Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
vorzüglich bey dem Eigenthum, wobey allein der Aus-
druck Dereliction gebilligt werden könnte. In den weni-
gen Fällen aber, worin jene Annahme wirklich zugelassen
werden kann, wird sie sich auf den allgemeineren Grund
der präsumtiven Erwerbung oder Tilgung zurück führen
lassen, indem sie dann etwa eine Entsagung in sich schlie-
ßen wird, die auch schon für sich, unabhängig von dem
Zeitablauf, das Recht hätte aufheben können. Es ist also
gerathener, diesen Grund gar nicht geltend zu machen,
um so mehr als darin einem ganz bestimmten juristischen
Kunstausdruck eine ungehörige Ausdehnung gegeben wird.

Aus diesen Betrachtungen ergiebt es sich, daß für die
hier zusammen gestellten Fälle ein allgemeines Bedürfniß
solcher Zeitbestimmungen allerdings vorhanden ist, wel-
ches jedoch nur in ganz positiven Rechtsregeln seine Er-
ledigung finden kann. Bey der Aufstellung dieser positiven
Regeln sind von dem Gesetzgeber folgende Gesichtspunkte
zu beachten. Erstlich sind darin die Extreme zu vermei-
den, so daß die Fristen weder zu lang, noch zu kurz be-
stimmt werden dürfen; wobey sich von selbst versteht, daß
ein sehr freyer und weiter Spielraum für jede aufzustel-
lende Regel übrig bleibt. Zweytens sind die Zeiträume
genau, klar und einfach zu bestimmen, damit die Anwen-
dung auch dem Nichtjuristen, auf dessen freye Thätigkeit
es zunächst ankommt, so viel möglich erleichtert werde.


Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
vorzüglich bey dem Eigenthum, wobey allein der Aus-
druck Dereliction gebilligt werden könnte. In den weni-
gen Fällen aber, worin jene Annahme wirklich zugelaſſen
werden kann, wird ſie ſich auf den allgemeineren Grund
der präſumtiven Erwerbung oder Tilgung zurück führen
laſſen, indem ſie dann etwa eine Entſagung in ſich ſchlie-
ßen wird, die auch ſchon für ſich, unabhängig von dem
Zeitablauf, das Recht hätte aufheben können. Es iſt alſo
gerathener, dieſen Grund gar nicht geltend zu machen,
um ſo mehr als darin einem ganz beſtimmten juriſtiſchen
Kunſtausdruck eine ungehörige Ausdehnung gegeben wird.

