Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.[Spaltenumbruch] Die Bilder/ müßen der Figur dienen. an jedes Bild binden: welche hier nur der ganzen Figur dienen/ und nicht herrschen müßen. Zur perfection derselben sind auch behülflich/ gute Beyfügungen/ und der Materie anständige Gute Beyfügungen/ zieren diese Gemälde/ wie auch allerhand Stellungen der Bilder. fremde Ersinnungen/ wolstehende Bilder/ schickliche Stellungen und Affecten/ welche alle das Gemälde reichlich hervorbringen. Nicht minder zieren dasselbe/ theils vorsich halbe in Profil, theils hintersich stehende/ sitzende/ ligende und kniehende/ halb- oder ganz gekleidte/ und unter einander gemengte[Spaltenumbruch] Doch mus die Historie das Hauptwerk bleiben. Bilder. Doch mus allezeit die Historie das Hauptwerk seyn/ und in Mitte des Stucks/ mit der fürnehmsten Zierde/ vor allen andern sichtbar/ herfür scheinen. Wiewol auch alles/ was Kunst vermag/ in ein Historien-Gemähl gehöret/ soll es doch mit Arbeit nicht überladen seyn/ sondern die erforderte Wahrnehmung der Kleidungen/ Physiognomie, Gebäude und Landschaften/ nach jedes Landes Art/ erkantlich in die Augen fallen. Das XI Capitel. Von Dem Liecht und Mahlzimmer/ auch Nacht-Stucken. Innhalt.Die Sonne gibt das Liecht/ den Planeten und der Erde/ auch allen Dingen ihre natürliche Farbe. Dieses thun gleichfalls/ Blitz/ Mond und Feuer. Unachtsamkeit der Alten/ in erwehlung kleiner Mahl-Stüblein: wodurch sie ihnen selbst/ die Weitdurft und das nötige Liecht/ entzogen. Des Mahlzimmers rechte Breite und Länge/ auch groß und kleines Liecht: das mus von Norden her scheinen. Wie ein Modell soll gestellt und die Distanz beobachtet werden. Der Mahler/ mus das Werk von weitem examiniren können. Auch kleine Sachen/ erfordern Raum und gut Liecht. Hülfe vom Papierfenster. Höhe des Liechtes. Process mit den Nacht-Stucken/ bey Feuer und Liecht. Farbe des Feuers. Wie den Nacht-Figuren die Farbe und action der Gebärden zu geben. Herrliche Nacht-Stucke Raphaels/ Bassons/ Gerhards von Hundhorst/ Adam Elzheimers/ Antonii de Corregio und des Autoris. WAnn man von der reflexion und dem Liecht zum Mahlen reden Die Sonne gibt das Liecht/ den Planeten und der Erde/ will/ so mus der Anfang von der Sonne gemacht werden: welche/ als die Seele der Welt/ den Sternen ihren Glanz ertheilet/ und darum in mitte der Planeten stehet. Sie macht auch alle Dinge auf Erden sichtbar/ wann sie die finstere Nacht vertrieben/ und ihre Vorläuferin/ die schöne Aurora, zwischen dem Gebirge/ mit ihren verguldten Haaren/ auch allen Dingen ihre natürliche Farbe. zu uns sendet. Hierdurch bekommen Luft/ Meer und Erde/ die Wolken/ Berge/ Felder/ Gebäude/ Menschen und Thiere/ alle Geschöpfe/ ihre natürliche Farbe/ die zuvor in der Finstere alle Diß thun auch Blitz/ Mond und Feuer. schwarz erschienen. Diß thut auch der Blitz/ bey finsterm Gewölke/ und bey Nacht der bleiche Mond/ ingleichen die Liecht-Kerze und das Feuer/ mit ihrem blaulichten/ bleichen und rohten Liecht. Und solches wird/ die reflexion oder der Widerschein/ dergleichen Arbeit aber Nacht-Stücke/ genennet. Unachtsamkeit der Alten/ in erwehlung kleiner Mahl-Stüblein: wodurch sie ihnen selbst/ die Weitturft und das nötige Liecht/ entzogen. Es haben viel unserer Vorfahren/ auch meist die allerberühmteste Teutsche Kunst-Mahlere/ gefehlet/ indem sie/ all zu kleiner auch überall mit[Spaltenumbruch] Liecht und Sonnenschein erfüllter Mahl Stüblein/ zu ihrer Arbeit sich bedienet: wordurch ihnen/ der Platz und die nötige Distanz, um von ihrem Modell oder Tafel weit genug ab und zuruck zu treten/ auch