Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit.
Streit zerwirft, und den giftigen Stachel em-
pfindet; sintemal der Vorsatz und die Begierde
der Keuschheit immerfort waltet, die Oberhand
hat und fest hält, ob schon der äuserliche Mensch
im Hertzen und in den Gliedern grosse Unruhe hat,
auch der Teufel heftig ins Fleisch bläset und greu-
lich rumoret. Ja jemehr einen so kämpfenden
Sünder das Uebel angreifft und in ihm wütet, je
grösser wird in ihm der Haß gegen sich selbst, und
die Lust zur Tugend und Gebet. Gleichwie Sanfft-
muth und Gedult nichts ist ohne eine öftere auch
wol strenge Reitzung zum Zorn: also ist Keusch-
heit nichts ohne widerwärtige Anfechtung zu der
wüsten Geilheit. Anfänger und Unerfahrne mei-
nen zuweilen, ein keuscher Mensch habe keine sol-
che böse Gedancken und Einfälle mehr auszuste-
hen: sie werden also aus heimlicher Desperation
um so viel desto eher dem unreinen Teufel zu wil-
len, und schreiten zum Werck, in dem falschen
Wahn, die Keuschheit sey doch allbereit im Her-
tzen verloren. Nein! nicht also, du armer Mensch,
nicht also! ja vielleicht bist du nie keuscher gewe-
sen, als dißmahl: ist es dir anders mit allem ersinn-
lich gantzen Hertzen leid, daß du so unordentliche
und greßliche Gedancken hast. Ach leider! weil
diese Weißheit den Menschen so unbekant ist: so ist
eben so unglaublich viel Schadens daraus entstan-
den. Armer Patient, besinne dich doch! Sie-
he, Holtz und Steine haben keine Regung zur Un-
keuschheit: sind sie deßwegen für keusch zu achten?
ja die ärgsten Huren und Buben sind auch gar
ofte ruhig von bösen Gedancken, haben wol biß-
weilen einen Eckel darob, sonderlich wann sie erst
ihre Lust gebüsset haben, und sich in ihrer unfläti-
gen Hurenbrunst an ihrem eigenen oder andern

Fleisch
Y y 5

C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit.
Streit zerwirft, und den giftigen Stachel em-
pfindet; ſintemal der Vorſatz und die Begierde
der Keuſchheit immerfort waltet, die Oberhand
hat und feſt haͤlt, ob ſchon der aͤuſerliche Menſch
im Hertzen und in den Gliedern groſſe Unruhe hat,
auch der Teufel heftig ins Fleiſch blaͤſet und greu-
lich rumoret. Ja jemehr einen ſo kaͤmpfenden
Suͤnder das Uebel angreifft und in ihm wuͤtet, je
groͤſſer wird in ihm der Haß gegen ſich ſelbſt, und
die Luſt zur Tugend und Gebet. Gleichwie Sanfft-
muth und Gedult nichts iſt ohne eine oͤftere auch
wol ſtrenge Reitzung zum Zorn: alſo iſt Keuſch-
heit nichts ohne widerwaͤrtige Anfechtung zu der
wuͤſten Geilheit. Anfaͤnger und Unerfahrne mei-
nen zuweilen, ein keuſcher Menſch habe keine ſol-
che boͤſe Gedancken und Einfaͤlle mehr auszuſte-
hen: ſie werden alſo aus heimlicher Deſperation
um ſo viel deſto eher dem unreinen Teufel zu wil-
len, und ſchreiten zum Werck, in dem falſchen
Wahn, die Keuſchheit ſey doch allbereit im Her-
tzen verloren. Nein! nicht alſo, du armer Menſch,
nicht alſo! ja vielleicht biſt du nie keuſcher gewe-
ſen, als dißmahl: iſt es dir anders mit allem erſinn-
lich gantzen Hertzen leid, daß du ſo unordentliche
und greßliche Gedancken haſt. Ach leider! weil
dieſe Weißheit den Menſchen ſo unbekant iſt: ſo iſt
eben ſo unglaublich viel Schadens daraus entſtan-
den. Armer Patient, beſinne dich doch! Sie-
he, Holtz und Steine haben keine Regung zur Un-
keuſchheit: ſind ſie deßwegen fuͤr keuſch zu achten?
ja die aͤrgſten Huren und Buben ſind auch gar
ofte ruhig von boͤſen Gedancken, haben wol biß-
weilen einen Eckel darob, ſonderlich wann ſie erſt
ihre Luſt gebuͤſſet haben, und ſich in ihrer unflaͤti-
gen Hurenbrunſt an ihrem eigenen oder andern

