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Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.

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[Spaltenumbruch] daß sie bloß und ohne Gürtel gemahlet werden/ wie sie Horatius beschrieben; dann gute Freunde sollen unter einander aufrichtige und einfältige Gemüther haben ohne Falsch und Betrug. Pausanias bekennet in Boeoticis, er wisse nicht/ wer am ersten die Gratien bloß gebildet habe/ die man doch vor Zeiten allenthalben mit Kleidern angethan gesehen; es seye ihm auch die Ursach unbekannt/ um welcher willen sie nachgehends von allen Mahlern und Bildhauern bloß vorgestellet worden. Eben derselbe schreibet/ es habe Eteocles/ ein Boeotier/ am ersten verordnet die Gratien zu verehren/ und deren drey eingeführet; jedoch sagt er dabey/ er wisse nicht/ wie er sie genennet Der Gratien Namen: Euphrosina/ Aglaia/ Thalia/ Pasithea. habe. Hesiodus aber hat sie also genennet; die eine Euphrosyna/ (Frölichkeit) die andre Aglaia/ (Hoheit und Lieblichkeit) die dritte Thalia/ (die blühende und lustige) die vierte hat Homerus Pasithea genennet/ welche Juno dem Somnus zum Weibe zu geben verheisset/ wann er machen würde/ daß Jupiter entschlieffe. Eben dieser Homerus nennet eine Gratia/ von welcher er saget/ sie seye des Vulcanus Weib/ und habe allezeit bey ihm gelebet. Solche beschreibet er/ wie sie so schöne Haar gehabt/ und der Thetis hinaus entgegen gangen seye/ da sie auf der Reis zu dem Vulcanus begriffen war/ ihn zu bitten/ daß er für ihren Sohn Achilles wollte Waffen verfertigen.

Wie sie von den Eleern gebildet worden. Die Eleer haben die Gratien also abgebildet: Eine trug in der Hand eine Rose/ die andere Würffel/ die dritte einen Myrtenzweig. Die Ursach ist/ weil die Rose und Myrten der Venus geheiliget sind/ darumb hat man sie ihnen gegeben/ als die gemeiniglich der Venus Gefertinnen sind. Der Würffel bedeutet der Jungfrauen Spiele/ dergleichen ehrlichen Matronen nicht geziemet. Bis hieher Pausanias. Andere sagen/ es werde durch die Rose derselben Lieblichkeit und Holdseligkeit angedeutet; durch den Würffel/ daß sie müssen stets miteinander zu thun haben; durch den Myrten-Zweig aber/ daß sie immerdar grünen sollen. Warum man ihren Tempel mitten auf der Gassen habe pflegen aufzubauen. Alexander Neapolitanus erzehlet/ als der es von dem Aristoteles in Ethicis entlehnet/ man habe vor Zeiten der Gratien ihren Tempel mitten auf der Gassen pflegen aufzubauen; damit nemlich die Leute angemahnet würden/ ihren Nebenmenschen mit willigen und freudigen Hertzen Gutes zu thun/ und die empfangene Wolthaten zu vergelten; denn sie hielten dafür/ dieses wäre der Gratien ihre Verrichtung: doch soll gleichwol dasselbe mit gutem Bedacht geschehen; denn wer einem Unwürdigen eine Wohlthat erweiset/ zumal einem solchen/ der es nicht vonnöthen hat/ derselbe ist so wol zu schelten/ als der jenige/ welcher einem hülffbedürfftigen Menschen seine Hülffe versaget/ fürnehmlich wann er es wehrt ist/ daß man ihm zu Hülffe komme. Solches wird uns auch durch das Bild der Gratien angedeutet/ bey welchem man zuweilen Mercurius ihren Führer siehet/[Spaltenumbruch] der ihnen Verstand und Klugheit zeiget/ damit sie dieselbe zu Führerin gebrauchen und wissen mögen/ wie/ wann/ und wem man solle Gutes thun/ auch jederzeit ihrem Vermögen nach sich befleissigen/ es dem gütigen GOTT nachzuthun/ der immerdar bereit ist uns guts zu thun. Dannenhero hat man/ nach Macrobius Meinung/ gedichtet/ wie Apollo mit der rechten Hand die Gratien trage/ mit der lincken aber einen Bogen und Pfeile/ dieweil GOTT zur Beförderung unserer Wolfarth weit fertiger ist/ als zu Vollziehung der verdienten Straffe.

