Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Allgemeines.
hoher Blüte emporgeschwungen hatte. Steiner giebt in seinen "Bildern
aus der Geschichte des Verkehrs" aus dem alten "Bergwerksbuch"
von Georg Agricola und Philipp Bechius (in deutscher Übersetzung
erschienen anno 1557) folgende Beschreibung der in den Bergwerken zum
Erztransport dienenden Karren, der sogenannten "Hunde" und Gleise:

"Zumletsten so die Erdt- oder Steinschollen mit dem Karren
"heraußgeführt werden / so legt man Brett zusammen gemacht / auf
"die Stegen / so den Hunden zwey Gestengen einer spannen dick und
"breit / welche an diesem Theile da sie zusammen gethon außgehauen
"werden / das in dem Gleiß / wie in einen gewissen weg / die Leitnägel
"der Hunden mögendt fürlauffen / mit welchen Leitnegel / das verhüt
"wird / das nicht die Hundt / von dem gebandten Weg das ist auß der
"gleiß zu rechten oder zur lincken abweichen / ja auch eben vnter den
"Stegen / werden Wasserseige gleit / durch welche das Wasser herauß-
"lauffe."

So hoch entwickelt der Bergbau der Römer war, so kannten diese
doch nicht die Benutzung des auf Gleisen laufenden Transportwagens;
bei ihnen geschah die Förderung des Erzes aus der Grube an das
Tageslicht lediglich auf den Schultern der Sklaven. Erst dem deutschen
Bergmann war es vorbehalten, die Schienenbahn wieder in die Zahl
der Verkehrswege einzuführen.

Als infolge seines großen Kohlenreichtums England das Land
des Bergbaues par excellence wurde, da erhielten die Schienenwege
eine weitere Ausbildung. So verfügte man bereits gegen das Jahr 1650
zu Newcastle upon Tyne über eine große Anzahl von "railways",
welche mit hölzernen Schienen ausgestattet waren, auf denen die
Kohlen von der Grube zu den auf dem Flusse liegenden Schiffen
geschafft wurden. Als Erbauer dieser ersten oberirdischen Schienen-
bahn wird ein gewisser Beaumont genannt. Diese hölzernen Gleise
mußten bei dem starken Verkehr sich notwendigerweise bald abnutzen,
und so ging man denn alsbald dazu über, die Balken mit Eisen zu
beschlagen. Im Jahre 1738 traten die ersten gußeisernen Schienen
auf und zwar in zweierlei Form, einmal als Flachschienen mit er-
höhtem Seitenrande und zweitens als Flachschienen mit einer erhöhten
Mittelrippe. Gleichzeitig führte man eine weitere hochbedeutsame
Neuerung ein, indem man auch die Wagenräder mit einem erhöhten
Rande versah, mittelst dessen sie sich in den Schienen sicher führten.

Als die Dampfmaschine durch James Watt ihrer Vervollkommnung
mit sicherer Hand entgegengeführt wurde, da tauchte auch der Plan,
den Dampf dem Verkehrswesen dienstbar zu machen, in verschiedenen
erfinderischen Köpfen auf; wir verweisen auf die in dem vorhergehenden
Abschnitte besprochenen Dampf-Straßenfahrzeuge von Cugnot, Evans
und Trevithick.

Hat letzterer das große Verdienst, zuerst ein für den Verkehr auf
gewöhnlichen Wegen wirklich brauchbares Dampf-Fuhrwerk erfunden

Das Buch der Erfindungen. 47

Allgemeines.
hoher Blüte emporgeſchwungen hatte. Steiner giebt in ſeinen „Bildern
aus der Geſchichte des Verkehrs“ aus dem alten „Bergwerksbuch“
von Georg Agricola und Philipp Bechius (in deutſcher Überſetzung
erſchienen anno 1557) folgende Beſchreibung der in den Bergwerken zum
Erztransport dienenden Karren, der ſogenannten „Hunde“ und Gleiſe:

„Zumletſten ſo die Erdt- oder Steinſchollen mit dem Karren
„heraußgeführt werden / ſo legt man Brett zuſammen gemacht / auf
„die Stegen / ſo den Hunden zwey Geſtengen einer ſpannen dick und
„breit / welche an dieſem Theile da ſie zuſammen gethon außgehauen
„werden / das in dem Gleiß / wie in einen gewiſſen weg / die Leitnägel
„der Hunden mögendt fürlauffen / mit welchen Leitnegel / das verhüt
„wird / das nicht die Hundt / von dem gebandten Weg das iſt auß der
„gleiß zu rechten oder zur lincken abweichen / ja auch eben vnter den
„Stegen / werden Waſſerſeige gleit / durch welche das Waſſer herauß-
„lauffe.“

So hoch entwickelt der Bergbau der Römer war, ſo kannten dieſe
doch nicht die Benutzung des auf Gleiſen laufenden Transportwagens;
bei ihnen geſchah die Förderung des Erzes aus der Grube an das
Tageslicht lediglich auf den Schultern der Sklaven. Erſt dem deutſchen
Bergmann war es vorbehalten, die Schienenbahn wieder in die Zahl
der Verkehrswege einzuführen.

Als infolge ſeines großen Kohlenreichtums England das Land
des Bergbaues par excellence wurde, da erhielten die Schienenwege
eine weitere Ausbildung. So verfügte man bereits gegen das Jahr 1650
zu Newcastle upon Tyne über eine große Anzahl von „railways“,
welche mit hölzernen Schienen ausgeſtattet waren, auf denen die
Kohlen von der Grube zu den auf dem Fluſſe liegenden Schiffen
geſchafft wurden. Als Erbauer dieſer erſten oberirdiſchen Schienen-
bahn wird ein gewiſſer Beaumont genannt. Dieſe hölzernen Gleiſe
mußten bei dem ſtarken Verkehr ſich notwendigerweiſe bald abnutzen,
und ſo ging man denn alsbald dazu über, die Balken mit Eiſen zu
beſchlagen. Im Jahre 1738 traten die erſten gußeiſernen Schienen
auf und zwar in zweierlei Form, einmal als Flachſchienen mit er-
höhtem Seitenrande und zweitens als Flachſchienen mit einer erhöhten
Mittelrippe. Gleichzeitig führte man eine weitere hochbedeutſame
Neuerung ein, indem man auch die Wagenräder mit einem erhöhten
Rande verſah, mittelſt deſſen ſie ſich in den Schienen ſicher führten.

Als die Dampfmaſchine durch James Watt ihrer Vervollkommnung
mit ſicherer Hand entgegengeführt wurde, da tauchte auch der Plan,
den Dampf dem Verkehrsweſen dienſtbar zu machen, in verſchiedenen
erfinderiſchen Köpfen auf; wir verweiſen auf die in dem vorhergehenden
Abſchnitte beſprochenen Dampf-Straßenfahrzeuge von Cugnot, Evans
und Trevithick.

Hat letzterer das große Verdienſt, zuerſt ein für den Verkehr auf
gewöhnlichen Wegen wirklich brauchbares Dampf-Fuhrwerk erfunden

