Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage XIV.
zügliches Gewicht auf das Vertrauen gelegt wird, so muß
wohl ein Vertrauen von besonderer Art gemeynt seyn;
dessen Natur nun wird durch folgende Betrachtung klar
werden.

Wird eine Geldsumme in versiegeltem Beutel in fremde
Verwahrung gegeben, so vertraut der Eigenthümer der
Redlichkeit des Andern; Diese aber vorausgesetzt, kann
ihm das Schicksal des Vermögens des Empfängers gleich-
gültig seyn. Denn wenngleich Derselbe verarmt, wird
noch immer der versiegelte Beutel bey ihm gefunden, und
durch Vindication dem Eigenthümer gerettet werden. Nicht
so, wenn dieselbe Geldsumme als Darlehen gegeben war;
denn wenn nun der redliche Empfänger insolvent wird, so
ist das Geld für den Geber verloren. Die höhere Ge-
fahr also, der sich der Geber bey dem Darlehen unter-
wirft, unabhängig von der redlichen Gesinnung des Em-
pfängers, gründet sich darauf, daß der Geber das Eigen-
thum des Geldes veräußert, also den in der Vindication
enthaltenen Schutz aufgegeben hat.

Daß in der That diese Veränderung Grund und Be-
dingung der condictio ist, läßt sich durch folgende Anwen-
dungen außer Zweifel setzen. Da wo dem Empfänger
kein Eigenthum des Geldes verschafft wird, entsteht auch
keine condictio (c). Ist der Übergang des Eigenthums

(c) L. 2 § 2 de R. C. (12. 1.).
-- Damit hängt auch der Aus-
druck aes alienum zusammen.
L. 213 § 1 de V. S. (50.
16.). "Aes alienum est, quod
nos aliis debemus;"
näm-
lich das Geld, welches aus frem-
dem Vermögen in unser Eigenthum

Beylage XIV.
zügliches Gewicht auf das Vertrauen gelegt wird, ſo muß
wohl ein Vertrauen von beſonderer Art gemeynt ſeyn;
deſſen Natur nun wird durch folgende Betrachtung klar
werden.

Wird eine Geldſumme in verſiegeltem Beutel in fremde
Verwahrung gegeben, ſo vertraut der Eigenthümer der
Redlichkeit des Andern; Dieſe aber vorausgeſetzt, kann
ihm das Schickſal des Vermögens des Empfängers gleich-
gültig ſeyn. Denn wenngleich Derſelbe verarmt, wird
noch immer der verſiegelte Beutel bey ihm gefunden, und
durch Vindication dem Eigenthümer gerettet werden. Nicht
ſo, wenn dieſelbe Geldſumme als Darlehen gegeben war;
denn wenn nun der redliche Empfänger inſolvent wird, ſo
iſt das Geld für den Geber verloren. Die höhere Ge-
fahr alſo, der ſich der Geber bey dem Darlehen unter-
wirft, unabhängig von der redlichen Geſinnung des Em-
pfängers, gründet ſich darauf, daß der Geber das Eigen-
thum des Geldes veräußert, alſo den in der Vindication
enthaltenen Schutz aufgegeben hat.

Daß in der That dieſe Veränderung Grund und Be-
dingung der condictio iſt, läßt ſich durch folgende Anwen-
dungen außer Zweifel ſetzen. Da wo dem Empfänger
kein Eigenthum des Geldes verſchafft wird, entſteht auch
keine condictio (c). Iſt der Übergang des Eigenthums