Es gibt uns aber Seneca Lib. I. de Benef. und zwar nach dem Bildnus der Gratien/ eine schöne Lehre/ wie wir uns in Erweisung Warum drey Gratien seyen. der Wolthaten verhalten sollen; Es sind/ spricht er/ drey Gratiae/ dieweil/ wie etliche meinen/ eine seyn soll/ welche die Wolthat erweiset/ die andere/ die es empfängt/ die dritte/ die es vergilt. Nach anderer Meinung aber/ weil drey Arten der Wolthaten sind/ nemlich deren/ so sich wohl umb Einen verdienen; darnach deren/ so die Wolthat wieder vergelten/ und denn auch/ so sie empfangen und vergelten. Was bedeutet der Chor der Gratien/ so sich zusammen wenden/ und einander bey den Händen anfassen? Dieses bedeutet es/ daß die Ordnung der Gutthat/ so von einem zu dem andern kommt/ nichts destoweniger zu dem Geber wiederkehre; und wann sie nur im geringsten unterbrochen wird/ so verleuert sie die gantze Gestalt; hingegen aber ist sie gar herrlich und schön/ so sie aneinander hänget/ und eine Warum sie lächlen. Wolthat auf die andere folget. Sie lachen/ weil der Gutthäter Angesicht frölich sind/ wie zu seyn pflegen beedes derer die gutes thun/ Warum sie jung/ und als Jungfrauen gebildet werden. und die es empfangen. Sie sind noch jung/ weil man die empfangene Wolthat allezeit soll in frischer Gedächtnus behalten/ und den Danck nicht lassen veralten. Sie sind Jungfrauen/ weil die Wolthat rein und unverfälscht seyn/ und sich Niemand daran vergreiffen soll/ darbey auch keiner dem andern zu etwas Gewisses obligirt und verbunden seyn: Dahero tragen sie auch aufgelösete Röcke; durchsichtige aber/ weil die Wolthaten wollen gesehen werden.

Wir wollen aber diese Beschreibung der Gratien nunmehr beschliessen/ wann wir nur noch etwas Weniges/ und zwar unter andern ein schönes Epigramma werden hinzugesetzet haben/ welches zu Rom in dem Haus der Columnenser auf dem Bild der Gratien eingegraben stehet/ und also lautet:

Sunt nudae Charites niveo de marmore:
at illas

Diva Columna suis aedibus intus
habet.

Par tribus est facies, qualem decet
esse sororum:

Par tribus est aetas, par quoque
forma tribus.

[Spaltenumbruch] daß sie bloß und ohne Gürtel gemahlet werden/ wie sie Horatius beschrieben; dann gute Freunde sollen unter einander aufrichtige und einfältige Gemüther haben ohne Falsch und Betrug. Pausanias bekennet in Boeoticis, er wisse nicht/ wer am ersten die Gratien bloß gebildet habe/ die man doch vor Zeiten allenthalben mit Kleidern angethan gesehen; es seye ihm auch die Ursach unbekannt/ um welcher willen sie nachgehends von allen Mahlern und Bildhauern bloß vorgestellet worden. Eben derselbe schreibet/ es habe Eteocles/ ein Boeotier/ am ersten verordnet die Gratien zu verehren/ und deren drey eingeführet; jedoch sagt er dabey/ er wisse nicht/ wie er sie genennet Der Gratien Namen: Euphrosina/ Aglaia/ Thalia/ Pasithea. habe. Hesiodus aber hat sie also genennet; die eine Euphrosyna/ (Frölichkeit) die andre Aglaia/ (Hoheit und Lieblichkeit) die dritte Thalia/ (die blühende und lustige) die vierte hat Homerus Pasithea genennet/ welche Juno dem Somnus zum Weibe zu geben verheisset/ wann er machen würde/ daß Jupiter entschlieffe. Eben dieser Homerus nennet eine Gratia/ von welcher er saget/ sie seye des Vulcanus Weib/ und habe allezeit bey ihm gelebet. Solche beschreibet er/ wie sie so schöne Haar gehabt/ und der Thetis hinaus entgegen gangen seye/ da sie auf der Reis zu dem Vulcanus begriffen war/ ihn zu bitten/ daß er für ihren Sohn Achilles wollte Waffen verfertigen.