Aus dieſen Betrachtungen ergiebt es ſich, daß für die
hier zuſammen geſtellten Fälle ein allgemeines Bedürfniß
ſolcher Zeitbeſtimmungen allerdings vorhanden iſt, wel-
ches jedoch nur in ganz poſitiven Rechtsregeln ſeine Er-
ledigung finden kann. Bey der Aufſtellung dieſer poſitiven
Regeln ſind von dem Geſetzgeber folgende Geſichtspunkte
zu beachten. Erſtlich ſind darin die Extreme zu vermei-
den, ſo daß die Friſten weder zu lang, noch zu kurz be-
ſtimmt werden dürfen; wobey ſich von ſelbſt verſteht, daß
ein ſehr freyer und weiter Spielraum für jede aufzuſtel-
lende Regel übrig bleibt. Zweytens ſind die Zeiträume
genau, klar und einfach zu beſtimmen, damit die Anwen-
dung auch dem Nichtjuriſten, auf deſſen freye Thätigkeit
es zunächſt ankommt, ſo viel möglich erleichtert werde.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0322" n="308"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/>
vorzüglich bey dem Eigenthum, wobey allein der Aus-<lb/>
druck Dereliction gebilligt werden könnte. In den weni-<lb/>
gen Fällen aber, worin jene Annahme wirklich zugela&#x017F;&#x017F;en<lb/>
werden kann, wird &#x017F;ie &#x017F;ich auf den allgemeineren Grund<lb/>
der prä&#x017F;umtiven Erwerbung oder Tilgung zurück führen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, indem &#x017F;ie dann etwa eine Ent&#x017F;agung in &#x017F;ich &#x017F;chlie-<lb/>
ßen wird, die auch &#x017F;chon für &#x017F;ich, unabhängig von dem<lb/>
Zeitablauf, das Recht hätte aufheben können. Es i&#x017F;t al&#x017F;o<lb/>
gerathener, die&#x017F;en Grund gar nicht geltend zu machen,<lb/>
um &#x017F;o mehr als darin einem ganz be&#x017F;timmten juri&#x017F;ti&#x017F;chen<lb/>
Kun&#x017F;tausdruck eine ungehörige Ausdehnung gegeben wird.</p><lb/>
            <p>Aus die&#x017F;en Betrachtungen ergiebt es &#x017F;ich, daß für die<lb/>
hier zu&#x017F;ammen ge&#x017F;tellten Fälle ein allgemeines Bedürfniß<lb/>
&#x017F;olcher Zeitbe&#x017F;timmungen allerdings vorhanden i&#x017F;t, wel-<lb/>
ches jedoch nur in ganz po&#x017F;itiven Rechtsregeln &#x017F;eine Er-<lb/>
ledigung finden kann. Bey der Auf&#x017F;tellung die&#x017F;er po&#x017F;itiven<lb/>
Regeln &#x017F;ind von dem Ge&#x017F;etzgeber folgende Ge&#x017F;ichtspunkte<lb/>
zu beachten. Er&#x017F;tlich &#x017F;ind darin die Extreme zu vermei-<lb/>
den, &#x017F;o daß die Fri&#x017F;ten weder zu lang, noch zu kurz be-<lb/>
&#x017F;timmt werden dürfen; wobey &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;teht, daß<lb/>
ein &#x017F;ehr freyer und weiter Spielraum für jede aufzu&#x017F;tel-<lb/>
lende Regel übrig bleibt. Zweytens &#x017F;ind die Zeiträume<lb/>
genau, klar und einfach zu be&#x017F;timmen, damit die Anwen-<lb/>
dung auch dem Nichtjuri&#x017F;ten, auf de&#x017F;&#x017F;en freye Thätigkeit<lb/>
es zunäch&#x017F;t ankommt, &#x017F;o viel möglich erleichtert werde.</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0322] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. vorzüglich bey dem Eigenthum, wobey allein der Aus- druck Dereliction gebilligt werden könnte. In den weni- gen Fällen aber, worin jene Annahme wirklich zugelaſſen werden kann, wird ſie ſich auf den allgemeineren Grund der präſumtiven Erwerbung oder Tilgung zurück führen laſſen, indem ſie dann etwa eine Entſagung in ſich ſchlie- ßen wird, die auch ſchon für ſich, unabhängig von dem Zeitablauf, das Recht hätte aufheben können. Es iſt alſo gerathener, dieſen Grund gar nicht geltend zu machen, um ſo mehr als darin einem ganz beſtimmten juriſtiſchen Kunſtausdruck eine ungehörige Ausdehnung gegeben wird. Aus dieſen Betrachtungen ergiebt es ſich, daß für die hier zuſammen geſtellten Fälle ein allgemeines Bedürfniß ſolcher Zeitbeſtimmungen allerdings vorhanden iſt, wel- ches jedoch nur in ganz poſitiven Rechtsregeln ſeine Er- ledigung finden kann. Bey der Aufſtellung dieſer poſitiven Regeln ſind von dem Geſetzgeber folgende Geſichtspunkte zu beachten. Erſtlich ſind darin die Extreme zu vermei- den, ſo daß die Friſten weder zu lang, noch zu kurz be- ſtimmt werden dürfen; wobey ſich von ſelbſt verſteht, daß ein ſehr freyer und weiter Spielraum für jede aufzuſtel- lende Regel übrig bleibt. Zweytens ſind die Zeiträume genau, klar und einfach zu beſtimmen, damit die Anwen- dung auch dem Nichtjuriſten, auf deſſen freye Thätigkeit es zunächſt ankommt, ſo viel möglich erleichtert werde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/322
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/322>, abgerufen am 05.05.2024.