Fleiſch
Y y 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0733" n="713"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit.</hi></fw><lb/>
Streit zerwirft, und den giftigen Stachel em-<lb/>
pfindet; &#x017F;intemal der Vor&#x017F;atz und die Begierde<lb/>
der Keu&#x017F;chheit immerfort waltet, die Oberhand<lb/>
hat und fe&#x017F;t ha&#x0364;lt, ob &#x017F;chon der a&#x0364;u&#x017F;erliche Men&#x017F;ch<lb/>
im Hertzen und in den Gliedern gro&#x017F;&#x017F;e Unruhe hat,<lb/>
auch der Teufel heftig ins Flei&#x017F;ch bla&#x0364;&#x017F;et und greu-<lb/>
lich rumoret. Ja jemehr einen &#x017F;o ka&#x0364;mpfenden<lb/>
Su&#x0364;nder das Uebel angreifft und in ihm wu&#x0364;tet, je<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er wird in ihm der Haß gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, und<lb/>
die Lu&#x017F;t zur Tugend und Gebet. Gleichwie Sanfft-<lb/>
muth und Gedult nichts i&#x017F;t ohne eine o&#x0364;ftere auch<lb/>
wol &#x017F;trenge Reitzung zum Zorn: al&#x017F;o i&#x017F;t Keu&#x017F;ch-<lb/>
heit nichts ohne widerwa&#x0364;rtige Anfechtung zu der<lb/>
wu&#x0364;&#x017F;ten Geilheit. Anfa&#x0364;nger und Unerfahrne mei-<lb/>
nen zuweilen, ein keu&#x017F;cher Men&#x017F;ch habe keine &#x017F;ol-<lb/>
che bo&#x0364;&#x017F;e Gedancken und Einfa&#x0364;lle mehr auszu&#x017F;te-<lb/>
hen: &#x017F;ie werden al&#x017F;o aus heimlicher De&#x017F;peration<lb/>
um &#x017F;o viel de&#x017F;to eher dem unreinen Teufel zu wil-<lb/>
len, und &#x017F;chreiten zum Werck, in dem fal&#x017F;chen<lb/>
Wahn, die Keu&#x017F;chheit &#x017F;ey doch allbereit im Her-<lb/>
tzen verloren. Nein! nicht al&#x017F;o, du armer Men&#x017F;ch,<lb/>
nicht al&#x017F;o! ja vielleicht bi&#x017F;t du nie keu&#x017F;cher gewe-<lb/>
&#x017F;en, als dißmahl: i&#x017F;t es dir anders mit allem er&#x017F;inn-<lb/>
lich gantzen Hertzen leid, daß du &#x017F;o unordentliche<lb/>
und greßliche Gedancken ha&#x017F;t. Ach leider! weil<lb/>
die&#x017F;e Weißheit den Men&#x017F;chen &#x017F;o unbekant i&#x017F;t: &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
eben &#x017F;o unglaublich viel Schadens daraus ent&#x017F;tan-<lb/>
den. Armer Patient, be&#x017F;inne dich doch! Sie-<lb/>
he, Holtz und Steine haben keine Regung zur Un-<lb/>
keu&#x017F;chheit: &#x017F;ind &#x017F;ie deßwegen fu&#x0364;r keu&#x017F;ch zu achten?<lb/>
ja die a&#x0364;rg&#x017F;ten Huren und Buben &#x017F;ind auch gar<lb/>
ofte ruhig von bo&#x0364;&#x017F;en Gedancken, haben wol biß-<lb/>
weilen einen Eckel darob, &#x017F;onderlich wann &#x017F;ie er&#x017F;t<lb/>
ihre Lu&#x017F;t gebu&#x0364;&#x017F;&#x017F;et haben, und &#x017F;ich in ihrer unfla&#x0364;ti-<lb/>
gen Hurenbrun&#x017F;t an ihrem eigenen oder andern<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y y 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Flei&#x017F;ch</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[713/0733] C. 3. Mittel wieder die Unreinigkeit. Streit zerwirft, und den giftigen Stachel em- pfindet; ſintemal der Vorſatz und die Begierde der Keuſchheit immerfort waltet, die Oberhand hat und feſt haͤlt, ob ſchon der aͤuſerliche Menſch im Hertzen und in den Gliedern groſſe Unruhe hat, auch der Teufel heftig ins Fleiſch blaͤſet und greu- lich rumoret. Ja jemehr einen ſo kaͤmpfenden Suͤnder das Uebel angreifft und in ihm wuͤtet, je groͤſſer wird in ihm der Haß gegen ſich ſelbſt, und die Luſt zur Tugend und Gebet. Gleichwie Sanfft- muth und Gedult nichts iſt ohne eine oͤftere auch wol ſtrenge Reitzung zum Zorn: alſo iſt Keuſch- heit nichts ohne widerwaͤrtige Anfechtung zu der wuͤſten Geilheit. Anfaͤnger und Unerfahrne mei- nen zuweilen, ein keuſcher Menſch habe keine ſol- che boͤſe Gedancken und Einfaͤlle mehr auszuſte- hen: ſie werden alſo aus heimlicher Deſperation um ſo viel deſto eher dem unreinen Teufel zu wil- len, und ſchreiten zum Werck, in dem falſchen Wahn, die Keuſchheit ſey doch allbereit im Her- tzen verloren. Nein! nicht alſo, du armer Menſch, nicht alſo! ja vielleicht biſt du nie keuſcher gewe- ſen, als dißmahl: iſt es dir anders mit allem erſinn- lich gantzen Hertzen leid, daß du ſo unordentliche und greßliche Gedancken haſt. Ach leider! weil dieſe Weißheit den Menſchen ſo unbekant iſt: ſo iſt eben ſo unglaublich viel Schadens daraus entſtan- den. Armer Patient, beſinne dich doch! Sie- he, Holtz und Steine haben keine Regung zur Un- keuſchheit: ſind ſie deßwegen fuͤr keuſch zu achten? ja die aͤrgſten Huren und Buben ſind auch gar ofte ruhig von boͤſen Gedancken, haben wol biß- weilen einen Eckel darob, ſonderlich wann ſie erſt ihre Luſt gebuͤſſet haben, und ſich in ihrer unflaͤti- gen Hurenbrunſt an ihrem eigenen oder andern Fleiſch Y y 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/733
Zitationshilfe: Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 713. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/733>, abgerufen am 14.05.2024.