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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 71. Anomalische Rechte. Allgemeine Natur.
ria cognitio eines Magistratus entschieden wurde (t). Die
erste Auskunft war nur anwendbar auf die anomalischen
Klagrechte eines filiusfamilias, die zweyte war der aus-
gedehntesten Anwendung fähig, sie diente daher namentlich
auch als Prozeßform für die anomalischen Ansprüche der
Sklaven, von welchen sogleich die Rede seyn wird.

Alles, was hier über die Klagfähigkeit des filiusfamilias
gesagt worden ist, gilt ohne Unterschied des Geschlechts,
also für Söhne und Töchter auf gleiche Weise (u).

Es ist aber dieses Alles bisher von dem Standpunkte
des älteren Rechts aus betrachtet worden; die Modifica-
tionen, welche späterhin für die Einwirkung der väterli-
chen Gewalt eingetreten sind, haben auch darin die größ-
ten Veränderungen hervorgebracht, und es wird davon
noch weiter unten die Rede seyn.



facto potius quam in jure con-
sistit
(Note a), nur nicht auf
diesen allein.
(t) L. 17 de reb. cred. (12.
1.) "extraordinario judicio"

(Note n).
(u) Über die gleiche Schulden-
fähigkeit bey Söhnen und Töch-
tern vgl. Beylage V. -- Was die
besondere Anwendung auf die
Klagfähigkeit betrifft, so erwähnt
L. 8 pr. de proc. (3. 3.) beide
auf ganz gleiche Weise. Eben so
auch, bey genauerer Betrachtung,
L. 3 § 4 commod. (13. 6.), worin
ganz zufällig der zweyte Satz:
cum filio autem familias etc.
bey der Tochter nicht wiederholt
ist, ohne Zweifel weil der Jurist
annahm, diese Wiederholung wer-
de jeder Leser von selbst hinzu
denken. Hätte der Jurist einen
Unterschied unter beiden Geschlech-
tern im Sinn gehabt, so würde
er sich gewiß anderer Ausdrücke
bedient haben. -- Eine Procura-
tur freylich durften Frauen über-
haupt nicht übernehmen (L. 1 § 5
de postul.
3. 1.), und selbst für
den Vater nur ausnahmsweise,
causa cognita, wenn er keinen
andern Procurator finden konnte.
L. 41 de proc. (3. 3.).

§. 71. Anomaliſche Rechte. Allgemeine Natur.
ria cognitio eines Magiſtratus entſchieden wurde (t). Die
erſte Auskunft war nur anwendbar auf die anomaliſchen
Klagrechte eines filiusfamilias, die zweyte war der aus-
gedehnteſten Anwendung fähig, ſie diente daher namentlich
auch als Prozeßform für die anomaliſchen Anſprüche der
Sklaven, von welchen ſogleich die Rede ſeyn wird.

Alles, was hier über die Klagfähigkeit des filiusfamilias
geſagt worden iſt, gilt ohne Unterſchied des Geſchlechts,
alſo für Söhne und Töchter auf gleiche Weiſe (u).

Es iſt aber dieſes Alles bisher von dem Standpunkte
des älteren Rechts aus betrachtet worden; die Modifica-
tionen, welche ſpäterhin für die Einwirkung der väterli-
chen Gewalt eingetreten ſind, haben auch darin die größ-
ten Veränderungen hervorgebracht, und es wird davon
noch weiter unten die Rede ſeyn.



facto potius quam in jure con-
sistit
(Note a), nur nicht auf
dieſen allein.
(t) L. 17 de reb. cred. (12.
1.) „extraordinario judicio”

(Note n).
(u) Über die gleiche Schulden-
fähigkeit bey Söhnen und Töch-
tern vgl. Beylage V. — Was die
beſondere Anwendung auf die
Klagfähigkeit betrifft, ſo erwähnt
L. 8 pr. de proc. (3. 3.) beide
auf ganz gleiche Weiſe. Eben ſo
auch, bey genauerer Betrachtung,
L. 3 § 4 commod. (13. 6.), worin
ganz zufällig der zweyte Satz:
cum filio autem familias etc.
bey der Tochter nicht wiederholt
iſt, ohne Zweifel weil der Juriſt
annahm, dieſe Wiederholung wer-
de jeder Leſer von ſelbſt hinzu
denken. Hätte der Juriſt einen
Unterſchied unter beiden Geſchlech-
tern im Sinn gehabt, ſo würde
er ſich gewiß anderer Ausdrücke
bedient haben. — Eine Procura-
tur freylich durften Frauen über-
haupt nicht übernehmen (L. 1 § 5
de postul.
3. 1.), und ſelbſt für
den Vater nur ausnahmsweiſe,
causa cognita, wenn er keinen
andern Procurator finden konnte.
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[103/0117] §. 71. Anomaliſche Rechte. Allgemeine Natur. ria cognitio eines Magiſtratus entſchieden wurde (t). Die erſte Auskunft war nur anwendbar auf die anomaliſchen Klagrechte eines filiusfamilias, die zweyte war der aus- gedehnteſten Anwendung fähig, ſie diente daher namentlich auch als Prozeßform für die anomaliſchen Anſprüche der Sklaven, von welchen ſogleich die Rede ſeyn wird. Alles, was hier über die Klagfähigkeit des filiusfamilias geſagt worden iſt, gilt ohne Unterſchied des Geſchlechts, alſo für Söhne und Töchter auf gleiche Weiſe (u). Es iſt aber dieſes Alles bisher von dem Standpunkte des älteren Rechts aus betrachtet worden; die Modifica- tionen, welche ſpäterhin für die Einwirkung der väterli- chen Gewalt eingetreten ſind, haben auch darin die größ- ten Veränderungen hervorgebracht, und es wird davon noch weiter unten die Rede ſeyn. (s) (t) L. 17 de reb. cred. (12. 1.) „extraordinario judicio” (Note n). (u) Über die gleiche Schulden- fähigkeit bey Söhnen und Töch- tern vgl. Beylage V. — Was die beſondere Anwendung auf die Klagfähigkeit betrifft, ſo erwähnt L. 8 pr. de proc. (3. 3.) beide auf ganz gleiche Weiſe. Eben ſo auch, bey genauerer Betrachtung, L. 3 § 4 commod. (13. 6.), worin ganz zufällig der zweyte Satz: cum filio autem familias etc. bey der Tochter nicht wiederholt iſt, ohne Zweifel weil der Juriſt annahm, dieſe Wiederholung wer- de jeder Leſer von ſelbſt hinzu denken. Hätte der Juriſt einen Unterſchied unter beiden Geſchlech- tern im Sinn gehabt, ſo würde er ſich gewiß anderer Ausdrücke bedient haben. — Eine Procura- tur freylich durften Frauen über- haupt nicht übernehmen (L. 1 § 5 de postul. 3. 1.), und ſelbſt für den Vater nur ausnahmsweiſe, causa cognita, wenn er keinen andern Procurator finden konnte. L. 41 de proc. (3. 3.). (s) facto potius quam in jure con- sistit (Note a), nur nicht auf dieſen allein.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/117>, abgerufen am 01.05.2024.