
haben. 1797 wurde Walter Burt in Amerika eine Rauhmaschine
patentiert. Von 1800 ab sind eine ganze Reihe von derartigen Pa-
tenten erteilt worden, und haben sich allmählich die vorzüglichen Kon-
struktionen der Gegenwart entwickelt, deren Hauptbestandteil immer eine
oder zwei große mit Kardendisteln garnierte und schnell rotierende
[Abbildung] Fig. 219.

Rauhmaschine.

Trommeln, an denen das der
Länge nach durch die Maschine
gehende Gewebe vorbeistreicht,
bilden. Eine solche Rauh-
maschine, bei denen sich die
Karden, die man übrigens auch
durch metallene von annähernder
Form ersetzt hat, auf Spindeln
drehen, bietet die beistehende
Fig. 219. Ferner hat man statt
der Karden Drahthäkchenbe-
schlag, Krempelbeschlag, als Be-
satz für die angreifenden Organe
genommen und die Kratzenrauhmaschine konstruiert. Eine Operation, die
dem Sengen gleich kommt, aber auch, wie bereits erwähnt, dazu dient,
hochflurige Gewebe gleichmäßig hoch zu bekommen, ist das Scheren. Seit
Jahrhunderten sind dazu scherenartige Werkzeuge benutzt worden. Wie
es dagegen im Altertume ausgeführt worden ist, wissen wir nicht; daß
es aber damals schon bekannt war, ist sicher. Die Tuchscherer spielten
besonders im Mittelalter eine hervorragende Rolle. Nachrichten von
ihnen haben wir aus dem 8. Jahrhundert. 1684 soll die Tuchschere
zuerst durch Elementarkraft betrieben worden sein. James Delabadie
nahm ein Patent auf eine solche Schermaschine. Die späterhin und
heute vorfindlichen Schermaschinen haben ein ganz anderes Prinzip.
Die eigentliche Schere ist fortgefallen. Ein mit spiralförmigen Messern
ausgestatteter Cylinder dreht sich schnell gegen ein darunter befind-

Die Textil-Induſtrie.
1804 die Doppelkurbelwalke durch John Dyer, und hat letztere den Grund
für die heutigen Cylinderwalken gegeben, während neben dieſen als zweites
Syſtem die Hammerkurbelwalken beſtehen, beide Arten in einer faſt
unübertrefflichen Vollkommenheit. Außer den genannten Walkmitteln
iſt Seife als vorzüglichſtes zu erwähnen. Das Rauhen von Stoffen
war gleichfalls bereits im grauen Altertum bekannt und wurde dieſe
Operation mit der noch heute für den gleichen Zweck verwendeten
Kardendiſtel, wenn auch in einer anderen Spezies, vorgenommen. Man
befeſtigte die Karden in einem Kreuz mit Handgriff und bearbeitete das
der Länge nach herunterhängende Gewebe in Richtung der Kette, riß
alſo die Schußfäden auf, wodurch die Haardecke entſtand. Wenn auch
höchſt ſelten, ſo geſchieht das Rauhen für kleinere Gewebeſtücke in
Kleinbetrieben heute noch in gleicher oder ähnlicher Weiſe. Die
Maſchinenrauherei ſoll 1684 mit James Dabadies Patent begonnen
haben. 1797 wurde Walter Burt in Amerika eine Rauhmaſchine
patentiert. Von 1800 ab ſind eine ganze Reihe von derartigen Pa-
tenten erteilt worden, und haben ſich allmählich die vorzüglichen Kon-
ſtruktionen der Gegenwart entwickelt, deren Hauptbeſtandteil immer eine
oder zwei große mit Kardendiſteln garnierte und ſchnell rotierende
[Abbildung] Fig. 219.

Rauhmaſchine.

