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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
"Si homo sit, qui post conventionem restituitur(d),
si quidem a bonae fidei possessore, puto cavendum
esse de dolo solo debere: ceteros, etiam de culpa
sua
(e): inter quos erit et bonae fidei possessor post
litem contestatam"
(f).

Der redliche Besitzer, sagt hier Ulpian, ist verpflichtet
für Dolus und Culpa einzustehen, die er nach der L. C.
begeht, der unredliche Besitzer auch für die vorher began-
genen Handlungen solcher Art. Hat aber die von dem
redlichen Besitzer vor der L. C. begangene Handlung die
Natur eines Dolus, so muß dafür allerdings auch er ein-
stehen (g). -- Diese strengere Behandlung des unredlichen

(d) post conventionem heißt,
so wie auch anderwärts, so viel
als post litis contestationem
(§ 257. u).
-- Die hier erwähnte
Restitution ist die, welche bei den
arbiträren Klagen auf die Auffor-
derung des Judex geschah. Diese
sollte nur dann genügen, wenn
Caution gestellt wurde, daß dadurch
dem Kläger eben so viel, wie au-
ßerdem durch das Urtheil, verschafft
wurde: Daher ist der Inhalt dieser
Caution zugleich ein Zeugniß für
den Inhalt des Urtheils (§ 260
Num. 1), in welchem Sinn es auch
in meiner Erklärung aufgefaßt wird.
(e) Durch den Gegensatz der
folgenden Worte ist es klar, daß
die Culpa vor und nach der L. C.
den unredlichen Besitzer verant-
wortlich machen soll.
(f) d. h. für diejenigen
Handlungen
, die er nach der
L. C. begeht, die ihn also wegen
Dolus und Culpa verantwortlich
machen sollen.
(g) Es scheint widersprechend,
daß der redliche Besitzer eines Do-
lus fähig seyn soll. Die Sache
ist aber so zu denken. Wenn er
vor der L. C. den Sclaven manu-
mittirt oder verpfändet hat, so war
das zwar damals eine ehrliche
Handlung. Wenn er sie aber jetzt,
bei der Restitution (die dadurch
unwirksam wird), verschweigt, so
macht er sich dadurch eines Dolus
schuldig; daher muß er Caution
stellen, daß dergleichen nicht vor-
gefallen sey. -- Wetzell Vindica-
tionsprozeß S. 206--211 erklärt
die Stelle willkührlich und gezwun-
gen, indem er unter andern einen
grundlosen Unterschied zwischen der
Eigenthumsklage und Erbrechts-
klage behauptet.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
„Si homo sit, qui post conventionem restituitur(d),
si quidem a bonae fidei possessore, puto cavendum
esse de dolo solo debere: ceteros, etiam de culpa
sua
(e): inter quos erit et bonae fidei possessor post
litem contestatam“
(f).

Der redliche Beſitzer, ſagt hier Ulpian, iſt verpflichtet
für Dolus und Culpa einzuſtehen, die er nach der L. C.
begeht, der unredliche Beſitzer auch für die vorher began-
genen Handlungen ſolcher Art. Hat aber die von dem
redlichen Beſitzer vor der L. C. begangene Handlung die
Natur eines Dolus, ſo muß dafür allerdings auch er ein-
ſtehen (g). — Dieſe ſtrengere Behandlung des unredlichen