(c) L. 2 § 2 de R. C. (12. 1.).
— Damit hängt auch der Aus-
druck aes alienum zuſammen.
L. 213 § 1 de V. S. (50.
16.). „Aes alienum est, quod
nos aliis debemus;”
näm-
lich das Geld, welches aus frem-
dem Vermögen in unſer Eigenthum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0528" n="514"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">XIV.</hi></fw><lb/>
zügliches Gewicht auf das Vertrauen gelegt wird, &#x017F;o muß<lb/>
wohl ein Vertrauen von be&#x017F;onderer Art gemeynt &#x017F;eyn;<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Natur nun wird durch folgende Betrachtung klar<lb/>
werden.</p><lb/>
            <p>Wird eine Geld&#x017F;umme in ver&#x017F;iegeltem Beutel in fremde<lb/>
Verwahrung gegeben, &#x017F;o vertraut der Eigenthümer der<lb/>
Redlichkeit des Andern; Die&#x017F;e aber vorausge&#x017F;etzt, kann<lb/>
ihm das Schick&#x017F;al des Vermögens des Empfängers gleich-<lb/>
gültig &#x017F;eyn. Denn wenngleich Der&#x017F;elbe verarmt, wird<lb/>
noch immer der ver&#x017F;iegelte Beutel bey ihm gefunden, und<lb/>
durch Vindication dem Eigenthümer gerettet werden. Nicht<lb/>
&#x017F;o, wenn die&#x017F;elbe Geld&#x017F;umme als Darlehen gegeben war;<lb/>
denn wenn nun der redliche Empfänger in&#x017F;olvent wird, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t das Geld für den Geber verloren. Die höhere Ge-<lb/>
fahr al&#x017F;o, der &#x017F;ich der Geber bey dem Darlehen unter-<lb/>
wirft, unabhängig von der redlichen Ge&#x017F;innung des Em-<lb/>
pfängers, gründet &#x017F;ich darauf, daß der Geber das Eigen-<lb/>
thum des Geldes veräußert, al&#x017F;o den in der Vindication<lb/>
enthaltenen Schutz aufgegeben hat.</p><lb/>
            <p>Daß in der That <hi rendition="#g">die&#x017F;e</hi> Veränderung Grund und Be-<lb/>
dingung der <hi rendition="#aq">condictio</hi> i&#x017F;t, läßt &#x017F;ich durch folgende Anwen-<lb/>
dungen außer Zweifel &#x017F;etzen. Da wo dem Empfänger<lb/>
kein Eigenthum des Geldes ver&#x017F;chafft wird, ent&#x017F;teht auch<lb/>
keine <hi rendition="#aq">condictio</hi> <note xml:id="seg2pn_76_1" next="#seg2pn_76_2" place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2 § 2 <hi rendition="#i">de R. C.</hi></hi> (12. 1.).<lb/>
&#x2014; Damit hängt auch der Aus-<lb/>
druck <hi rendition="#aq">aes alienum</hi> zu&#x017F;ammen.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 213 § 1 <hi rendition="#i">de V. S.</hi> (50.<lb/>
16.). &#x201E;Aes alienum est, quod<lb/>
nos aliis debemus;&#x201D;</hi> näm-<lb/>
lich das Geld, welches aus frem-<lb/>
dem Vermögen in un&#x017F;er Eigenthum</note>. I&#x017F;t der Übergang des Eigenthums<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[514/0528] Beylage XIV. zügliches Gewicht auf das Vertrauen gelegt wird, ſo muß wohl ein Vertrauen von beſonderer Art gemeynt ſeyn; deſſen Natur nun wird durch folgende Betrachtung klar werden. Wird eine Geldſumme in verſiegeltem Beutel in fremde Verwahrung gegeben, ſo vertraut der Eigenthümer der Redlichkeit des Andern; Dieſe aber vorausgeſetzt, kann ihm das Schickſal des Vermögens des Empfängers gleich- gültig ſeyn. Denn wenngleich Derſelbe verarmt, wird noch immer der verſiegelte Beutel bey ihm gefunden, und durch Vindication dem Eigenthümer gerettet werden. Nicht ſo, wenn dieſelbe Geldſumme als Darlehen gegeben war; denn wenn nun der redliche Empfänger inſolvent wird, ſo iſt das Geld für den Geber verloren. Die höhere Ge- fahr alſo, der ſich der Geber bey dem Darlehen unter- wirft, unabhängig von der redlichen Geſinnung des Em- pfängers, gründet ſich darauf, daß der Geber das Eigen- thum des Geldes veräußert, alſo den in der Vindication enthaltenen Schutz aufgegeben hat. Daß in der That dieſe Veränderung Grund und Be- dingung der condictio iſt, läßt ſich durch folgende Anwen- dungen außer Zweifel ſetzen. Da wo dem Empfänger kein Eigenthum des Geldes verſchafft wird, entſteht auch keine condictio (c). Iſt der Übergang des Eigenthums (c) L. 2 § 2 de R. C. (12. 1.). — Damit hängt auch der Aus- druck aes alienum zuſammen. L. 213 § 1 de V. S. (50. 16.). „Aes alienum est, quod nos aliis debemus;” näm- lich das Geld, welches aus frem- dem Vermögen in unſer Eigenthum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/528
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/528>, abgerufen am 15.05.2024.