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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Acht und Zwantzigste Geistliche Lection
Gedancken deß Verstands/ durch welche sie in Erkändtnuß kombt/ daß
GOtt das höchste Gut seye. Diese gute Meynung aber ist dreyfach. Die
erste
ist die jenige/ mit welcher der Mensch das gute wircket auß Forcht
der Straff. Die andere ist die jenige/ mit welcher man guts thuet in
Anschung der ewigen Belohnung. Die dritte Meynung ist/ Krafft
dern der Mensch GOtt dienet/ wegen dessen unendlichen Gütigkeit/ und nur
einfältiglich die Ehr GOttes suchet. Von diesen spricht nun der H. Do-
ro heus
also: Drey unterschiedliche Ständ seynd/ nach dem Sinn deß H.
Basilii; in denen wir GOtt dienen/ und demselben angenehm seyn können.
Wann wir die Straff förchten/ so seynd wir im Stand der Knechten: hal-
ten wir die Gebott GOttes umb unseres Nutzen willen; damit wir nemb-
lich den versprochenen Lohn darvon tragen mögen; so leben wir im Stand
der Tag-Löhner: wann wir aber deß Guten uns befleissen wegen deß Gu-
ten; so haben wir unsere Stell in der Zahl der Kindern GOttes. Es
wird aber ein jede vondiesen Meynungen getheilet/ in eine würckliche/ so
da selbst das Werck zum End bringet; und in eine Kraffthabende/ welche
in Krafft der vorhergehenden Wirckung das Werck zum End verordnet.

2. Diese Meynung ist zur Versamblung der Tugend so nothwendig/
daß ohne selbige auch kein eintzige kan erworben werden: dann gleich wie ein
Gebäu/ sagt der H. Gregorius auff den Seulen/ die Seulen aber auff dem
In Moral.Grundvest bestehen; also muß sich unser Leben auff die Tugenden/ die Tu-
genden aber müssen sich auff die innereste Meynung lähnen. Dahero sagt
Matth. 6.
v.
22.
Christus: Das Liecht deines Leibs ist dein Aug: Wann
dein Aug einfältig ist
(das ist deine gute und auffrichtige Meynung)
so wird dein gantzer Leib Licht seyn; das ist/ deine Werck wer-
den Tugendsamb und Gott-gefällig seyn. Wann aber dein Aug
schalckhafftig ist
(nemblich durch eine verkehrte Meynung) so wird
dein gantzer Leib finster seyn:
das ist/ ob schon deine Werck
rechtfertig scheinen/ so werden sie doch sündhafft seyn. Hierauß ist ent-
standen das gemeine Sprich-Wort:

Quidquid agent homines,
Intentio judicat omnes,

Jn allem was die Leuth verrichten/
Thut deren Meynung selbe richten.

Mangelt dir die Meynung; so seynd deine Werck/ nach Zeugnuß deß Geist-
reichen Richardi/ todt/ was der Leib ist ohne Leben/ das ist das Werck

ohne

Die Acht und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Gedancken deß Verſtands/ durch welche ſie in Erkaͤndtnuß kombt/ daß
GOtt das hoͤchſte Gut ſeye. Dieſe gute Meynung aber iſt dreyfach. Die
erſte
iſt die jenige/ mit welcher der Menſch das gute wircket auß Forcht
der Straff. Die andere iſt die jenige/ mit welcher man guts thuet in
Anſchung der ewigen Belohnung. Die dritte Meynung iſt/ Krafft
dern der Menſch GOtt dienet/ wegen deſſen unendlichen Guͤtigkeit/ und nur
einfaͤltiglich die Ehr GOttes ſuchet. Von dieſen ſpricht nun der H. Do-
ro heus
alſo: Drey unterſchiedliche Staͤnd ſeynd/ nach dem Sinn deß H.
Baſilii; in denen wir GOtt dienen/ und demſelben angenehm ſeyn koͤnnen.
Wann wir die Straff foͤrchten/ ſo ſeynd wir im Stand der Knechten: hal-
ten wir die Gebott GOttes umb unſeres Nutzen willen; damit wir nemb-
lich den verſprochenen Lohn darvon tragen moͤgen; ſo leben wir im Stand
der Tag-Loͤhner: wann wir aber deß Guten uns befleiſſen wegen deß Gu-
ten; ſo haben wir unſere Stell in der Zahl der Kindern GOttes. Es
wird aber ein jede vondieſen Meynungen getheilet/ in eine wuͤrckliche/ ſo
da ſelbſt das Werck zum End bringet; und in eine Kraffthabende/ welche
in Krafft der vorhergehenden Wirckung das Werck zum End verordnet.

