Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Unterredungen mit Gott. ger aufreibt, die das Meer verschluckt, die das langsameGift der Krankheit schrecklich hinrichtet, die die versun- kene Seele mit düsteren Einbildungen martert, die die eiserne Hand der Ungerechtigkeit hie und da zermalmen will -- Gott, du kennst alle, die wir nennen, und die wir nicht nennen. Ach, wirst du dann so manches zer- stoßene Rohr vollends zerbrechen? Du wirst doch den glimmenden Tocht nicht auslöschen? Wir, Schüler und Nachfolger deines Sohnes, opfern dir unsern Wohl- stand, und unser irrdisches Glück. Nimm es, und theile es unter die, denen das Leben keine Wohlthat ist, die sich deiner Sonne nicht mit ganzer Seele freuen können. Nimm es und schenk es der Mutter, die den Säugling nicht erwärmen, und das durchdringende Rufen des hun- gernden Unmündigen nicht stillen kann. Wie werden im Lande der Klarheit alle Räthsel uns Majestätischer Gott! werd ich dann die Stimme äusser- C 5
Unterredungen mit Gott. ger aufreibt, die das Meer verſchluckt, die das langſameGift der Krankheit ſchrecklich hinrichtet, die die verſun- kene Seele mit düſteren Einbildungen martert, die die eiſerne Hand der Ungerechtigkeit hie und da zermalmen will — Gott, du kennſt alle, die wir nennen, und die wir nicht nennen. Ach, wirſt du dann ſo manches zer- ſtoßene Rohr vollends zerbrechen? Du wirſt doch den glimmenden Tocht nicht auslöſchen? Wir, Schüler und Nachfolger deines Sohnes, opfern dir unſern Wohl- ſtand, und unſer irrdiſches Glück. Nimm es, und theile es unter die, denen das Leben keine Wohlthat iſt, die ſich deiner Sonne nicht mit ganzer Seele freuen können. Nimm es und ſchenk es der Mutter, die den Säugling nicht erwärmen, und das durchdringende Rufen des hun- gernden Unmündigen nicht ſtillen kann. Wie werden im Lande der Klarheit alle Räthſel uns Majeſtätiſcher Gott! werd ich dann die Stimme äuſſer- C 5
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Unterredungen mit Gott.
ger aufreibt, die das Meer verſchluckt, die das langſame
Gift der Krankheit ſchrecklich hinrichtet, die die verſun-
kene Seele mit düſteren Einbildungen martert, die die
eiſerne Hand der Ungerechtigkeit hie und da zermalmen
will — Gott, du kennſt alle, die wir nennen, und die
wir nicht nennen. Ach, wirſt du dann ſo manches zer-
ſtoßene Rohr vollends zerbrechen? Du wirſt doch den
glimmenden Tocht nicht auslöſchen? Wir, Schüler und
Nachfolger deines Sohnes, opfern dir unſern Wohl-
ſtand, und unſer irrdiſches Glück. Nimm es, und theile
es unter die, denen das Leben keine Wohlthat iſt, die ſich
deiner Sonne nicht mit ganzer Seele freuen können.
Nimm es und ſchenk es der Mutter, die den Säugling
nicht erwärmen, und das durchdringende Rufen des hun-
gernden Unmündigen nicht ſtillen kann.
Wie werden im Lande der Klarheit alle Räthſel uns
aufgeſchloſſen werden! Wie werden wir alsdann die dun-
kelſten verworrenſten Stücke in unſrer Geſchichte ſo ganz
anders anſehen! Wie werden wir dem Erlöſer danken,
der uns auf eben dem Wege, den er nehmen mußte, in
ſein Reich geführt hat! Wie werden wir auf die tönen-
den Pſalter hören, die die Ueberwundenen in den Hän-
den haben werden!
Majeſtätiſcher Gott! werd ich dann die Stimme
bald hören, die mich zu dir ruft? Wenn wirſt du meine
Minderjährigkeit endigen, und die gehemmten Kräfte
loslaſſen? Wenn werden ſie ſich zu mir drängen, die
alle, die ich hier leiden geſehen habe, und die ſchon ein-
gegangen ſind in deine Freude? Wirſt du dann den En-
gel bald ſchicken, der mir das Auge zudrücken, und am
äuſſer-
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Zitationshilfe: | Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/47>, abgerufen am 16.06.2024. |