Das Buch der Erfindungen. 47
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0755" n="737"/><fw place="top" type="header">Allgemeines.</fw><lb/>
hoher Blüte emporge&#x017F;chwungen hatte. Steiner giebt in &#x017F;einen &#x201E;Bildern<lb/>
aus der Ge&#x017F;chichte des Verkehrs&#x201C; aus dem alten &#x201E;Bergwerksbuch&#x201C;<lb/>
von Georg Agricola und Philipp Bechius (in deut&#x017F;cher Über&#x017F;etzung<lb/>
er&#x017F;chienen <hi rendition="#aq">anno</hi> 1557) folgende Be&#x017F;chreibung der in den Bergwerken zum<lb/>
Erztransport dienenden Karren, der &#x017F;ogenannten &#x201E;Hunde&#x201C; und Glei&#x017F;e:</p><lb/>
              <p>&#x201E;Zumlet&#x017F;ten &#x017F;o die Erdt- oder Stein&#x017F;chollen mit dem Karren<lb/>
&#x201E;heraußgeführt werden / &#x017F;o legt man Brett zu&#x017F;ammen gemacht / auf<lb/>
&#x201E;die Stegen / &#x017F;o den Hunden zwey Ge&#x017F;tengen einer &#x017F;pannen dick und<lb/>
&#x201E;breit / welche an die&#x017F;em Theile da &#x017F;ie zu&#x017F;ammen gethon außgehauen<lb/>
&#x201E;werden / das in dem Gleiß / wie in einen gewi&#x017F;&#x017F;en weg / die Leitnägel<lb/>
&#x201E;der Hunden mögendt fürlauffen / mit welchen Leitnegel / das verhüt<lb/>
&#x201E;wird / das nicht die Hundt / von dem gebandten Weg das i&#x017F;t auß der<lb/>
&#x201E;gleiß zu rechten oder zur lincken abweichen / ja auch eben vnter den<lb/>
&#x201E;Stegen / werden Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;eige gleit / durch welche das Wa&#x017F;&#x017F;er herauß-<lb/>
&#x201E;lauffe.&#x201C;</p><lb/>
              <p>So hoch entwickelt der Bergbau der Römer war, &#x017F;o kannten die&#x017F;e<lb/>
doch nicht die Benutzung des auf Glei&#x017F;en laufenden Transportwagens;<lb/>
bei ihnen ge&#x017F;chah die Förderung des Erzes aus der Grube an das<lb/>
Tageslicht lediglich auf den Schultern der Sklaven. Er&#x017F;t dem deut&#x017F;chen<lb/>
Bergmann war es vorbehalten, die Schienenbahn wieder in die Zahl<lb/>
der Verkehrswege einzuführen.</p><lb/>
              <p>Als infolge &#x017F;eines großen Kohlenreichtums England das Land<lb/>
des Bergbaues <hi rendition="#aq">par excellence</hi> wurde, da erhielten die Schienenwege<lb/>
eine weitere Ausbildung. So verfügte man bereits gegen das Jahr 1650<lb/>
zu <hi rendition="#aq">Newcastle upon Tyne</hi> über eine große Anzahl von <hi rendition="#aq">&#x201E;railways&#x201C;</hi>,<lb/>
welche mit hölzernen Schienen ausge&#x017F;tattet waren, auf denen die<lb/>
Kohlen von der Grube zu den auf dem Flu&#x017F;&#x017F;e liegenden Schiffen<lb/>
ge&#x017F;chafft wurden. Als Erbauer die&#x017F;er er&#x017F;ten oberirdi&#x017F;chen Schienen-<lb/>
bahn wird ein gewi&#x017F;&#x017F;er Beaumont genannt. Die&#x017F;e hölzernen Glei&#x017F;e<lb/>
mußten bei dem &#x017F;tarken Verkehr &#x017F;ich notwendigerwei&#x017F;e bald abnutzen,<lb/>
und &#x017F;o ging man denn alsbald dazu über, die Balken mit Ei&#x017F;en zu<lb/>
be&#x017F;chlagen. Im Jahre 1738 traten die er&#x017F;ten <hi rendition="#g">gußei&#x017F;ernen</hi> Schienen<lb/>
auf und zwar in zweierlei Form, einmal als Flach&#x017F;chienen mit er-<lb/>
höhtem Seitenrande und zweitens als Flach&#x017F;chienen mit einer erhöhten<lb/>
Mittelrippe. Gleichzeitig führte man eine weitere hochbedeut&#x017F;ame<lb/>
Neuerung ein, indem man auch die Wagenräder mit einem erhöhten<lb/>
Rande ver&#x017F;ah, mittel&#x017F;t de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich in den Schienen &#x017F;icher führten.</p><lb/>
              <p>Als die Dampfma&#x017F;chine durch James Watt ihrer Vervollkommnung<lb/>
mit &#x017F;icherer Hand entgegengeführt wurde, da tauchte auch der Plan,<lb/>