ihre Arbeit von weitem zu besichtigen und darüber zu urtheilen/ so wol auch des gerechten hohen einfälligen Liechts Stärke zum rundiren/ folgbar die natürliche Kräften aller Farben/ verkürzt und benommen worden: Und wurden sie/ wann sie in einem anständigen Mahlzimmer gewesen wären/ ihren trefflichen Werken viel mehr Leben/ Kraft und Warheit gegeben haben. Des Mahlzimmers rechte Breite und Länge/ So ist dann vonnöten/ daß ein schickliches Zimmer/ absonderlich zum Bild-Mahlen in Lebens-Größe/ auch zum Historien-Mahlen/ und dergleichen/ erwehlet werde. Dasselbe mus nun wol hoch und groß seyn/ und in der Länge zum wenigsten 30 auch groß und kleines Liecht: Schuh/ und in der Breite fast eben soviel haben/ auch das Liecht/ welches recht mitten und zu oberst des Zimmers anfangen mus/ 5 oder 6 Schuh in der Vierung haben/ wiewol die Rundung besser anstünde. Gleich unterhalb dieses Liechts/ soll noch eines jenem gleichförmig seyn/ welches bedeckt kan werden: damit/ wann Historien zu praesentiren sind/ so in frey-offenem Feld im Sonnenschein bey [Spaltenumbruch] Die Bilder/ müßen der Figur dienen. an jedes Bild binden: welche hier nur der ganzen Figur dienen/ und nicht herrschen müßen. Zur perfection derselben sind auch behülflich/ gute Beyfügungen/ und der Materie anständige Gute Beyfügungen/ zieren diese Gemälde/ wie auch allerhand Stellungen der Bilder. fremde Ersinnungen/ wolstehende Bilder/ schickliche Stellungen und Affecten/ welche alle das Gemälde reichlich hervorbringen. Nicht minder zieren dasselbe/ theils vorsich halbe in Profil, theils hintersich stehende/ sitzende/ ligende und kniehende/ halb- oder ganz gekleidte/ und unter einander gemengte[Spaltenumbruch] Doch mus die Historie das Hauptwerk bleiben. Bilder. Doch mus allezeit die Historie das Hauptwerk seyn/ und in Mitte des Stucks/ mit der fürnehmsten Zierde/ vor allen andern sichtbar/ herfür scheinen. Wiewol auch alles/ was Kunst vermag/ in ein Historien-Gemähl gehöret/ soll es doch mit Arbeit nicht überladen seyn/ sondern die erforderte Wahrnehmung der Kleidungen/ Physiognomie, Gebäude und Landschaften/ nach jedes Landes Art/ erkantlich in die Augen fallen. Das XI Capitel. Von Dem Liecht und Mahlzimmer/ auch Nacht-Stucken. Innhalt.Die Sonne gibt das Liecht/ den Planeten und der Erde/ auch allen Dingen ihre natürliche Farbe. Dieses thun gleichfalls/ Blitz/ Mond und Feuer. Unachtsamkeit der Alten/ in erwehlung kleiner Mahl-Stüblein: wodurch sie ihnen selbst/ die Weitdurft und das nötige Liecht/ entzogen. Des Mahlzimmers rechte Breite und Länge/ auch groß und kleines Liecht: das mus von Norden her scheinen. Wie ein Modell soll gestellt und die Distanz beobachtet werden. Der Mahler/ mus das Werk von weitem examiniren können. Auch kleine Sachen/ erfordern Raum und gut Liecht. Hülfe vom Papierfenster. Höhe des Liechtes. Process mit den Nacht-Stucken/ bey Feuer und Liecht. Farbe des Feuers. Wie den Nacht-Figuren die Farbe und action der Gebärden zu geben. Herrliche Nacht-Stucke Raphaëls/ Bassons/ Gerhards von Hundhorst/ Adam Elzheimers/ Antonii de Corregio und des Autoris. WAnn man von der reflexion und dem Liecht zum Mahlen reden Die Sonne gibt das Liecht/ den Planeten und der Erde/ will/ so mus der Anfang von der Sonne gemacht werden: welche/ als die Seele der Welt/ den Sternen ihren Glanz ertheilet/ und darum in mitte der Planeten stehet. Sie macht auch alle Dinge auf Erden sichtbar/ wann sie die finstere Nacht vertrieben/ und ihre Vorläuferin/ die schöne Aurora, zwischen dem Gebirge/ mit ihren verguldten Haaren/ auch allen Dingen ihre natürliche Farbe. zu uns