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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Waaren. Die schönsten stehen in Häusern,
die in der Mitte des Orts ringsherum gebaut sind, und
wie ein wahres Schlos aussehen. Sie zeigen sie alle,
wenn man nur in einer etwas kauft. Einer zeigt des
andern seine Waare, alle öffnet Ein Schlüssel. Alle ihre
Sachen sind im englischen Geschmack, und haben alle
Zettel anhängen, worauf der Preis steht. Bieten kann
man da nicht, man zahlt, was darauf steht. Daher
verkauft auch einer für den andern. Schön, und fein sind
ihre Waaren, und der Preis ist nicht übersetzt, vieles ist
um die Hälfte, manches um 6, 7. Gulden wohlfeiler,
als in Amsterdam. Man sieht alle mögliche Sachen,
und könnte sich da in kurzer Zeit eine ganze Haushaltung,
Garderobe, Meublen, Galanterien etc. anschaffen. Wers
Geld lieb hat, muß nicht hierher kommen. Es ist ein
verführerischer Anblick. -- In dem andern Theil dieser
Gebäude wohnen die Schwestern. Ich wartete auch
ihren

Gottesdienst ab. Alle Abende um 7. Uhr wird
eine Betstunde von einer starken halben Stunde gehalten.
Ihre Kirche, -- denn es ist noch eine andre im Orte --
steht in der Mitte, ist ein schönes Gebäude, ganz neu,
gros, hell, hat eine Orgel, aber keine Kanzel, sondern
nur ein erhöhtes Tischchen, und eine kleine Glocke. Man
rechnet die Gemeine auf 400.-430. Familien, und für
diese ist ein Prediger angestellt. Der Gesang war deutsch,
zart, lieblich, einnehmend, sanft, rührend. Dann las
der Prediger eine kurze Rede über Dan. XII. "Du bist
"mir lieb und werth," ab. Die Anrede war: Meine
liebe Geschwister, und der Hauptgedanke, daß in dieser
Versicherung des Heilandes, -- denn bei dem war er

gleich,
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Waaren. Die ſchoͤnſten ſtehen in Haͤuſern,
die in der Mitte des Orts ringsherum gebaut ſind, und
wie ein wahres Schlos ausſehen. Sie zeigen ſie alle,
wenn man nur in einer etwas kauft. Einer zeigt des
andern ſeine Waare, alle oͤffnet Ein Schluͤſſel. Alle ihre
Sachen ſind im engliſchen Geſchmack, und haben alle
Zettel anhaͤngen, worauf der Preis ſteht. Bieten kann
man da nicht, man zahlt, was darauf ſteht. Daher
verkauft auch einer fuͤr den andern. Schoͤn, und fein ſind
ihre Waaren, und der Preis iſt nicht uͤberſetzt, vieles iſt
um die Haͤlfte, manches um 6, 7. Gulden wohlfeiler,
als in Amſterdam. Man ſieht alle moͤgliche Sachen,
und koͤnnte ſich da in kurzer Zeit eine ganze Haushaltung,
Garderobe, Meublen, Galanterien ꝛc. anſchaffen. Wers
Geld lieb hat, muß nicht hierher kommen. Es iſt ein
verfuͤhreriſcher Anblick. — In dem andern Theil dieſer
Gebaͤude wohnen die Schweſtern. Ich wartete auch
ihren

Gottesdienſt ab. Alle Abende um 7. Uhr wird
eine Betſtunde von einer ſtarken halben Stunde gehalten.
Ihre Kirche, — denn es iſt noch eine andre im Orte —
ſteht in der Mitte, iſt ein ſchoͤnes Gebaͤude, ganz neu,
gros, hell, hat eine Orgel, aber keine Kanzel, ſondern
nur ein erhoͤhtes Tiſchchen, und eine kleine Glocke. Man
rechnet die Gemeine auf 400.-430. Familien, und fuͤr
dieſe iſt ein Prediger angeſtellt. Der Geſang war deutſch,
zart, lieblich, einnehmend, ſanft, ruͤhrend. Dann las
der Prediger eine kurze Rede uͤber Dan. XII. „Du biſt
„mir lieb und werth,“ ab. Die Anrede war: Meine
liebe Geſchwiſter, und der Hauptgedanke, daß in dieſer
Verſicherung des Heilandes, — denn bei dem war er

gleich,
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[597/0621] Waaren. Die ſchoͤnſten ſtehen in Haͤuſern, die in der Mitte des Orts ringsherum gebaut ſind, und wie ein wahres Schlos ausſehen. Sie zeigen ſie alle, wenn man nur in einer etwas kauft. Einer zeigt des andern ſeine Waare, alle oͤffnet Ein Schluͤſſel. Alle ihre Sachen ſind im engliſchen Geſchmack, und haben alle Zettel anhaͤngen, worauf der Preis ſteht. Bieten kann man da nicht, man zahlt, was darauf ſteht. Daher verkauft auch einer fuͤr den andern. Schoͤn, und fein ſind ihre Waaren, und der Preis iſt nicht uͤberſetzt, vieles iſt um die Haͤlfte, manches um 6, 7. Gulden wohlfeiler, als in Amſterdam. Man ſieht alle moͤgliche Sachen, und koͤnnte ſich da in kurzer Zeit eine ganze Haushaltung, Garderobe, Meublen, Galanterien ꝛc. anſchaffen. Wers Geld lieb hat, muß nicht hierher kommen. Es iſt ein verfuͤhreriſcher Anblick. — In dem andern Theil dieſer Gebaͤude wohnen die Schweſtern. Ich wartete auch ihren Gottesdienſt ab. Alle Abende um 7. Uhr wird eine Betſtunde von einer ſtarken halben Stunde gehalten. Ihre Kirche, — denn es iſt noch eine andre im Orte — ſteht in der Mitte, iſt ein ſchoͤnes Gebaͤude, ganz neu, gros, hell, hat eine Orgel, aber keine Kanzel, ſondern nur ein erhoͤhtes Tiſchchen, und eine kleine Glocke. Man rechnet die Gemeine auf 400.-430. Familien, und fuͤr dieſe iſt ein Prediger angeſtellt. Der Geſang war deutſch, zart, lieblich, einnehmend, ſanft, ruͤhrend. Dann las der Prediger eine kurze Rede uͤber Dan. XII. „Du biſt „mir lieb und werth,“ ab. Die Anrede war: Meine liebe Geſchwiſter, und der Hauptgedanke, daß in dieſer Verſicherung des Heilandes, — denn bei dem war er gleich, P p 3

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/621>, abgerufen am 30.04.2024.