2. Dieſe Meynung iſt zur Verſamblung der Tugend ſo nothwendig/
daß ohne ſelbige auch kein eintzige kan erworben werden: dann gleich wie ein
Gebaͤu/ ſagt der H. Gregorius auff den Seulen/ die Seulen aber auff dem
In Moral.Grundveſt beſtehen; alſo muß ſich unſer Leben auff die Tugenden/ die Tu-
genden aber muͤſſen ſich auff die innereſte Meynung laͤhnen. Dahero ſagt
Matth. 6.
v.
22.
Chriſtus: Das Liecht deines Leibs iſt dein Aug: Wann
dein Aug einfaͤltig iſt
(das iſt deine gute und auffrichtige Meynung)
ſo wird dein gantzer Leib Licht ſeyn; das iſt/ deine Werck wer-
den Tugendſamb und Gott-gefaͤllig ſeyn. Wann aber dein Aug
ſchalckhafftig iſt
(nemblich durch eine verkehrte Meynung) ſo wird
dein gantzer Leib finſter ſeyn:
das iſt/ ob ſchon deine Werck
rechtfertig ſcheinen/ ſo werden ſie doch ſuͤndhafft ſeyn. Hierauß iſt ent-
ſtanden das gemeine Sprich-Wort:

Quidquid agent homines,
Intentio judicat omnes,

Jn allem was die Leuth verrichten/
Thut deren Meynung ſelbe richten.

Mangelt dir die Meynung; ſo ſeynd deine Werck/ nach Zeugnuß deß Geiſt-
reichen Richardi/ todt/ was der Leib iſt ohne Leben/ das iſt das Werck

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[352/0380] Die Acht und Zwantzigſte Geiſtliche Lection Gedancken deß Verſtands/ durch welche ſie in Erkaͤndtnuß kombt/ daß GOtt das hoͤchſte Gut ſeye. Dieſe gute Meynung aber iſt dreyfach. Die erſte iſt die jenige/ mit welcher der Menſch das gute wircket auß Forcht der Straff. Die andere iſt die jenige/ mit welcher man guts thuet in Anſchung der ewigen Belohnung. Die dritte Meynung iſt/ Krafft dern der Menſch GOtt dienet/ wegen deſſen unendlichen Guͤtigkeit/ und nur einfaͤltiglich die Ehr GOttes ſuchet. Von dieſen ſpricht nun der H. Do- ro heus alſo: Drey unterſchiedliche Staͤnd ſeynd/ nach dem Sinn deß H. Baſilii; in denen wir GOtt dienen/ und demſelben angenehm ſeyn koͤnnen. Wann wir die Straff foͤrchten/ ſo ſeynd wir im Stand der Knechten: hal- ten wir die Gebott GOttes umb unſeres Nutzen willen; damit wir nemb- lich den verſprochenen Lohn darvon tragen moͤgen; ſo leben wir im Stand der Tag-Loͤhner: wann wir aber deß Guten uns befleiſſen wegen deß Gu- ten; ſo haben wir unſere Stell in der Zahl der Kindern GOttes. Es wird aber ein jede vondieſen Meynungen getheilet/ in eine wuͤrckliche/ ſo da ſelbſt das Werck zum End bringet; und in eine Kraffthabende/ welche in Krafft der vorhergehenden Wirckung das Werck zum End verordnet. 2. Dieſe Meynung iſt zur Verſamblung der Tugend ſo nothwendig/ daß ohne ſelbige auch kein eintzige kan erworben werden: dann gleich wie ein Gebaͤu/ ſagt der H. Gregorius auff den Seulen/ die Seulen aber auff dem Grundveſt beſtehen; alſo muß ſich unſer Leben auff die Tugenden/ die Tu- genden aber muͤſſen ſich auff die innereſte Meynung laͤhnen. Dahero ſagt Chriſtus: Das Liecht deines Leibs iſt dein Aug: Wann dein Aug einfaͤltig iſt (das iſt deine gute und auffrichtige Meynung) ſo wird dein gantzer Leib Licht ſeyn; das iſt/ deine Werck wer- den Tugendſamb und Gott-gefaͤllig ſeyn. Wann aber dein Aug ſchalckhafftig iſt (nemblich durch eine verkehrte Meynung) ſo wird dein gantzer Leib finſter ſeyn: das iſt/ ob ſchon deine Werck rechtfertig ſcheinen/ ſo werden ſie doch ſuͤndhafft ſeyn. Hierauß iſt ent- ſtanden das gemeine Sprich-Wort: In Moral. Matth. 6. v. 22. Quidquid agent homines, Intentio judicat omnes, Jn allem was die Leuth verrichten/ Thut deren Meynung ſelbe richten. Mangelt dir die Meynung; ſo ſeynd deine Werck/ nach Zeugnuß deß Geiſt- reichen Richardi/ todt/ was der Leib iſt ohne Leben/ das iſt das Werck ohne

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/380>, abgerufen am 27.04.2024.