Trommeln, an denen das der
Länge nach durch die Maſchine
gehende Gewebe vorbeiſtreicht,
bilden. Eine ſolche Rauh-
maſchine, bei denen ſich die
Karden, die man übrigens auch
durch metallene von annähernder
Form erſetzt hat, auf Spindeln
drehen, bietet die beiſtehende
Fig. 219. Ferner hat man ſtatt
der Karden Drahthäkchenbe-
ſchlag, Krempelbeſchlag, als Be-
ſatz für die angreifenden Organe
genommen und die Kratzenrauhmaſchine konſtruiert. Eine Operation, die
dem Sengen gleich kommt, aber auch, wie bereits erwähnt, dazu dient,
hochflurige Gewebe gleichmäßig hoch zu bekommen, iſt das Scheren. Seit
Jahrhunderten ſind dazu ſcherenartige Werkzeuge benutzt worden. Wie
es dagegen im Altertume ausgeführt worden iſt, wiſſen wir nicht; daß
es aber damals ſchon bekannt war, iſt ſicher. Die Tuchſcherer ſpielten
beſonders im Mittelalter eine hervorragende Rolle. Nachrichten von
ihnen haben wir aus dem 8. Jahrhundert. 1684 ſoll die Tuchſchere
zuerſt durch Elementarkraft betrieben worden ſein. James Delabadie
nahm ein Patent auf eine ſolche Schermaſchine. Die ſpäterhin und
heute vorfindlichen Schermaſchinen haben ein ganz anderes Prinzip.
Die eigentliche Schere iſt fortgefallen. Ein mit ſpiralförmigen Meſſern
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[390/0408] Die Textil-Induſtrie. 1804 die Doppelkurbelwalke durch John Dyer, und hat letztere den Grund für die heutigen Cylinderwalken gegeben, während neben dieſen als zweites Syſtem die Hammerkurbelwalken beſtehen, beide Arten in einer faſt unübertrefflichen Vollkommenheit. Außer den genannten Walkmitteln iſt Seife als vorzüglichſtes zu erwähnen. Das Rauhen von Stoffen war gleichfalls bereits im grauen Altertum bekannt und wurde dieſe Operation mit der noch heute für den gleichen Zweck verwendeten Kardendiſtel, wenn auch in einer anderen Spezies, vorgenommen. Man befeſtigte die Karden in einem Kreuz mit Handgriff und bearbeitete das der Länge nach herunterhängende Gewebe in Richtung der Kette, riß alſo die Schußfäden auf, wodurch die Haardecke entſtand. Wenn auch höchſt ſelten, ſo geſchieht das Rauhen für kleinere Gewebeſtücke in Kleinbetrieben heute noch in gleicher oder ähnlicher Weiſe. Die Maſchinenrauherei ſoll 1684 mit James Dabadies Patent begonnen haben. 1797 wurde Walter Burt in Amerika eine Rauhmaſchine patentiert. Von 1800 ab ſind eine ganze Reihe von derartigen Pa- tenten erteilt worden, und haben ſich allmählich die vorzüglichen Kon- ſtruktionen der Gegenwart entwickelt, deren Hauptbeſtandteil immer eine oder zwei große mit Kardendiſteln garnierte und ſchnell rotierende [Abbildung Fig. 219. Rauhmaſchine.] Trommeln, an denen das der Länge nach durch die Maſchine gehende Gewebe vorbeiſtreicht, bilden. Eine ſolche Rauh- maſchine, bei denen ſich die Karden, die man übrigens auch durch metallene von annähernder Form erſetzt hat, auf Spindeln drehen, bietet die beiſtehende Fig. 219. Ferner hat man ſtatt der Karden Drahthäkchenbe- ſchlag, Krempelbeſchlag, als Be- ſatz für die angreifenden Organe genommen und die Kratzenrauhmaſchine konſtruiert. Eine Operation, die dem Sengen gleich kommt, aber auch, wie bereits erwähnt, dazu dient, hochflurige Gewebe gleichmäßig hoch zu bekommen, iſt das Scheren. Seit Jahrhunderten ſind dazu ſcherenartige Werkzeuge benutzt worden. Wie es dagegen im Altertume ausgeführt worden iſt, wiſſen wir nicht; daß es aber damals ſchon bekannt war, iſt ſicher. Die Tuchſcherer ſpielten beſonders im Mittelalter eine hervorragende Rolle. Nachrichten von ihnen haben wir aus dem 8. Jahrhundert. 1684 ſoll die Tuchſchere zuerſt durch Elementarkraft betrieben worden ſein. James Delabadie nahm ein Patent auf eine ſolche Schermaſchine. Die ſpäterhin und heute vorfindlichen Schermaſchinen haben ein ganz anderes Prinzip. Die eigentliche Schere iſt fortgefallen. Ein mit ſpiralförmigen Meſſern ausgeſtatteter Cylinder dreht ſich ſchnell gegen ein darunter befind-

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/408>, abgerufen am 29.04.2024.