sendet. Hierdurch bekommen Luft/ Meer und Erde/ die Wolken/ Berge/ Felder/ Gebäude/ Menschen und Thiere/ alle Geschöpfe/ ihre natürliche Farbe/ die zuvor in der Finstere alle Diß thun auch Blitz/ Mond und Feuer. schwarz erschienen. Diß thut auch der Blitz/ bey finsterm Gewölke/ und bey Nacht der bleiche Mond/ ingleichen die Liecht-Kerze und das Feuer/ mit ihrem blaulichten/ bleichen und rohten Liecht. Und solches wird/ die reflexion oder der Widerschein/ dergleichen Arbeit aber Nacht-Stücke/ genennet. Unachtsamkeit der Alten/ in erwehlung kleiner Mahl-Stüblein: wodurch sie ihnen selbst/ die Weitturft und das nötige Liecht/ entzogen. Es haben viel unserer Vorfahren/ auch meist die allerberühmteste Teutsche Kunst-Mahlere/ gefehlet/ indem sie/ all zu kleiner auch überall mit[Spaltenumbruch] Liecht und Sonnenschein erfüllter Mahl Stüblein/ zu ihrer Arbeit sich bedienet: wordurch ihnen/ der Platz und die nötige Distanz, um von ihrem Modell oder Tafel weit genug ab und zuruck zu treten/ auch ihre Arbeit von weitem zu besichtigen und darüber zu urtheilen/ so wol auch des gerechten hohen einfälligen Liechts Stärke zum rundiren/ folgbar die natürliche Kräften aller Farben/ verkürzt und benommen worden: Und wurden sie/ wann sie in einem anständigen Mahlzimmer gewesen wären/ ihren trefflichen Werken viel mehr Leben/ Kraft und Warheit gegeben haben. Des Mahlzimmers rechte Breite und Länge/ So ist dann vonnöten/ daß ein schickliches Zimmer/ absonderlich zum Bild-Mahlen in Lebens-Größe/ auch zum Historien-Mahlen/ und dergleichen/ erwehlet werde. Dasselbe mus nun wol hoch und groß seyn/ und in der Länge zum wenigsten 30 auch groß und kleines Liecht: Schuh/ und in der Breite fast eben soviel haben/ auch das Liecht/ welches recht mitten und zu oberst des Zimmers anfangen mus/ 5 oder 6 Schuh in der Vierung haben/ wiewol die Rundung besser anstünde. Gleich unterhalb dieses Liechts/ soll noch eines jenem gleichförmig seyn/ welches bedeckt kan werden: damit/ wann Historien zu praesentiren sind/ so in frey-offenem Feld im Sonnenschein bey <TEI> <text xml:id="ta1675"> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div xml:id="d166.1"> <p xml:id="p166.6"><pb facs="#f0259" xml:id="pb-167" n="[I, Buch 3 (Malerei), S. 80]"/><cb/><note place="right">Die Bilder/ müßen der Figur dienen.</note> an jedes Bild binden: welche hier nur der ganzen Figur dienen/ und nicht herrschen müßen. 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an jedes Bild binden: welche hier nur der ganzen Figur dienen/ und nicht herrschen müßen. Zur perfection derselben sind auch behülflich/ gute Beyfügungen/ und der Materie anständige fremde Ersinnungen/ wolstehende Bilder/ schickliche Stellungen und Affecten/ welche alle das Gemälde reichlich hervorbringen. Nicht minder zieren dasselbe/ theils vorsich halbe in Profil, theils hintersich stehende/ sitzende/ ligende und kniehende/ halb- oder ganz gekleidte/ und unter einander gemengte
Bilder. Doch mus allezeit die Historie das Hauptwerk seyn/ und in Mitte des Stucks/ mit der fürnehmsten Zierde/ vor allen andern sichtbar/ herfür scheinen. Wiewol auch alles/ was Kunst vermag/ in ein Historien-Gemähl gehöret/ soll es doch mit Arbeit nicht überladen seyn/ sondern die erforderte Wahrnehmung der Kleidungen/ Physiognomie, Gebäude und Landschaften/ nach jedes Landes Art/ erkantlich in die Augen fallen.
Die Bilder/ müßen der Figur dienen.
Gute Beyfügungen/ zieren diese Gemälde/ wie auch allerhand Stellungen der Bilder.
Doch mus die Historie das Hauptwerk bleiben.Das XI Capitel.
Von
Dem Liecht und Mahlzimmer/
auch Nacht-Stucken.
