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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740.

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Anhang zum dritten Theil,
tes sein in Sünden todtes Hertz. Es gibt unter uns
mancherley Gattungen Menschen, wornach sich ein je-
der zu prüfen hat, in welche Classe er gehöre.

1) Gibt es überbestialische Unthiere, ärger als das
Vieh. Das Vieh isset und trincket nicht mehr, als
ihm natürlich nutz und gut ist; so gibts auch unter den
Thieren sehr viele Arten, die sich paar- und paarweise
zusammen halten, vermischen sich auch gemeiniglich
nicht eher und nicht mehr als zur Fortpflantzung die die
Natur erfordert, und ist dieser Zweck erreichet, so leben
sie in einer rechten Enthaltung. Die Ursach aber, war-
um eiu Mensch in Geilheit (und so ein jeder in seiner
Busensünde als Geitz, Neid, Hochmuth etc.) unersättli-
cher ist als das Vieh, ist diese: weil das Vieh keinen
so hohen Geist in sich hat, der zu einer gantz unver-
gänglichen Lust und zum Genuß GOttes selbst (als
welcher allein des Geistes unendliches Verlangen füllen
und vergnügen kann) geschaffen ist. So lange nun der
Mensch mit seiner Liebe von GOtt abweicht, so bleibt
er ein Sclave seiner tyrannischen Lüste; forciret die
Kräffte der Natur; überschreitet dero Gräntzen; und ist
tausendmal unsinniger, mißvergnügter und unglückseli-
ger als das unvernünftige Vieh.
2) Thierische Menschen, so nach ihrem sinnlichen Appe-
tit leben, und es nicht so gar arg machen als jene; ha-
ben dann und wann einige Rührungen von der züchti-
genden Gnade, (so bey den ersten weder Raum noch
Gehör findet): indessen hören sie ungerne, wo man auf
die Creutzigung sinnlicher Lüste dringet.
3) Vernünfftige, weltweise Leute, die ihre Paßionen bes-
ser zähmen und verbergen können, auch in allem ihrem
Thun gar manierlich sind, denn sie hüten sich sehr vor
allem, was in der Welt vor unanständig gehalten wird:
sind aber gar nicht zum Himmelreich geschickt. 1 Cor. 1,
26. Mithin ist auch diesen das Evangelium noch nicht
eine Kraft GOttes zur Seligkeit. Röm. 1, 16. (womit
ich die lebendigmachende Würckung des heiligen Geistes
keinesweges einschräncken will, Matth. 3, 9. Röm, 4, 17.
sondern nur die Hindernisse in uns anzeigen, und wo-
her es doch komme, daß uns GOttes Wort nicht mehr
zu Hertzen gehet, wie JEsus auch thut. Luc. 8, 11--14.
c. 14, 18--20. Joh. 5, 44. c. 12, 43. Keuschheit ist
wahrlich eine Frucht des heiligen Geistes, den die Welt
nicht kann empfahen. Joh. 14, 17. Wer nun den Baum
nicht in seinem Hertzensgarten haben kann, wie will er
zur Frucht kommen?) Diese gescheite und kluge Mo-
denleute sind heimlich die faulste Spötter des Evangelii,
daher

Anhang zum dritten Theil,
tes ſein in Suͤnden todtes Hertz. Es gibt unter uns
mancherley Gattungen Menſchen, wornach ſich ein je-
der zu pruͤfen hat, in welche Claſſe er gehoͤre.

