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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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§. 314. Surrogate. II. Eid. Heutiges Recht.
der in der Leistung eines unpassenden oder unnützen Eides
liegen würde. Hierauf gründen sich folgende einzelne, vom
Römischen Recht abweichende Sätze.

Vor Allem hat der Richter freiere Macht in der Auf-
sicht auf den zugeschobenen Eid, der also nicht mehr so, wie
im Römischen Recht, durch die freie Uebereinkunft der Par-
teien bestimmt werden kann. -- Der Richter versagt ihn,
wenn nach den Umständen ein Meineid zu befürchten ist. --
Die Fassung der Eidesformel wird von dem Zuschiebenden
nur vorgeschlagen, der Gegner hat sich darüber zu erklären,
der Richter aber hat sie festzustellen. Für diese Bestimmung
findet sich ein Anhalt schon im Römischen Recht (§. 310. ee).
-- Ein Unmündiger, den das Römische Recht zur Ableistung
eines zugeschobenen Eides zuläßt, weil er dabei nur ge-
winnen, nicht verlieren kann (§ 310. h), wird jetzt nicht
mehr zugelassen. -- Der Eid vor Gefährde fällt jetzt weg
(§ 312. n).

Der außergerichtliche Eid, der ganz ohne richterliche
Aufsicht seyn würde, ist jetzt gar nicht mehr zulässig und
hat, wenn er durch die Willkür der Parteien dennoch an-
gewendet wird, nicht mehr die Wirkungen, die ihm das
Römische Recht beilegt (a). In manchen Partikulargesetzen
ist er geradezu verboten (b).


(a) S. o. § 311. 312. Mit Un-
recht wird Dieses bezweifelt von
Linde Prozeß § 301 N. 6. Nach
dem heutigen Recht also würde
aus einem solchen Privateide weder
eine Klage, noch eine Einrede
gegen den Zuschiebenden abgeleitet
werden können, obgleich dieser selbst
den Anstoß dazu gegeben hat. --
(b) So z. B. in Preußen.
Allg. L. R. II. 20 § 1425. 1426.
1429. Allg. G. O. I. 10 §. 248.

§. 314. Surrogate. II. Eid. Heutiges Recht.
der in der Leiſtung eines unpaſſenden oder unnützen Eides
liegen würde. Hierauf gründen ſich folgende einzelne, vom
Römiſchen Recht abweichende Sätze.

Vor Allem hat der Richter freiere Macht in der Auf-
ſicht auf den zugeſchobenen Eid, der alſo nicht mehr ſo, wie
im Römiſchen Recht, durch die freie Uebereinkunft der Par-
teien beſtimmt werden kann. — Der Richter verſagt ihn,
wenn nach den Umſtänden ein Meineid zu befürchten iſt. —
Die Faſſung der Eidesformel wird von dem Zuſchiebenden
nur vorgeſchlagen, der Gegner hat ſich darüber zu erklären,
der Richter aber hat ſie feſtzuſtellen. Für dieſe Beſtimmung
findet ſich ein Anhalt ſchon im Römiſchen Recht (§. 310. ee).
— Ein Unmündiger, den das Römiſche Recht zur Ableiſtung
eines zugeſchobenen Eides zuläßt, weil er dabei nur ge-
winnen, nicht verlieren kann (§ 310. h), wird jetzt nicht
mehr zugelaſſen. — Der Eid vor Gefährde fällt jetzt weg
(§ 312. n).

Der außergerichtliche Eid, der ganz ohne richterliche
Aufſicht ſeyn würde, iſt jetzt gar nicht mehr zuläſſig und
hat, wenn er durch die Willkür der Parteien dennoch an-
gewendet wird, nicht mehr die Wirkungen, die ihm das
Römiſche Recht beilegt (a). In manchen Partikulargeſetzen
iſt er geradezu verboten (b).


(a) S. o. § 311. 312. Mit Un-
recht wird Dieſes bezweifelt von
Linde Prozeß § 301 N. 6. Nach
dem heutigen Recht alſo würde
aus einem ſolchen Privateide weder
eine Klage, noch eine Einrede
gegen den Zuſchiebenden abgeleitet
werden können, obgleich dieſer ſelbſt
den Anſtoß dazu gegeben hat. —
(b) So z. B. in Preußen.
Allg. L. R. II. 20 § 1425. 1426.
1429. Allg. G. O. I. 10 §. 248.
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[85/0107] §. 314. Surrogate. II. Eid. Heutiges Recht. der in der Leiſtung eines unpaſſenden oder unnützen Eides liegen würde. Hierauf gründen ſich folgende einzelne, vom Römiſchen Recht abweichende Sätze. Vor Allem hat der Richter freiere Macht in der Auf- ſicht auf den zugeſchobenen Eid, der alſo nicht mehr ſo, wie im Römiſchen Recht, durch die freie Uebereinkunft der Par- teien beſtimmt werden kann. — Der Richter verſagt ihn, wenn nach den Umſtänden ein Meineid zu befürchten iſt. — Die Faſſung der Eidesformel wird von dem Zuſchiebenden nur vorgeſchlagen, der Gegner hat ſich darüber zu erklären, der Richter aber hat ſie feſtzuſtellen. Für dieſe Beſtimmung findet ſich ein Anhalt ſchon im Römiſchen Recht (§. 310. ee). — Ein Unmündiger, den das Römiſche Recht zur Ableiſtung eines zugeſchobenen Eides zuläßt, weil er dabei nur ge- winnen, nicht verlieren kann (§ 310. h), wird jetzt nicht mehr zugelaſſen. — Der Eid vor Gefährde fällt jetzt weg (§ 312. n). Der außergerichtliche Eid, der ganz ohne richterliche Aufſicht ſeyn würde, iſt jetzt gar nicht mehr zuläſſig und hat, wenn er durch die Willkür der Parteien dennoch an- gewendet wird, nicht mehr die Wirkungen, die ihm das Römiſche Recht beilegt (a). In manchen Partikulargeſetzen iſt er geradezu verboten (b). (a) S. o. § 311. 312. Mit Un- recht wird Dieſes bezweifelt von Linde Prozeß § 301 N. 6. Nach dem heutigen Recht alſo würde aus einem ſolchen Privateide weder eine Klage, noch eine Einrede gegen den Zuſchiebenden abgeleitet werden können, obgleich dieſer ſelbſt den Anſtoß dazu gegeben hat. — (b) So z. B. in Preußen. Allg. L. R. II. 20 § 1425. 1426. 1429. Allg. G. O. I. 10 §. 248.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/107>, abgerufen am 26.04.2024.