Innhalt.
Die Sonne gibt das Liecht/ den Planeten und der Erde/ auch allen Dingen ihre natürliche Farbe. Dieses thun gleichfalls/ Blitz/ Mond und Feuer. Unachtsamkeit der Alten/ in erwehlung kleiner Mahl-Stüblein: wodurch sie ihnen selbst/ die Weitdurft und das nötige Liecht/ entzogen. Des Mahlzimmers rechte Breite und Länge/ auch groß und kleines Liecht: das mus von Norden her scheinen. Wie ein Modell soll gestellt und die Distanz beobachtet werden. Der Mahler/ mus das Werk von weitem examiniren können. Auch kleine Sachen/ erfordern Raum und gut Liecht. Hülfe vom Papierfenster. Höhe des Liechtes. Process mit den Nacht-Stucken/ bey Feuer und Liecht. Farbe des Feuers. Wie den Nacht-Figuren die Farbe und action der Gebärden zu geben. Herrliche Nacht-Stucke Raphaëls/ Bassons/ Gerhards von Hundhorst/ Adam Elzheimers/ Antonii de Corregio und des Autoris.
WAnn man von der reflexion und dem Liecht zum Mahlen reden will/ so mus der Anfang von der Sonne gemacht werden: welche/ als die Seele der Welt/ den Sternen ihren Glanz ertheilet/ und darum in mitte der Planeten stehet. Sie macht auch alle Dinge auf Erden sichtbar/ wann sie die finstere Nacht vertrieben/ und ihre Vorläuferin/ die schöne Aurora, zwischen dem Gebirge/ mit ihren verguldten Haaren/ zu uns sendet. Hierdurch bekommen Luft/ Meer und Erde/ die Wolken/ Berge/ Felder/ Gebäude/ Menschen und Thiere/ alle Geschöpfe/ ihre natürliche Farbe/ die zuvor in der Finstere alle schwarz erschienen. Diß thut auch der Blitz/ bey finsterm Gewölke/ und bey Nacht der bleiche Mond/ ingleichen die Liecht-Kerze und das Feuer/ mit ihrem blaulichten/ bleichen und rohten Liecht. Und solches wird/ die reflexion oder der Widerschein/ dergleichen Arbeit aber Nacht-Stücke/ genennet.
Die Sonne gibt das Liecht/ den Planeten und der Erde/
auch allen Dingen ihre natürliche Farbe.
Diß thun auch Blitz/ Mond und Feuer. Es haben viel unserer Vorfahren/ auch meist die allerberühmteste Teutsche Kunst-Mahlere/ gefehlet/ indem sie/ all zu kleiner auch überall mit
Liecht und Sonnenschein erfüllter Mahl Stüblein/ zu ihrer Arbeit sich bedienet: wordurch ihnen/ der Platz und die nötige Distanz, um von ihrem Modell oder Tafel weit genug ab und zuruck zu treten/ auch ihre Arbeit von weitem zu besichtigen und darüber zu urtheilen/ so wol auch des gerechten hohen einfälligen Liechts Stärke zum rundiren/ folgbar die natürliche Kräften aller Farben/ verkürzt und benommen worden: Und wurden sie/ wann sie in einem anständigen Mahlzimmer gewesen wären/ ihren trefflichen Werken viel mehr Leben/ Kraft und Warheit gegeben haben.
Unachtsamkeit der Alten/ in erwehlung kleiner Mahl-Stüblein: wodurch sie ihnen selbst/ die Weitturft und das nötige Liecht/ entzogen. So ist dann vonnöten/ daß ein schickliches Zimmer/ absonderlich zum Bild-Mahlen in Lebens-Größe/ auch zum Historien-Mahlen/ und dergleichen/ erwehlet werde. Dasselbe mus nun wol hoch und groß seyn/ und in der Länge zum wenigsten 30 Schuh/ und in der Breite fast eben soviel haben/ auch das Liecht/ welches recht mitten und zu oberst des Zimmers anfangen mus/ 5 oder 6 Schuh in der Vierung haben/ wiewol die Rundung besser anstünde. Gleich unterhalb dieses Liechts/ soll noch eines jenem gleichförmig seyn/ welches bedeckt kan werden: damit/ wann Historien zu praesentiren sind/ so in frey-offenem Feld im Sonnenschein bey
Des Mahlzimmers rechte Breite und Länge/
auch groß und kleines Liecht:
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675, S. [I, Buch 3 (Malerei), S. 80]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/259>, abgerufen am 27.07.2024. |