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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Die Condictionen. V.
Grad des Glaubens oder Vertrauens bezeichnet, woher
auch der Geber den Namen creditor erhalten hat (a); ja
die Natürlichkeit dieser Ansicht bewährt sich darin, daß
auch in unsrer Sprache der Name Glaubiger allgemein
anerkannt worden ist, und zwar im gemeinen Leben nicht
weniger als unter den Juristen. Daher fängt auch der
oben angeführte Digestentitel sehr characteristisch mit einer
Untersuchung über die Bedeutung des Worts credere an,
dessen Wesen darin gesetzt wird, daß wir uns der Zuver-
lässigkeit eines Andern anvertrauen (b). Was ist nun der
eigentliche Inhalt dieses Vertrauens?

Vertrauen im Allgemeinen liegt bey allen Geschäften
des täglichen Verkehrs zum Grunde; da aber hier so vor-

(a) Die ursprüngliche Bedeu-
tung von creditor und creditum
geht auf die aus einem Gelddar-
lehen entstandene Forderung; von
da ist der Ausdruck auf den
abstracten Begriff der Forderun-
gen überhaupt, wofür man keinen
andern Namen hatte, übertragen
worden, und dieser ausgedehnte
Sprachgebrauch ist dann der vor-
herrschende geworden. L. 10 de
V. S.
(50. 16.) ".. Sed et si
non sit mutua pecunia,
sed
contractus, creditores accipiun-
tur." L. 11 eod. Creditorum ap-
pellatione non hi tantum ac-
cipiuntur, qui pecuniam credi-
derunt
: sed omnes, quibus ex
qualibet causa debetur." L. 12.
pr. eod.
Die Gegensätze weisen
sichtbar darauf hin, daß die aus-
schließende Beziehung des Aus-
drucks auf das Gelddarlehen die
eigentliche, ursprüngliche war, und
daß man nur durch das Bedürf-
niß dahin geführt wurde, die wei-
tere Bedeutung anzunehmen, und
diese nun als die regelmäßige zu
behandeln. -- Eben so in L. 5
§ 3 de O. et A
(44. 7.), s. u.
Num. VII. b. -- Derselbe Ge-
danke, nur in anderer Art ausge-
drückt, liegt zum Grunde in L. 20
de jud. (5. 1.) "Omnem obli-
gationem pro contractu haben-
dam existimandum est ... quam-
vis non ex crediti causa debe-
atur."
(b) L. 1 de reb. cred. (12. 1.)
".. credendi generalis appel-
latio est ... nam cuicumque
rei adsentiamur, alienam fidem
secuti,
mox recepturi quid ex
hoc contractu, credere dicimur."
V. 33

Die Condictionen. V.
Grad des Glaubens oder Vertrauens bezeichnet, woher
auch der Geber den Namen creditor erhalten hat (a); ja
die Natürlichkeit dieſer Anſicht bewährt ſich darin, daß
auch in unſrer Sprache der Name Glaubiger allgemein
anerkannt worden iſt, und zwar im gemeinen Leben nicht
weniger als unter den Juriſten. Daher fängt auch der
oben angeführte Digeſtentitel ſehr characteriſtiſch mit einer
Unterſuchung über die Bedeutung des Worts credere an,
deſſen Weſen darin geſetzt wird, daß wir uns der Zuver-
läſſigkeit eines Andern anvertrauen (b). Was iſt nun der
eigentliche Inhalt dieſes Vertrauens?