(d) post conventionem heißt,
ſo wie auch anderwärts, ſo viel
als post litis contestationem
(§ 257. u).
— Die hier erwähnte
Reſtitution iſt die, welche bei den
arbiträren Klagen auf die Auffor-
derung des Judex geſchah. Dieſe
ſollte nur dann genügen, wenn
Caution geſtellt wurde, daß dadurch
dem Kläger eben ſo viel, wie au-
ßerdem durch das Urtheil, verſchafft
wurde: Daher iſt der Inhalt dieſer
Caution zugleich ein Zeugniß für
den Inhalt des Urtheils (§ 260
Num. 1), in welchem Sinn es auch
in meiner Erklärung aufgefaßt wird.
(e) Durch den Gegenſatz der
folgenden Worte iſt es klar, daß
die Culpa vor und nach der L. C.
den unredlichen Beſitzer verant-
wortlich machen ſoll.
(f) d. h. für diejenigen
Handlungen
, die er nach der
L. C. begeht, die ihn alſo wegen
Dolus und Culpa verantwortlich
machen ſollen.
(g) Es ſcheint widerſprechend,
daß der redliche Beſitzer eines Do-
lus fähig ſeyn ſoll. Die Sache
iſt aber ſo zu denken. Wenn er
vor der L. C. den Sclaven manu-
mittirt oder verpfändet hat, ſo war
das zwar damals eine ehrliche
Handlung. Wenn er ſie aber jetzt,
bei der Reſtitution (die dadurch
unwirkſam wird), verſchweigt, ſo
macht er ſich dadurch eines Dolus
ſchuldig; daher muß er Caution
ſtellen, daß dergleichen nicht vor-
gefallen ſey. — Wetzell Vindica-
tionsprozeß S. 206—211 erklärt
die Stelle willkührlich und gezwun-
gen, indem er unter andern einen
grundloſen Unterſchied zwiſchen der
Eigenthumsklage und Erbrechts-
klage behauptet.
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[168/0186] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. „Si homo sit, qui post conventionem restituitur (d), si quidem a bonae fidei possessore, puto cavendum esse de dolo solo debere: ceteros, etiam de culpa sua (e): inter quos erit et bonae fidei possessor post litem contestatam“ (f). Der redliche Beſitzer, ſagt hier Ulpian, iſt verpflichtet für Dolus und Culpa einzuſtehen, die er nach der L. C. begeht, der unredliche Beſitzer auch für die vorher began- genen Handlungen ſolcher Art. Hat aber die von dem redlichen Beſitzer vor der L. C. begangene Handlung die Natur eines Dolus, ſo muß dafür allerdings auch er ein- ſtehen (g). — Dieſe ſtrengere Behandlung des unredlichen (d) post conventionem heißt, ſo wie auch anderwärts, ſo viel als post litis contestationem (§ 257. u). — Die hier erwähnte Reſtitution iſt die, welche bei den arbiträren Klagen auf die Auffor- derung des Judex geſchah. Dieſe ſollte nur dann genügen, wenn Caution geſtellt wurde, daß dadurch dem Kläger eben ſo viel, wie au- ßerdem durch das Urtheil, verſchafft wurde: Daher iſt der Inhalt dieſer Caution zugleich ein Zeugniß für den Inhalt des Urtheils (§ 260 Num. 1), in welchem Sinn es auch in meiner Erklärung aufgefaßt wird. (e) Durch den Gegenſatz der folgenden Worte iſt es klar, daß die Culpa vor und nach der L. C. den unredlichen Beſitzer verant- wortlich machen ſoll. (f) d. h. für diejenigen Handlungen, die er nach der L. C. begeht, die ihn alſo wegen Dolus und Culpa verantwortlich machen ſollen. (g) Es ſcheint widerſprechend, daß der redliche Beſitzer eines Do- lus fähig ſeyn ſoll. Die Sache iſt aber ſo zu denken. Wenn er vor der L. C. den Sclaven manu- mittirt oder verpfändet hat, ſo war das zwar damals eine ehrliche Handlung. Wenn er ſie aber jetzt, bei der Reſtitution (die dadurch unwirkſam wird), verſchweigt, ſo macht er ſich dadurch eines Dolus ſchuldig; daher muß er Caution ſtellen, daß dergleichen nicht vor- gefallen ſey. — Wetzell Vindica- tionsprozeß S. 206—211 erklärt die Stelle willkührlich und gezwun- gen, indem er unter andern einen grundloſen Unterſchied zwiſchen der Eigenthumsklage und Erbrechts- klage behauptet.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/186>, abgerufen am 29.04.2024.