Wie sie von den Eleern gebildet worden. Die Eleer haben die Gratien also abgebildet: Eine trug in der Hand eine Rose/ die andere Würffel/ die dritte einen Myrtenzweig. Die Ursach ist/ weil die Rose und Myrten der Venus geheiliget sind/ darumb hat man sie ihnen gegeben/ als die gemeiniglich der Venus Gefertinnen sind. Der Würffel bedeutet der Jungfrauen Spiele/ dergleichen ehrlichen Matronen nicht geziemet. Bis hieher Pausanias. Andere sagen/ es werde durch die Rose derselben Lieblichkeit und Holdseligkeit angedeutet; durch den Würffel/ daß sie müssen stets miteinander zu thun haben; durch den Myrten-Zweig aber/ daß sie immerdar grünen sollen. Warum man ihren Tempel mitten auf der Gassen habe pflegen aufzubauen. Alexander Neapolitanus erzehlet/ als der es von dem Aristoteles in Ethicis entlehnet/ man habe vor Zeiten der Gratien ihren Tempel mitten auf der Gassen pflegen aufzubauen; damit nemlich die Leute angemahnet würden/ ihren Nebenmenschen mit willigen und freudigen Hertzen Gutes zu thun/ und die empfangene Wolthaten zu vergelten; denn sie hielten dafür/ dieses wäre der Gratien ihre Verrichtung: doch soll gleichwol dasselbe mit gutem Bedacht geschehen; denn wer einem Unwürdigen eine Wohlthat erweiset/ zumal einem solchen/ der es nicht vonnöthen hat/ derselbe ist so wol zu schelten/ als der jenige/ welcher einem hülffbedürfftigen Menschen seine Hülffe versaget/ fürnehmlich wann er es wehrt ist/ daß man ihm zu Hülffe komme. Solches wird uns auch durch das Bild der Gratien angedeutet/ bey welchem man zuweilen Mercurius ihren Führer siehet/[Spaltenumbruch] der ihnen Verstand und Klugheit zeiget/ damit sie dieselbe zu Führerin gebrauchen und wissen mögen/ wie/ wann/ und wem man solle Gutes thun/ auch jederzeit ihrem Vermögen nach sich befleissigen/ es dem gütigen GOTT nachzuthun/ der immerdar bereit ist uns guts zu thun. Dannenhero hat man/ nach Macrobius Meinung/ gedichtet/ wie Apollo mit der rechten Hand die Gratien trage/ mit der lincken aber einen Bogen und Pfeile/ dieweil GOTT zur Beförderung unserer Wolfarth weit fertiger ist/ als zu Vollziehung der verdienten Straffe.