1) Gibt es uͤberbeſtialiſche Unthiere, aͤrger als das
Vieh. Das Vieh iſſet und trincket nicht mehr, als
ihm natuͤrlich nutz und gut iſt; ſo gibts auch unter den
Thieren ſehr viele Arten, die ſich paar- und paarweiſe
zuſammen halten, vermiſchen ſich auch gemeiniglich
nicht eher und nicht mehr als zur Fortpflantzung die die
Natur erfordert, und iſt dieſer Zweck erreichet, ſo leben
ſie in einer rechten Enthaltung. Die Urſach aber, war-
um eiu Menſch in Geilheit (und ſo ein jeder in ſeiner
Buſenſuͤnde als Geitz, Neid, Hochmuth ꝛc.) unerſaͤttli-
cher iſt als das Vieh, iſt dieſe: weil das Vieh keinen
ſo hohen Geiſt in ſich hat, der zu einer gantz unver-
gaͤnglichen Luſt und zum Genuß GOttes ſelbſt (als
welcher allein des Geiſtes unendliches Verlangen fuͤllen
und vergnuͤgen kann) geſchaffen iſt. So lange nun der
Menſch mit ſeiner Liebe von GOtt abweicht, ſo bleibt
er ein Sclave ſeiner tyranniſchen Luͤſte; forciret die
Kraͤffte der Natur; uͤberſchreitet dero Graͤntzen; und iſt
tauſendmal unſinniger, mißvergnuͤgter und ungluͤckſeli-
ger als das unvernuͤnftige Vieh.
2) Thieriſche Menſchen, ſo nach ihrem ſinnlichen Appe-
tit leben, und es nicht ſo gar arg machen als jene; ha-
ben dann und wann einige Ruͤhrungen von der zuͤchti-
genden Gnade, (ſo bey den erſten weder Raum noch
Gehoͤr findet): indeſſen hoͤren ſie ungerne, wo man auf
die Creutzigung ſinnlicher Luͤſte dringet.
3) Vernuͤnfftige, weltweiſe Leute, die ihre Paßionen beſ-
ſer zaͤhmen und verbergen koͤnnen, auch in allem ihrem
Thun gar manierlich ſind, denn ſie huͤten ſich ſehr vor
allem, was in der Welt vor unanſtaͤndig gehalten wird:
ſind aber gar nicht zum Himmelreich geſchickt. 1 Cor. 1,
26. Mithin iſt auch dieſen das Evangelium noch nicht
eine Kraft GOttes zur Seligkeit. Roͤm. 1, 16. (womit
ich die lebendigmachende Wuͤrckung des heiligen Geiſtes
keinesweges einſchraͤncken will, Matth. 3, 9. Roͤm, 4, 17.
ſondern nur die Hinderniſſe in uns anzeigen, und wo-
her es doch komme, daß uns GOttes Wort nicht mehr
zu Hertzen gehet, wie JEſus auch thut. Luc. 8, 11--14.
c. 14, 18--20. Joh. 5, 44. c. 12, 43. Keuſchheit iſt
wahrlich eine Frucht des heiligen Geiſtes, den die Welt
nicht kann empfahen. Joh. 14, 17. Wer nun den Baum
nicht in ſeinem Hertzensgarten haben kann, wie will er
zur Frucht kommen?) Dieſe geſcheite und kluge Mo-
denleute ſind heimlich die faulſte Spoͤtter des Evangelii,
daher
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[744/0764] Anhang zum dritten Theil, tes ſein in Suͤnden todtes Hertz. Es gibt unter uns mancherley Gattungen Menſchen, wornach ſich ein je- der zu pruͤfen hat, in welche Claſſe er gehoͤre. 1) Gibt es uͤberbeſtialiſche Unthiere, aͤrger als das Vieh. Das Vieh iſſet und trincket nicht mehr, als ihm natuͤrlich nutz und gut iſt; ſo gibts auch unter den Thieren ſehr viele Arten, die ſich paar- und paarweiſe zuſammen halten, vermiſchen ſich auch gemeiniglich nicht eher und nicht mehr als zur Fortpflantzung die die Natur erfordert, und iſt dieſer Zweck erreichet, ſo leben ſie in einer rechten Enthaltung. Die Urſach aber, war- um eiu Menſch in Geilheit (und ſo ein jeder in ſeiner Buſenſuͤnde als Geitz, Neid, Hochmuth ꝛc.) unerſaͤttli- cher iſt als das Vieh, iſt dieſe: weil das Vieh keinen ſo hohen Geiſt in ſich hat, der zu einer gantz unver- gaͤnglichen Luſt und zum Genuß GOttes ſelbſt (als welcher allein des Geiſtes unendliches Verlangen fuͤllen und vergnuͤgen kann) geſchaffen iſt. So lange nun der Menſch mit ſeiner Liebe von GOtt abweicht, ſo bleibt er ein Sclave ſeiner tyranniſchen Luͤſte; forciret die Kraͤffte der Natur; uͤberſchreitet dero Graͤntzen; und iſt tauſendmal unſinniger, mißvergnuͤgter und ungluͤckſeli- ger als das unvernuͤnftige Vieh. 2) Thieriſche Menſchen, ſo nach ihrem ſinnlichen Appe- tit leben, und es nicht ſo gar arg machen als jene; ha- ben dann und wann einige Ruͤhrungen von der zuͤchti- genden Gnade, (ſo bey den erſten weder Raum noch Gehoͤr findet): indeſſen hoͤren ſie ungerne, wo man auf die Creutzigung ſinnlicher Luͤſte dringet. 3) Vernuͤnfftige, weltweiſe Leute, die ihre Paßionen beſ- ſer zaͤhmen und verbergen koͤnnen, auch in allem ihrem Thun gar manierlich ſind, denn ſie huͤten ſich ſehr vor allem, was in der Welt vor unanſtaͤndig gehalten wird: ſind aber gar nicht zum Himmelreich geſchickt. 1 Cor. 1, 26. Mithin iſt auch dieſen das Evangelium noch nicht eine Kraft GOttes zur Seligkeit. Roͤm. 1, 16. (womit ich die lebendigmachende Wuͤrckung des heiligen Geiſtes keinesweges einſchraͤncken will, Matth. 3, 9. Roͤm, 4, 17. ſondern nur die Hinderniſſe in uns anzeigen, und wo- her es doch komme, daß uns GOttes Wort nicht mehr zu Hertzen gehet, wie JEſus auch thut. Luc. 8, 11--14. c. 14, 18--20. Joh. 5, 44. c. 12, 43. Keuſchheit iſt wahrlich eine Frucht des heiligen Geiſtes, den die Welt nicht kann empfahen. Joh. 14, 17. Wer nun den Baum nicht in ſeinem Hertzensgarten haben kann, wie will er zur Frucht kommen?) Dieſe geſcheite und kluge Mo- denleute ſind heimlich die faulſte Spoͤtter des Evangelii, daher

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Zitationshilfe: Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 744. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/764>, abgerufen am 27.04.2024.