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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 77. Infamie. Einzelne Fälle.

Nicht bloß durch Ehe neben Ehe, oder Sponsalien
neben Sponsalien, wird die Infamie erzeugt, sondern auch
durch Sponsalien neben Ehe (gg).

3) Unzüchtiges Leben der Frauen als Gewerbe (cor-
pore,
auch palam, oder vulgo quaestum faciens).

Das in den Digesten erhaltene Edict erwähnt diesen
Fall gar nicht. Die Lex Julia verbietet die Ehe mit sol-
chen Frauen den Senatoren und deren männlichen Nach-
kommen, ohne dabey den Ausdruck der Infamie zu ge-
brauchen; eben so verbietet sie allen Freygebornen die Ehe
mit gewissen Frauen, aber ohne dabey diesen speciellen
Fall zu nennen. Diese Verschiedenheiten sind nur durch eine
genaue historische Untersuchung zu erklären (Beylage VII.).

4) Der Mann, der sich fremder Wollust überläßt (mu-
liebria passus)
, ist infam schon nach dem Edict (hh), und
selbst ohne Rücksicht auf Geldgewinn.

5) Eben so infamirt das Gewerbe einer unzüchtigen
Wirthschaft schon nach dem Edict (qui lenocinium fecerit),
womit auch die Tafel von Heraclea (lin. 123) überein-
stimmt (ii). -- Inwiefern dieser Fall der Infamie auf

(gg) L. 13 § 3 de his qui not.
(3. 2.).
(hh) L. 1 § 6 de postulando
(3. 1.). L. 31 C. ad L. Jul. de
adult.
(9. 9.). -- Der muliebria
passus
stand nicht in dem allge-
meinen Edict über die Infamen
(L. 1 de his qui not. 3. 2.), son-
dern wurde noch ungünstiger als
diese behandelt. Von diesem Un-
terschied wird sogleich weiter die
Rede seyn. -- Die tab. Heracl.
lin.
122. 123 beachtet diesen Fall
nur unter Voraussetzung des Geld-
gewinns: "queive corpori (cor-
pore) quaestum fecit fecerit."
(ii) Hier ist lenocinium im ei-
gentlichen Sinn zu verstehen, als
§. 77. Infamie. Einzelne Fälle.

Nicht bloß durch Ehe neben Ehe, oder Sponſalien
neben Sponſalien, wird die Infamie erzeugt, ſondern auch
durch Sponſalien neben Ehe (gg).

3) Unzüchtiges Leben der Frauen als Gewerbe (cor-
pore,
auch palam, oder vulgo quaestum faciens).

Das in den Digeſten erhaltene Edict erwähnt dieſen
Fall gar nicht. Die Lex Julia verbietet die Ehe mit ſol-
chen Frauen den Senatoren und deren männlichen Nach-
kommen, ohne dabey den Ausdruck der Infamie zu ge-
brauchen; eben ſo verbietet ſie allen Freygebornen die Ehe
mit gewiſſen Frauen, aber ohne dabey dieſen ſpeciellen
Fall zu nennen. Dieſe Verſchiedenheiten ſind nur durch eine
genaue hiſtoriſche Unterſuchung zu erklären (Beylage VII.).

4) Der Mann, der ſich fremder Wolluſt überläßt (mu-
liebria passus)
, iſt infam ſchon nach dem Edict (hh), und
ſelbſt ohne Rückſicht auf Geldgewinn.

5) Eben ſo infamirt das Gewerbe einer unzüchtigen
Wirthſchaft ſchon nach dem Edict (qui lenocinium fecerit),
womit auch die Tafel von Heraclea (lin. 123) überein-
ſtimmt (ii). — Inwiefern dieſer Fall der Infamie auf

(gg) L. 13 § 3 de his qui not.
(3. 2.).
(hh) L. 1 § 6 de postulando
(3. 1.). L. 31 C. ad L. Jul. de
adult.
(9. 9.). — Der muliebria
passus
ſtand nicht in dem allge-
meinen Edict über die Infamen
(L. 1 de his qui not. 3. 2.), ſon-
dern wurde noch ungünſtiger als
dieſe behandelt. Von dieſem Un-
terſchied wird ſogleich weiter die
Rede ſeyn. — Die tab. Heracl.
lin.
122. 123 beachtet dieſen Fall
nur unter Vorausſetzung des Geld-
gewinns: „queive corpori (cor-
pore) quaestum fecit fecerit.”
(ii) Hier iſt lenocinium im ei-
gentlichen Sinn zu verſtehen, als
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[183/0197] §. 77. Infamie. Einzelne Fälle. Nicht bloß durch Ehe neben Ehe, oder Sponſalien neben Sponſalien, wird die Infamie erzeugt, ſondern auch durch Sponſalien neben Ehe (gg). 3) Unzüchtiges Leben der Frauen als Gewerbe (cor- pore, auch palam, oder vulgo quaestum faciens). Das in den Digeſten erhaltene Edict erwähnt dieſen Fall gar nicht. Die Lex Julia verbietet die Ehe mit ſol- chen Frauen den Senatoren und deren männlichen Nach- kommen, ohne dabey den Ausdruck der Infamie zu ge- brauchen; eben ſo verbietet ſie allen Freygebornen die Ehe mit gewiſſen Frauen, aber ohne dabey dieſen ſpeciellen Fall zu nennen. Dieſe Verſchiedenheiten ſind nur durch eine genaue hiſtoriſche Unterſuchung zu erklären (Beylage VII.). 4) Der Mann, der ſich fremder Wolluſt überläßt (mu- liebria passus), iſt infam ſchon nach dem Edict (hh), und ſelbſt ohne Rückſicht auf Geldgewinn. 5) Eben ſo infamirt das Gewerbe einer unzüchtigen Wirthſchaft ſchon nach dem Edict (qui lenocinium fecerit), womit auch die Tafel von Heraclea (lin. 123) überein- ſtimmt (ii). — Inwiefern dieſer Fall der Infamie auf (gg) L. 13 § 3 de his qui not. (3. 2.). (hh) L. 1 § 6 de postulando (3. 1.). L. 31 C. ad L. Jul. de adult. (9. 9.). — Der muliebria passus ſtand nicht in dem allge- meinen Edict über die Infamen (L. 1 de his qui not. 3. 2.), ſon- dern wurde noch ungünſtiger als dieſe behandelt. Von dieſem Un- terſchied wird ſogleich weiter die Rede ſeyn. — Die tab. Heracl. lin. 122. 123 beachtet dieſen Fall nur unter Vorausſetzung des Geld- gewinns: „queive corpori (cor- pore) quaestum fecit fecerit.” (ii) Hier iſt lenocinium im ei- gentlichen Sinn zu verſtehen, als

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/197>, abgerufen am 15.05.2024.