Es gibt uns aber Seneca Lib. I. de Benef. und zwar nach dem Bildnus der Gratien/ eine schöne Lehre/ wie wir uns in Erweisung Warum drey Gratien seyen. der Wolthaten verhalten sollen; Es sind/ spricht er/ drey Gratiae/ dieweil/ wie etliche meinen/ eine seyn soll/ welche die Wolthat erweiset/ die andere/ die es empfängt/ die dritte/ die es vergilt. Nach anderer Meinung aber/ weil drey Arten der Wolthaten sind/ nemlich deren/ so sich wohl umb Einen verdienen; darnach deren/ so die Wolthat wieder vergelten/ und denn auch/ so sie empfangen und vergelten. Was bedeutet der Chor der Gratien/ so sich zusammen wenden/ und einander bey den Händen anfassen? Dieses bedeutet es/ daß die Ordnung der Gutthat/ so von einem zu dem andern kommt/ nichts destoweniger zu dem Geber wiederkehre; und wann sie nur im geringsten unterbrochen wird/ so verleuert sie die gantze Gestalt; hingegen aber ist sie gar herrlich und schön/ so sie aneinander hänget/ und eine Warum sie lächlen. Wolthat auf die andere folget. Sie lachen/ weil der Gutthäter Angesicht frölich sind/ wie zu seyn pflegen beedes derer die gutes thun/ Warum sie jung/ und als Jungfrauen gebildet werden. und die es empfangen. Sie sind noch jung/ weil man die empfangene Wolthat allezeit soll in frischer Gedächtnus behalten/ und den Danck nicht lassen veralten. Sie sind Jungfrauen/ weil die Wolthat rein und unverfälscht seyn/ und sich Niemand daran vergreiffen soll/ darbey auch keiner dem andern zu etwas Gewisses obligirt und verbunden seyn: Dahero tragen sie auch aufgelösete Röcke; durchsichtige aber/ weil die Wolthaten wollen gesehen werden.

Wir wollen aber diese Beschreibung der Gratien nunmehr beschliessen/ wann wir nur noch etwas Weniges/ und zwar unter andern ein schönes Epigramma werden hinzugesetzet haben/ welches zu Rom in dem Haus der Columnenser auf dem Bild der Gratien eingegraben stehet/ und also lautet:

Sunt nudae Charites niveo de marmore:
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Hesiodus aber hat sie also genennet; die eine Euphrosyna/ (Frölichkeit) die andre Aglaia/ (Hoheit und Lieblichkeit) die dritte Thalia/ (die blühende und lustige) die vierte hat Homerus Pasithea genennet/ welche Juno dem Somnus zum Weibe zu geben verheisset/ wann er machen würde/ daß Jupiter entschlieffe. Eben dieser Homerus nennet eine Gratia/ von welcher er saget/ sie seye des Vulcanus Weib/ und habe allezeit bey ihm gelebet. Solche beschreibet er/ wie sie so schöne Haar gehabt/ und der Thetis hinaus entgegen gangen seye/ da sie auf der Reis zu dem Vulcanus begriffen war/ ihn zu bitten/ daß er für ihren Sohn Achilles wollte Waffen verfertigen. Der Gratien Namen: Euphrosina/ Aglaia/ Thalia/ Pasithea. Die Eleer haben die Gratien also abgebildet: Eine trug in der Hand eine Rose/ die andere Würffel/ die dritte einen Myrtenzweig. Die Ursach ist/ weil die Rose und Myrten der Venus geheiliget sind/ darumb hat man sie ihnen gegeben/ als die gemeiniglich der Venus Gefertinnen sind. Der Würffel bedeutet der Jungfrauen Spiele/ dergleichen ehrlichen Matronen nicht geziemet. Bis hieher Pausanias. Andere sagen/ es werde durch die Rose derselben Lieblichkeit und Holdseligkeit angedeutet; durch den Würffel/ daß sie müssen stets miteinander zu thun haben; durch den Myrten-Zweig aber/ daß sie immerdar grünen sollen. Alexander Neapolitanus erzehlet/ als der es von dem Aristoteles in Ethicis entlehnet/ man habe vor Zeiten der Gratien ihren Tempel mitten auf der Gassen pflegen aufzubauen; damit nemlich die Leute angemahnet würden/ ihren Nebenmenschen mit willigen und freudigen Hertzen Gutes zu thun/ und die empfangene Wolthaten zu vergelten; denn sie hielten dafür/ dieses wäre der Gratien ihre Verrichtung: doch soll gleichwol dasselbe mit gutem Bedacht geschehen; denn wer einem Unwürdigen eine Wohlthat erweiset/ zumal einem solchen/ der es nicht vonnöthen hat/ derselbe ist so wol zu schelten/ als der jenige/ welcher einem hülffbedürfftigen Menschen seine Hülffe versaget/ fürnehmlich wann er es wehrt ist/ daß man ihm zu Hülffe komme. Solches wird uns auch durch das Bild der Gratien angedeutet/ bey welchem man zuweilen Mercurius ihren Führer siehet/ der ihnen Verstand und Klugheit zeiget/ damit sie dieselbe zu Führerin gebrauchen und wissen mögen/ wie/ wann/ und wem man solle Gutes thun/ auch jederzeit ihrem Vermögen nach sich befleissigen/ es dem gütigen GOTT nachzuthun/ der immerdar bereit ist uns guts zu thun. Dannenhero hat man/ nach Macrobius Meinung/ gedichtet/ wie Apollo mit der rechten Hand die Gratien trage/ mit der lincken aber einen Bogen und Pfeile/ dieweil GOTT zur Beförderung unserer Wolfarth weit fertiger ist/ als zu Vollziehung der verdienten Straffe. Wie sie von den Eleern gebildet worden. Warum man ihren Tempel mitten auf der Gassen habe pflegen aufzubauen.Es gibt uns aber Seneca Lib. I. de Benef. und zwar nach dem Bildnus der Gratien/ eine schöne Lehre/ wie wir uns in Erweisung der Wolthaten verhalten sollen; Es sind/ spricht er/ drey Gratiae/ dieweil/ wie etliche meinen/ eine seyn soll/ welche die Wolthat erweiset/ die andere/ die es empfängt/ die dritte/ die es vergilt. Nach anderer Meinung aber/ weil drey Arten der Wolthaten sind/ nemlich deren/ so sich wohl umb Einen verdienen; darnach deren/ so die Wolthat wieder vergelten/ und denn auch/ so sie empfangen und vergelten. Was bedeutet der Chor der Gratien/ so sich zusammen wenden/ und einander bey den Händen anfassen? Dieses bedeutet es/ daß die Ordnung der Gutthat/ so von einem zu dem andern kommt/ nichts destoweniger zu dem Geber wiederkehre; und wann sie nur im geringsten unterbrochen wird/ so verleuert sie die gantze Gestalt; hingegen aber ist sie gar herrlich und schön/ so sie aneinander hänget/ und eine Wolthat auf die andere folget. Sie lachen/ weil der Gutthäter Angesicht frölich sind/ wie zu seyn pflegen beedes derer die gutes thun/ und die es empfangen. Sie sind noch jung/ weil man die empfangene Wolthat allezeit soll in frischer Gedächtnus behalten/ und den Danck nicht lassen veralten. Sie sind Jungfrauen/ weil die Wolthat rein und unverfälscht seyn/ und sich Niemand daran vergreiffen soll/ darbey auch keiner dem andern zu etwas Gewisses obligirt und verbunden seyn: Dahero tragen sie auch aufgelösete Röcke; durchsichtige aber/ weil die Wolthaten wollen gesehen werden. Warum drey Gratien seyen. Warum sie lächlen. Warum sie jung/ und als Jungfrauen gebildet werden.Wir wollen aber diese Beschreibung der Gratien nunmehr beschliessen/ wann wir nur noch etwas Weniges/ und zwar unter andern ein schönes Epigramma werden hinzugesetzet haben/ welches zu Rom in dem Haus der Columnenser auf dem Bild der Gratien eingegraben stehet/ und also lautet: Sunt nudae Charites niveo de marmore: at illas Diva Columna suis aedibus intus habet. Par tribus est facies, qualem decet esse sororum: Par tribus est aetas, par quoque forma tribus.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/291>, abgerufen am 30.04.2024.