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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 91. Juristische Personen. Rechte. (Fortsetzung.)
Personen bezweifelt wegen der ganz factischen Natur des-
selben, die nicht so wie eigentliche Rechtsverhältnisse mit
einer bloßen Fiction (welches die juristische Person aller-
dings ist) vereinbar schien. Deswegen nahmen Manche
an, es sey hier ein Besitz nur ausnahmsweise durch Skla-
ven, und zwar nur an den zum Peculium gehörenden Sa-
chen möglich: Andere läugneten selbst dieses, weil die ju-
ristische Person an dem Sklaven selbst keinen Besitz habe,
also auch nicht durch ihn besitzen könne (t). Zur Zeit der
ausgebildeten Rechtswissenschaft war es entschieden, daß
Städte und alle andere juristische Personen, sowohl durch
Sklaven als durch freye Stellvertreter, Besitz erwerben
können (u).

Indessen ist es nicht unwahrscheinlich, daß jener Zwei-
fel von jeher nur in theoretischen Untersuchungen erhoben,
in der Anwendung aber niemals beachtet wurde. Der
Grund liegt darin, daß außerdem die Erwerbung irgend
eines Vermögensrechts für die juristischen Personen nach
dem strengen alten Recht völlig unerklärlich bleiben würde.

(t) L. 1 § 22 de adqu. vel am.
poss
. (41. 2.) "Municipes per se
nihil possidere possunt, quia
universi (al. uni) consentire non
possunt."
Die letzten Worte wol-
len nicht sagen, es sey gar zu
schwierig, sie Alle zu diesem Zweck
zusammen zu bringen, was doch
gewiß nicht mit der Unmöglichkeit
einerley ist; sondern selbst wenn
alle Einzelne consentirten, so wäre
es doch nicht die Corporation selbst,
als ideale Einheit (universi), wel-
che wollte, also fände sich nicht der
ganz unentbehrliche animus pos-
sidendi
in der Person des wah-
ren Besitzers (§ 90. § 93. b. h.).
-- Vgl. auch Gajus II. § 89. 90.
(u) L. 2 de adqu. vel am. poss.
(41. 2.), L. 7 § 3 ad exhib.
(10. 4.).
Vgl. Savigny Recht des Be-
sitzes § 21 (am Anfang) § 26
S. 354. 358. 367 der 6. Ausg.
19*

§. 91. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.)
Perſonen bezweifelt wegen der ganz factiſchen Natur deſ-
ſelben, die nicht ſo wie eigentliche Rechtsverhältniſſe mit
einer bloßen Fiction (welches die juriſtiſche Perſon aller-
dings iſt) vereinbar ſchien. Deswegen nahmen Manche
an, es ſey hier ein Beſitz nur ausnahmsweiſe durch Skla-
ven, und zwar nur an den zum Peculium gehörenden Sa-
chen möglich: Andere läugneten ſelbſt dieſes, weil die ju-
riſtiſche Perſon an dem Sklaven ſelbſt keinen Beſitz habe,
alſo auch nicht durch ihn beſitzen könne (t). Zur Zeit der
ausgebildeten Rechtswiſſenſchaft war es entſchieden, daß
Städte und alle andere juriſtiſche Perſonen, ſowohl durch
Sklaven als durch freye Stellvertreter, Beſitz erwerben
koͤnnen (u).

Indeſſen iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß jener Zwei-
fel von jeher nur in theoretiſchen Unterſuchungen erhoben,
in der Anwendung aber niemals beachtet wurde. Der
Grund liegt darin, daß außerdem die Erwerbung irgend
eines Vermögensrechts für die juriſtiſchen Perſonen nach
dem ſtrengen alten Recht völlig unerklärlich bleiben würde.

(t) L. 1 § 22 de adqu. vel am.
poss
. (41. 2.) „Municipes per se
nihil possidere possunt, quia
universi (al. uni) consentire non
possunt.”
Die letzten Worte wol-
len nicht ſagen, es ſey gar zu
ſchwierig, ſie Alle zu dieſem Zweck
zuſammen zu bringen, was doch
gewiß nicht mit der Unmöglichkeit
einerley iſt; ſondern ſelbſt wenn
alle Einzelne conſentirten, ſo wäre
es doch nicht die Corporation ſelbſt,
als ideale Einheit (universi), wel-
che wollte, alſo fände ſich nicht der
ganz unentbehrliche animus pos-
sidendi
in der Perſon des wah-
ren Beſitzers (§ 90. § 93. b. h.).
— Vgl. auch Gajus II. § 89. 90.
(u) L. 2 de adqu. vel am. poss.
(41. 2.), L. 7 § 3 ad exhib.
(10. 4.).
Vgl. Savigny Recht des Be-
ſitzes § 21 (am Anfang) § 26
S. 354. 358. 367 der 6. Ausg.
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[291/0305] §. 91. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.) Perſonen bezweifelt wegen der ganz factiſchen Natur deſ- ſelben, die nicht ſo wie eigentliche Rechtsverhältniſſe mit einer bloßen Fiction (welches die juriſtiſche Perſon aller- dings iſt) vereinbar ſchien. Deswegen nahmen Manche an, es ſey hier ein Beſitz nur ausnahmsweiſe durch Skla- ven, und zwar nur an den zum Peculium gehörenden Sa- chen möglich: Andere läugneten ſelbſt dieſes, weil die ju- riſtiſche Perſon an dem Sklaven ſelbſt keinen Beſitz habe, alſo auch nicht durch ihn beſitzen könne (t). Zur Zeit der ausgebildeten Rechtswiſſenſchaft war es entſchieden, daß Städte und alle andere juriſtiſche Perſonen, ſowohl durch Sklaven als durch freye Stellvertreter, Beſitz erwerben koͤnnen (u). Indeſſen iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß jener Zwei- fel von jeher nur in theoretiſchen Unterſuchungen erhoben, in der Anwendung aber niemals beachtet wurde. Der Grund liegt darin, daß außerdem die Erwerbung irgend eines Vermögensrechts für die juriſtiſchen Perſonen nach dem ſtrengen alten Recht völlig unerklärlich bleiben würde. (t) L. 1 § 22 de adqu. vel am. poss. (41. 2.) „Municipes per se nihil possidere possunt, quia universi (al. uni) consentire non possunt.” Die letzten Worte wol- len nicht ſagen, es ſey gar zu ſchwierig, ſie Alle zu dieſem Zweck zuſammen zu bringen, was doch gewiß nicht mit der Unmöglichkeit einerley iſt; ſondern ſelbſt wenn alle Einzelne conſentirten, ſo wäre es doch nicht die Corporation ſelbſt, als ideale Einheit (universi), wel- che wollte, alſo fände ſich nicht der ganz unentbehrliche animus pos- sidendi in der Perſon des wah- ren Beſitzers (§ 90. § 93. b. h.). — Vgl. auch Gajus II. § 89. 90. (u) L. 2 de adqu. vel am. poss. (41. 2.), L. 7 § 3 ad exhib. (10. 4.). Vgl. Savigny Recht des Be- ſitzes § 21 (am Anfang) § 26 S. 354. 358. 367 der 6. Ausg. 19*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/305>, abgerufen am 29.04.2024.