den Dampf dem Verkehrswe&#x017F;en dien&#x017F;tbar zu machen, in ver&#x017F;chiedenen<lb/>
erfinderi&#x017F;chen Köpfen auf; wir verwei&#x017F;en auf die in dem vorhergehenden<lb/>
Ab&#x017F;chnitte be&#x017F;prochenen Dampf-Straßenfahrzeuge von Cugnot, Evans<lb/>
und Trevithick.</p><lb/>
              <p>Hat letzterer das große Verdien&#x017F;t, zuer&#x017F;t ein für den Verkehr auf<lb/>
gewöhnlichen Wegen wirklich brauchbares Dampf-Fuhrwerk erfunden<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Das Buch der Erfindungen. 47</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[737/0755] Allgemeines. hoher Blüte emporgeſchwungen hatte. Steiner giebt in ſeinen „Bildern aus der Geſchichte des Verkehrs“ aus dem alten „Bergwerksbuch“ von Georg Agricola und Philipp Bechius (in deutſcher Überſetzung erſchienen anno 1557) folgende Beſchreibung der in den Bergwerken zum Erztransport dienenden Karren, der ſogenannten „Hunde“ und Gleiſe: „Zumletſten ſo die Erdt- oder Steinſchollen mit dem Karren „heraußgeführt werden / ſo legt man Brett zuſammen gemacht / auf „die Stegen / ſo den Hunden zwey Geſtengen einer ſpannen dick und „breit / welche an dieſem Theile da ſie zuſammen gethon außgehauen „werden / das in dem Gleiß / wie in einen gewiſſen weg / die Leitnägel „der Hunden mögendt fürlauffen / mit welchen Leitnegel / das verhüt „wird / das nicht die Hundt / von dem gebandten Weg das iſt auß der „gleiß zu rechten oder zur lincken abweichen / ja auch eben vnter den „Stegen / werden Waſſerſeige gleit / durch welche das Waſſer herauß- „lauffe.“ So hoch entwickelt der Bergbau der Römer war, ſo kannten dieſe doch nicht die Benutzung des auf Gleiſen laufenden Transportwagens; bei ihnen geſchah die Förderung des Erzes aus der Grube an das Tageslicht lediglich auf den Schultern der Sklaven. Erſt dem deutſchen Bergmann war es vorbehalten, die Schienenbahn wieder in die Zahl der Verkehrswege einzuführen. Als infolge ſeines großen Kohlenreichtums England das Land des Bergbaues par excellence wurde, da erhielten die Schienenwege eine weitere Ausbildung. So verfügte man bereits gegen das Jahr 1650 zu Newcastle upon Tyne über eine große Anzahl von „railways“, welche mit hölzernen Schienen ausgeſtattet waren, auf denen die Kohlen von der Grube zu den auf dem Fluſſe liegenden Schiffen geſchafft wurden. Als Erbauer dieſer erſten oberirdiſchen Schienen- bahn wird ein gewiſſer Beaumont genannt. Dieſe hölzernen Gleiſe mußten bei dem ſtarken Verkehr ſich notwendigerweiſe bald abnutzen, und ſo ging man denn alsbald dazu über, die Balken mit Eiſen zu beſchlagen. Im Jahre 1738 traten die erſten gußeiſernen Schienen auf und zwar in zweierlei Form, einmal als Flachſchienen mit er- höhtem Seitenrande und zweitens als Flachſchienen mit einer erhöhten Mittelrippe. Gleichzeitig führte man eine weitere hochbedeutſame Neuerung ein, indem man auch die Wagenräder mit einem erhöhten Rande verſah, mittelſt deſſen ſie ſich in den Schienen ſicher führten. Als die Dampfmaſchine durch James Watt ihrer Vervollkommnung mit ſicherer Hand entgegengeführt wurde, da tauchte auch der Plan, den Dampf dem Verkehrsweſen dienſtbar zu machen, in verſchiedenen erfinderiſchen Köpfen auf; wir verweiſen auf die in dem vorhergehenden Abſchnitte beſprochenen Dampf-Straßenfahrzeuge von Cugnot, Evans und Trevithick. Hat letzterer das große Verdienſt, zuerſt ein für den Verkehr auf gewöhnlichen Wegen wirklich brauchbares Dampf-Fuhrwerk erfunden Das Buch der Erfindungen. 47

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/755
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/755>, abgerufen am 26.04.2024.