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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
schaftsklage auf das Ganze anstellen, und in Folge dieser
Klage als Erbe des ganzen Vermögens in dem Urtheil
anerkannt werden, wodurch ihm dieses Erbrecht für alle
Zukunft rechtskräftig festgestellt ist (p).

Dieses kann unter andern auf die Weise geschehen, daß
zuerst der Eine die Klage anstellt, und dann der Andere
die gleichnamige Klage als Widerklage vorbringt. In die-
sem Fall kann das Urtheil entweder dem Kläger, oder dem
Widerkläger das ganze Erbrecht zusprechen, es kann aber
auch Beide mit ihren Klagen abweisen. So ist also hier,
vermittelst der Widerklage, ein Urtheil möglich, das in dem
ursprünglichen Beklagten das Erbrecht geradezu positiv an-
erkennt, welche Möglichkeit oben bei der Eigenthumsklage
verneint werden mußte (q).

Der Grund dieses Unterschieds zwischen beiden Klagen
liegt darin, daß das Erbrecht nur an dem ganzen Vermö-
gen oder an einem aliquoten Theil des Vermögens vor-

(p) L. 15 de exc. r. j. (44. 2).
Vgl. oben § 288. a.
(q) Man könnte glauben, der-
selbe Fall könnte eintreten, wenn
Gajus ein abgegränztes Stück
eines Landguts besäße, Sejus den
abgegränzten übrigen Theil des
Landguts, Jeder aber Eigenthum des
Ganzen behauptete. Hier kann jedoch
Jeder gegen den Andern die Eigen-
thumsklage nur auf das von ihm
selbst nicht besessene Stück anstellen,
und das Urtheil entscheidet blos
über das Eigenthum an diesem
Stück, so daß also zwei von ein-
ander unabhängige Urtheile ge-
sprochen werden, jedes über einen
anderen Gegenstand. -- Ganz eben
so verhält es sich, wenn Jeder die
ideale Hälfte des Landguts besitzt.
Nun hat Jeder eine partis vin-
dicatio,
und es werden wieder
zwei unabhängige Urtheile über
juristisch verschiedene Gegenstände
gesprochen. -- In beiden Fällen
macht es auch keinen Unterschied,
wenn etwa beide Klagen als Klage
und Widerklage verbunden seyn
sollten.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
ſchaftsklage auf das Ganze anſtellen, und in Folge dieſer
Klage als Erbe des ganzen Vermögens in dem Urtheil
anerkannt werden, wodurch ihm dieſes Erbrecht für alle
Zukunft rechtskräftig feſtgeſtellt iſt (p).

Dieſes kann unter andern auf die Weiſe geſchehen, daß
zuerſt der Eine die Klage anſtellt, und dann der Andere
die gleichnamige Klage als Widerklage vorbringt. In die-
ſem Fall kann das Urtheil entweder dem Kläger, oder dem
Widerkläger das ganze Erbrecht zuſprechen, es kann aber
auch Beide mit ihren Klagen abweiſen. So iſt alſo hier,
vermittelſt der Widerklage, ein Urtheil möglich, das in dem
urſprünglichen Beklagten das Erbrecht geradezu poſitiv an-
erkennt, welche Möglichkeit oben bei der Eigenthumsklage
verneint werden mußte (q).

Der Grund dieſes Unterſchieds zwiſchen beiden Klagen
liegt darin, daß das Erbrecht nur an dem ganzen Vermö-
gen oder an einem aliquoten Theil des Vermögens vor-

(p) L. 15 de exc. r. j. (44. 2).
Vgl. oben § 288. a.
(q) Man könnte glauben, der-
ſelbe Fall könnte eintreten, wenn
Gajus ein abgegränztes Stück
eines Landguts beſäße, Sejus den
abgegränzten übrigen Theil des
Landguts, Jeder aber Eigenthum des
Ganzen behauptete. Hier kann jedoch
Jeder gegen den Andern die Eigen-
thumsklage nur auf das von ihm
ſelbſt nicht beſeſſene Stück anſtellen,
und das Urtheil entſcheidet blos
über das Eigenthum an dieſem
Stück, ſo daß alſo zwei von ein-
ander unabhängige Urtheile ge-
ſprochen werden, jedes über einen
anderen Gegenſtand. — Ganz eben
ſo verhält es ſich, wenn Jeder die
ideale Hälfte des Landguts beſitzt.
Nun hat Jeder eine partis vin-
dicatio,
und es werden wieder
zwei unabhängige Urtheile über
juriſtiſch verſchiedene Gegenſtände
geſprochen. — In beiden Fällen
macht es auch keinen Unterſchied,
wenn etwa beide Klagen als Klage
und Widerklage verbunden ſeyn
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[348/0366] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. ſchaftsklage auf das Ganze anſtellen, und in Folge dieſer Klage als Erbe des ganzen Vermögens in dem Urtheil anerkannt werden, wodurch ihm dieſes Erbrecht für alle Zukunft rechtskräftig feſtgeſtellt iſt (p). Dieſes kann unter andern auf die Weiſe geſchehen, daß zuerſt der Eine die Klage anſtellt, und dann der Andere die gleichnamige Klage als Widerklage vorbringt. In die- ſem Fall kann das Urtheil entweder dem Kläger, oder dem Widerkläger das ganze Erbrecht zuſprechen, es kann aber auch Beide mit ihren Klagen abweiſen. So iſt alſo hier, vermittelſt der Widerklage, ein Urtheil möglich, das in dem urſprünglichen Beklagten das Erbrecht geradezu poſitiv an- erkennt, welche Möglichkeit oben bei der Eigenthumsklage verneint werden mußte (q). Der Grund dieſes Unterſchieds zwiſchen beiden Klagen liegt darin, daß das Erbrecht nur an dem ganzen Vermö- gen oder an einem aliquoten Theil des Vermögens vor- (p) L. 15 de exc. r. j. (44. 2). Vgl. oben § 288. a. (q) Man könnte glauben, der- ſelbe Fall könnte eintreten, wenn Gajus ein abgegränztes Stück eines Landguts beſäße, Sejus den abgegränzten übrigen Theil des Landguts, Jeder aber Eigenthum des Ganzen behauptete. Hier kann jedoch Jeder gegen den Andern die Eigen- thumsklage nur auf das von ihm ſelbſt nicht beſeſſene Stück anſtellen, und das Urtheil entſcheidet blos über das Eigenthum an dieſem Stück, ſo daß alſo zwei von ein- ander unabhängige Urtheile ge- ſprochen werden, jedes über einen anderen Gegenſtand. — Ganz eben ſo verhält es ſich, wenn Jeder die ideale Hälfte des Landguts beſitzt. Nun hat Jeder eine partis vin- dicatio, und es werden wieder zwei unabhängige Urtheile über juriſtiſch verſchiedene Gegenſtände geſprochen. — In beiden Fällen macht es auch keinen Unterſchied, wenn etwa beide Klagen als Klage und Widerklage verbunden ſeyn ſollten.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/366>, abgerufen am 27.04.2024.