Vertrauen im Allgemeinen liegt bey allen Geſchäften
des täglichen Verkehrs zum Grunde; da aber hier ſo vor-

(a) Die urſprüngliche Bedeu-
tung von creditor und creditum
geht auf die aus einem Gelddar-
lehen entſtandene Forderung; von
da iſt der Ausdruck auf den
abſtracten Begriff der Forderun-
gen überhaupt, wofür man keinen
andern Namen hatte, übertragen
worden, und dieſer ausgedehnte
Sprachgebrauch iſt dann der vor-
herrſchende geworden. L. 10 de
V. S.
(50. 16.) „.. Sed et si
non sit mutua pecunia,
sed
contractus, creditores accipiun-
tur.” L. 11 eod. Creditorum ap-
pellatione non hi tantum ac-
cipiuntur, qui pecuniam credi-
derunt
: sed omnes, quibus ex
qualibet causa debetur.” L. 12.
pr. eod.
Die Gegenſätze weiſen
ſichtbar darauf hin, daß die aus-
ſchließende Beziehung des Aus-
drucks auf das Gelddarlehen die
eigentliche, urſprüngliche war, und
daß man nur durch das Bedürf-
niß dahin geführt wurde, die wei-
tere Bedeutung anzunehmen, und
dieſe nun als die regelmäßige zu
behandeln. — Eben ſo in L. 5
§ 3 de O. et A
(44. 7.), ſ. u.
Num. VII. b. — Derſelbe Ge-
danke, nur in anderer Art ausge-
drückt, liegt zum Grunde in L. 20
de jud. (5. 1.) „Omnem obli-
gationem pro contractu haben-
dam existimandum est … quam-
vis non ex crediti causa debe-
atur.”
(b) L. 1 de reb. cred. (12. 1.)
„.. credendi generalis appel-
latio est … nam cuicumque
rei adsentiamur, alienam fidem
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mox recepturi quid ex
hoc contractu, credere dicimur.”
V. 33
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[513/0527] Die Condictionen. V. Grad des Glaubens oder Vertrauens bezeichnet, woher auch der Geber den Namen creditor erhalten hat (a); ja die Natürlichkeit dieſer Anſicht bewährt ſich darin, daß auch in unſrer Sprache der Name Glaubiger allgemein anerkannt worden iſt, und zwar im gemeinen Leben nicht weniger als unter den Juriſten. Daher fängt auch der oben angeführte Digeſtentitel ſehr characteriſtiſch mit einer Unterſuchung über die Bedeutung des Worts credere an, deſſen Weſen darin geſetzt wird, daß wir uns der Zuver- läſſigkeit eines Andern anvertrauen (b). Was iſt nun der eigentliche Inhalt dieſes Vertrauens? Vertrauen im Allgemeinen liegt bey allen Geſchäften des täglichen Verkehrs zum Grunde; da aber hier ſo vor- (a) Die urſprüngliche Bedeu- tung von creditor und creditum geht auf die aus einem Gelddar- lehen entſtandene Forderung; von da iſt der Ausdruck auf den abſtracten Begriff der Forderun- gen überhaupt, wofür man keinen andern Namen hatte, übertragen worden, und dieſer ausgedehnte Sprachgebrauch iſt dann der vor- herrſchende geworden. L. 10 de V. S. (50. 16.) „.. Sed et si non sit mutua pecunia, sed contractus, creditores accipiun- tur.” L. 11 eod. Creditorum ap- pellatione non hi tantum ac- cipiuntur, qui pecuniam credi- derunt: sed omnes, quibus ex qualibet causa debetur.” L. 12. pr. eod. Die Gegenſätze weiſen ſichtbar darauf hin, daß die aus- ſchließende Beziehung des Aus- drucks auf das Gelddarlehen die eigentliche, urſprüngliche war, und daß man nur durch das Bedürf- niß dahin geführt wurde, die wei- tere Bedeutung anzunehmen, und dieſe nun als die regelmäßige zu behandeln. — Eben ſo in L. 5 § 3 de O. et A (44. 7.), ſ. u. Num. VII. b. — Derſelbe Ge- danke, nur in anderer Art ausge- drückt, liegt zum Grunde in L. 20 de jud. (5. 1.) „Omnem obli- gationem pro contractu haben- dam existimandum est … quam- vis non ex crediti causa debe- atur.” (b) L. 1 de reb. cred. (12. 1.) „.. credendi generalis appel- latio est … nam cuicumque rei adsentiamur, alienam fidem secuti, mox recepturi quid ex hoc contractu, credere dicimur.” V. 33

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/527>, abgerufen am 29.04.2024.