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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
Diese Schwierigkeit war so bedeutend, daß deshalb ein
Sohn dem Vater zwar durch Mancipation erwerben
konnte, aber nicht durch in jure cessio, weil dieser eine
(wenngleich nur symbolische) Vindication zum Grunde
lag (r). Wie war hier in unsren anomalischen Fällen zu
helfen? Auf zweyerley Weise. Erstlich durch eine for-
mula in factum concepta,
worin als Bedingung der Ver-
urtheilung nicht, wie in den oben angeführten Formeln,
ein Recht des Klägers, sondern eine bloße Thatsache aus-
gedrückt wurde. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß diese
Art der Formeln vorzugsweise um unsrer anomalischen
Fälle willen eingeführt wurden, wenigstens ist es merk-
würdig, daß mehrere von Gajus angegebene Beyspiele
der formula in factum concepta zugleich auch unter die
anomalischen Fälle gehören, worin ein Sohn suo nomine
klagen kann (s). Zweytens auf viel durchgreifendere
Weise, wenn der Rechtsstreit überhaupt nicht durch einen
judex und durch formula, sondern durch die extraordina-

(r) Gajus II. § 96.
(s) Gajus II. § 46. 47. -- Hier-
aus ist zu erklären L. 13 de O.
et A.
(44. 7.). "In factum ac-
tiones etiam filiifamiliarum pos-
sunt exercere."
Diese Stelle ist
nicht selten so misverstanden wor-
den, als ob ein Sohn alle ac-
tiones in factum
anstellen könn-
te, was schon mit L. 9 eod. (s. o.
Note q) im schneidenden Wider-
spruch stehen würde, nach wel-
cher doch auf jeden Fall nur ein-
zelne
Klagen zugelassen werden
können, mag auch deren Aufzäh-
lung in L. 9 cit. nicht vollständig
genug seyn. Der wahre Sinn
der L. 13 cit. ist aber dieser:
Bey der formula in factum con-
cepta
sind filiifamilias durch
die Prozeßform
nicht verhin-
dert, die Klage anzustellen; sie
können also überhaupt diese Kla-
gen gebrauchen, vorausgesetzt, daß
sie auch eine materielle Berechti-
gung dazu haben. -- Übrigens ist
auch auf diesen Unterschied zu
beziehen der Gegensatz des: in

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
Dieſe Schwierigkeit war ſo bedeutend, daß deshalb ein
Sohn dem Vater zwar durch Mancipation erwerben
konnte, aber nicht durch in jure cessio, weil dieſer eine
(wenngleich nur ſymboliſche) Vindication zum Grunde
lag (r). Wie war hier in unſren anomaliſchen Fällen zu
helfen? Auf zweyerley Weiſe. Erſtlich durch eine for-
mula in factum concepta,
worin als Bedingung der Ver-
urtheilung nicht, wie in den oben angeführten Formeln,
ein Recht des Klägers, ſondern eine bloße Thatſache aus-
gedrückt wurde. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß dieſe
Art der Formeln vorzugsweiſe um unſrer anomaliſchen
Fälle willen eingeführt wurden, wenigſtens iſt es merk-
würdig, daß mehrere von Gajus angegebene Beyſpiele
der formula in factum concepta zugleich auch unter die
anomaliſchen Fälle gehören, worin ein Sohn suo nomine
klagen kann (s). Zweytens auf viel durchgreifendere
Weiſe, wenn der Rechtsſtreit überhaupt nicht durch einen
judex und durch formula, ſondern durch die extraordina-

(r) Gajus II. § 96.
(s) Gajus II. § 46. 47. — Hier-
aus iſt zu erklären L. 13 de O.
et A.
(44. 7.). „In factum ac-
tiones etiam filiifamiliarum pos-
sunt exercere.”
Dieſe Stelle iſt
nicht ſelten ſo misverſtanden wor-
den, als ob ein Sohn alle ac-
tiones in factum
anſtellen könn-
te, was ſchon mit L. 9 eod. (ſ. o.
Note q) im ſchneidenden Wider-
ſpruch ſtehen würde, nach wel-
cher doch auf jeden Fall nur ein-
zelne
Klagen zugelaſſen werden
können, mag auch deren Aufzäh-
lung in L. 9 cit. nicht vollſtändig
genug ſeyn. Der wahre Sinn
der L. 13 cit. iſt aber dieſer:
Bey der formula in factum con-
cepta
ſind filiifamilias durch
die Prozeßform
nicht verhin-
dert, die Klage anzuſtellen; ſie
können alſo überhaupt dieſe Kla-
gen gebrauchen, vorausgeſetzt, daß
ſie auch eine materielle Berechti-
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[102/0116] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. Dieſe Schwierigkeit war ſo bedeutend, daß deshalb ein Sohn dem Vater zwar durch Mancipation erwerben konnte, aber nicht durch in jure cessio, weil dieſer eine (wenngleich nur ſymboliſche) Vindication zum Grunde lag (r). Wie war hier in unſren anomaliſchen Fällen zu helfen? Auf zweyerley Weiſe. Erſtlich durch eine for- mula in factum concepta, worin als Bedingung der Ver- urtheilung nicht, wie in den oben angeführten Formeln, ein Recht des Klägers, ſondern eine bloße Thatſache aus- gedrückt wurde. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß dieſe Art der Formeln vorzugsweiſe um unſrer anomaliſchen Fälle willen eingeführt wurden, wenigſtens iſt es merk- würdig, daß mehrere von Gajus angegebene Beyſpiele der formula in factum concepta zugleich auch unter die anomaliſchen Fälle gehören, worin ein Sohn suo nomine klagen kann (s). Zweytens auf viel durchgreifendere Weiſe, wenn der Rechtsſtreit überhaupt nicht durch einen judex und durch formula, ſondern durch die extraordina- (r) Gajus II. § 96. (s) Gajus II. § 46. 47. — Hier- aus iſt zu erklären L. 13 de O. et A. (44. 7.). „In factum ac- tiones etiam filiifamiliarum pos- sunt exercere.” Dieſe Stelle iſt nicht ſelten ſo misverſtanden wor- den, als ob ein Sohn alle ac- tiones in factum anſtellen könn- te, was ſchon mit L. 9 eod. (ſ. o. Note q) im ſchneidenden Wider- ſpruch ſtehen würde, nach wel- cher doch auf jeden Fall nur ein- zelne Klagen zugelaſſen werden können, mag auch deren Aufzäh- lung in L. 9 cit. nicht vollſtändig genug ſeyn. Der wahre Sinn der L. 13 cit. iſt aber dieſer: Bey der formula in factum con- cepta ſind filiifamilias durch die Prozeßform nicht verhin- dert, die Klage anzuſtellen; ſie können alſo überhaupt dieſe Kla- gen gebrauchen, vorausgeſetzt, daß ſie auch eine materielle Berechti- gung dazu haben. — Übrigens iſt auch auf dieſen Unterſchied zu beziehen der Gegenſatz des: in

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/116>, abgerufen am 15.05.2024.