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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

Nach einer in früherer Zeit sehr verbreiteten Meinung
sollten alle Klagen der hier bezeichneten Art die erwähnte
besondere Natur haben. In der That kann Dieses nur
in folgenden zwei Fällen behauptet werden:

a. Wenn die rechtmäßige Geburt eines Kindes, und
die davon abhängige väterliche Gewalt, bestritten wird,
so soll das Urtheil über den von dem Vater geführten
Rechtsstreit nicht blos für die Parteien, sondern auch für
alle übrigen Familenglieder, namentlich für die Geschwister
des Kindes, die Wirkung der Rechtskraft haben (n).

b. Wenn über den Zustand eines Freigebornen zwischen
ihm und dem wirklichen Patron, oder dem einzigen Prä-
tendenten des Patronats, ein Rechtsstreit geführt wird, so
bringt dessen Entscheidung den wirklichen Zustand eines
Freigebornen oder Freigelassenen hervor, auch im Verhält-
niß zu allen fremden Personen, z. B. wenn von der
Möglichkeit einer rechtsgültigen Ehe dieser Person die
Frage entsteht, oder von der Fähigkeit derselben, in den

(n) L. 1 § 16. L. 2, L. 3 pr.
de agnosc.
(25. 3) "placet enim,
ejus rei judicem jus facere."

Durch diese Worte soll also hier
eine mehr als gewöhnlich ausge-
dehnte Wirksamkeit der Rechts-
kraft ausgedrückt werden, das jus
inter omnes,
im Gegensatz des
jus inter partes. Vgl. oben
§ 282 e. -- Anders verhält es
sich hier bei der Entscheidung durch
Eid, wobei es (für den künftigen
Rechtsstreit dritter Personen) heißt:
"veritatem esse quaerendam."
L. 3 § 2. 3 de jurej.
(12. 2),
welche Worte den Gegensatz bil-
den von: res judicata pro veri-
tate accipitur
(s. die folgende
Note). -- Die absolute Wirkung
des Urtheils gilt auch zum Nach-
theil des Vaters, z. B. bei dem,
gegen eine dritte Person angestell-
ten Interdict de liberis exhiben-
dis. L. 1 § 4 de lib. exhib.

(43. 30).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

Nach einer in früherer Zeit ſehr verbreiteten Meinung
ſollten alle Klagen der hier bezeichneten Art die erwähnte
beſondere Natur haben. In der That kann Dieſes nur
in folgenden zwei Fällen behauptet werden:

a. Wenn die rechtmäßige Geburt eines Kindes, und
die davon abhängige väterliche Gewalt, beſtritten wird,
ſo ſoll das Urtheil über den von dem Vater geführten
Rechtsſtreit nicht blos für die Parteien, ſondern auch für
alle übrigen Familenglieder, namentlich für die Geſchwiſter
des Kindes, die Wirkung der Rechtskraft haben (n).

b. Wenn über den Zuſtand eines Freigebornen zwiſchen
ihm und dem wirklichen Patron, oder dem einzigen Prä-
tendenten des Patronats, ein Rechtsſtreit geführt wird, ſo
bringt deſſen Entſcheidung den wirklichen Zuſtand eines
Freigebornen oder Freigelaſſenen hervor, auch im Verhält-
niß zu allen fremden Perſonen, z. B. wenn von der
Möglichkeit einer rechtsgültigen Ehe dieſer Perſon die
Frage entſteht, oder von der Fähigkeit derſelben, in den

(n) L. 1 § 16. L. 2, L. 3 pr.
de agnosc.
(25. 3) „placet enim,
ejus rei judicem jus facere.“

Durch dieſe Worte ſoll alſo hier
eine mehr als gewöhnlich ausge-
dehnte Wirkſamkeit der Rechts-
kraft ausgedrückt werden, das jus
inter omnes,
im Gegenſatz des
jus inter partes. Vgl. oben
§ 282 e. — Anders verhält es
ſich hier bei der Entſcheidung durch
Eid, wobei es (für den künftigen
Rechtsſtreit dritter Perſonen) heißt:
„veritatem esse quaerendam.“
L. 3 § 2. 3 de jurej.
(12. 2),
welche Worte den Gegenſatz bil-
den von: res judicata pro veri-
tate accipitur
(ſ. die folgende
Note). — Die abſolute Wirkung
des Urtheils gilt auch zum Nach-
theil des Vaters, z. B. bei dem,
gegen eine dritte Perſon angeſtell-
ten Interdict de liberis exhiben-
dis. L. 1 § 4 de lib. exhib.

(43. 30).
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[472/0490] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Nach einer in früherer Zeit ſehr verbreiteten Meinung ſollten alle Klagen der hier bezeichneten Art die erwähnte beſondere Natur haben. In der That kann Dieſes nur in folgenden zwei Fällen behauptet werden: a. Wenn die rechtmäßige Geburt eines Kindes, und die davon abhängige väterliche Gewalt, beſtritten wird, ſo ſoll das Urtheil über den von dem Vater geführten Rechtsſtreit nicht blos für die Parteien, ſondern auch für alle übrigen Familenglieder, namentlich für die Geſchwiſter des Kindes, die Wirkung der Rechtskraft haben (n). b. Wenn über den Zuſtand eines Freigebornen zwiſchen ihm und dem wirklichen Patron, oder dem einzigen Prä- tendenten des Patronats, ein Rechtsſtreit geführt wird, ſo bringt deſſen Entſcheidung den wirklichen Zuſtand eines Freigebornen oder Freigelaſſenen hervor, auch im Verhält- niß zu allen fremden Perſonen, z. B. wenn von der Möglichkeit einer rechtsgültigen Ehe dieſer Perſon die Frage entſteht, oder von der Fähigkeit derſelben, in den (n) L. 1 § 16. L. 2, L. 3 pr. de agnosc. (25. 3) „placet enim, ejus rei judicem jus facere.“ Durch dieſe Worte ſoll alſo hier eine mehr als gewöhnlich ausge- dehnte Wirkſamkeit der Rechts- kraft ausgedrückt werden, das jus inter omnes, im Gegenſatz des jus inter partes. Vgl. oben § 282 e. — Anders verhält es ſich hier bei der Entſcheidung durch Eid, wobei es (für den künftigen Rechtsſtreit dritter Perſonen) heißt: „veritatem esse quaerendam.“ L. 3 § 2. 3 de jurej. (12. 2), welche Worte den Gegenſatz bil- den von: res judicata pro veri- tate accipitur (ſ. die folgende Note). — Die abſolute Wirkung des Urtheils gilt auch zum Nach- theil des Vaters, z. B. bei dem, gegen eine dritte Perſon angeſtell- ten Interdict de liberis exhiben- dis. L. 1 § 4 de lib. exhib. (43. 30).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/490>, abgerufen am 05.05.2024.