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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 295. Wirkungen der Rechtskraft.
selten die Vergleichung einer dieser Einreden mit den
anderen gute Dienste thun. Ein durchgreifender Unterschied
aber zwischen diesen drei Einreden besteht darin, daß die
exceptio pacti und jurisjurandi schon im jus gentium
anerkannt sind, welches von der exceptio rei judicatae,
als einem Institut des blos positiven Rechts, nicht be-
hauptet werden kann (§ 249. c).

Eine fernere Verwandtschaft hat diese Einrede mit der
oben abgehandelten Concurrenz der Klagen (§ 231 fg.).

Der Grundsatz der Concurrenz soll verhindern, daß der
durch eine Klage geforderte und zuerkannte Gegenstand
noch einmal gefordert werde; der Grundsatz unsrer Einrede
soll verhindern, daß der, im frühern Rechtsstreit geforderte
und abgesprochene Gegenstand ferner gefordert werde.
Insofern wird bei diesen beiden Rechtsinstituten ein gerade
entgegengesetzter früherer Erfolg vorausgesetzt. Ihre Ver-
wandtschaft aber besteht in der Voraussetzung einer ge-
wissen Identität des ersten und zweiten Rechtsstreits.
Indessen ist diese Verwandtschaft doch mehr scheinbar, als
wahr, wenn man die Einrede der Rechtskraft in ihrer
neuesten Gestalt (der positiven Function) auffaßt, indem
bei dieser die Identität eine ganz andere Bedeutung hat,
als in der Lehre von der Concurrenz. Der Grundsatz der
Concurrenz kann den Gebrauch einer neuen Klage aus-
schließen, auf deren Verhältniß zu der früheren Klage die
Einrede der Rechtskraft gar nicht anwendbar seyn würde,
und eben so kann auch umgekehrt diese Einrede eine neue

§. 295. Wirkungen der Rechtskraft.
ſelten die Vergleichung einer dieſer Einreden mit den
anderen gute Dienſte thun. Ein durchgreifender Unterſchied
aber zwiſchen dieſen drei Einreden beſteht darin, daß die
exceptio pacti und jurisjurandi ſchon im jus gentium
anerkannt ſind, welches von der exceptio rei judicatae,
als einem Inſtitut des blos poſitiven Rechts, nicht be-
hauptet werden kann (§ 249. c).

Eine fernere Verwandtſchaft hat dieſe Einrede mit der
oben abgehandelten Concurrenz der Klagen (§ 231 fg.).

Der Grundſatz der Concurrenz ſoll verhindern, daß der
durch eine Klage geforderte und zuerkannte Gegenſtand
noch einmal gefordert werde; der Grundſatz unſrer Einrede
ſoll verhindern, daß der, im frühern Rechtsſtreit geforderte
und abgeſprochene Gegenſtand ferner gefordert werde.
Inſofern wird bei dieſen beiden Rechtsinſtituten ein gerade
entgegengeſetzter früherer Erfolg vorausgeſetzt. Ihre Ver-
wandtſchaft aber beſteht in der Vorausſetzung einer ge-
wiſſen Identität des erſten und zweiten Rechtsſtreits.
Indeſſen iſt dieſe Verwandtſchaft doch mehr ſcheinbar, als
wahr, wenn man die Einrede der Rechtskraft in ihrer
neueſten Geſtalt (der poſitiven Function) auffaßt, indem
bei dieſer die Identität eine ganz andere Bedeutung hat,
als in der Lehre von der Concurrenz. Der Grundſatz der
Concurrenz kann den Gebrauch einer neuen Klage aus-
ſchließen, auf deren Verhältniß zu der früheren Klage die
Einrede der Rechtskraft gar nicht anwendbar ſeyn würde,
und eben ſo kann auch umgekehrt dieſe Einrede eine neue

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[415/0433] §. 295. Wirkungen der Rechtskraft. ſelten die Vergleichung einer dieſer Einreden mit den anderen gute Dienſte thun. Ein durchgreifender Unterſchied aber zwiſchen dieſen drei Einreden beſteht darin, daß die exceptio pacti und jurisjurandi ſchon im jus gentium anerkannt ſind, welches von der exceptio rei judicatae, als einem Inſtitut des blos poſitiven Rechts, nicht be- hauptet werden kann (§ 249. c). Eine fernere Verwandtſchaft hat dieſe Einrede mit der oben abgehandelten Concurrenz der Klagen (§ 231 fg.). Der Grundſatz der Concurrenz ſoll verhindern, daß der durch eine Klage geforderte und zuerkannte Gegenſtand noch einmal gefordert werde; der Grundſatz unſrer Einrede ſoll verhindern, daß der, im frühern Rechtsſtreit geforderte und abgeſprochene Gegenſtand ferner gefordert werde. Inſofern wird bei dieſen beiden Rechtsinſtituten ein gerade entgegengeſetzter früherer Erfolg vorausgeſetzt. Ihre Ver- wandtſchaft aber beſteht in der Vorausſetzung einer ge- wiſſen Identität des erſten und zweiten Rechtsſtreits. Indeſſen iſt dieſe Verwandtſchaft doch mehr ſcheinbar, als wahr, wenn man die Einrede der Rechtskraft in ihrer neueſten Geſtalt (der poſitiven Function) auffaßt, indem bei dieſer die Identität eine ganz andere Bedeutung hat, als in der Lehre von der Concurrenz. Der Grundſatz der Concurrenz kann den Gebrauch einer neuen Klage aus- ſchließen, auf deren Verhältniß zu der früheren Klage die Einrede der Rechtskraft gar nicht anwendbar ſeyn würde, und eben ſo kann auch umgekehrt dieſe Einrede eine neue

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/433>, abgerufen am 03.05.2024.