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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 353. Origo und domicilium. II. Domicilium.
senheit aus, noch eine künftige Abänderung, deren Vorbe-
halt vielmehr von selbst verstanden wird; es ist damit nur
gemeint, daß nicht schon jetzt die Absicht auf vorüberge-
hende Dauer vorhanden sein darf.

Das domicilium, wie die origo, begründete die Ange-
hörigkeit an eine bestimmte Stadtgemeinde, bezog sich also
stets auf ein bestimmtes Stadtgebiet (c), und umfaßte da-
her nicht nur die Bewohner der eigentlichen Stadt selbst,
sondern auch die Bewohner der zu diesem Gebiete gehören-
den Dörfer und einzelnen Höfe (coloniae) (d).

Für die Personen, die auf diesem Wege Angehörige
einer Stadtgemeine geworden waren, ist die regelmäßige
Bezeichnung: Incola (e). -- Die zwei verschiedene Gründe
aber, wodurch eine solche Angehörigkeit begründet werden
konnte (Bürgerrecht und Wohnsitz), werden durch folgende
gegensätzliche Ausdrücke unterschieden:


(c) L. 3. 5. 6 C. de incolis
(10. 39).
(d) L. 239 § 2 de V. S. (50. 16)
". . Nec tantem hi, qui in
oppido morantur, incolae sunt,
sed etiam qui alicujus oppidi
finibus ita agrum habent, ut in
eum se, quasi in aliquam sedem,
recipiant."
Scheinbar wider-
sprechen L 27 § 1 L. 35 ad mun.
(50. 1), welche dem Bewohner
einer colonia nur dann das do-
micilium
der Stadt zuschreiben
wollen, wenn er durch überwie-
genden Aufenthalt in der Stadt
auch die Vortheile und Annehm-
lichkeiten derselben genieße. Diese
Einschränkung beruht aber ohne
Zweifel nur auf einem ungenauen
Ausdruck, und geht eigentlich nicht
auf das domicilium an sich,
sondern nur auf eine einzelne
Wirkung desselben, die Theilnahme
an gewissen Arten von städtischen
Lasten. Denn daß die Bewohner
der coloniae ihren Gerichtsstand
vor den städtischen Obrigkeiten
hatten (forum domicilii), wurde
gewiß von Niemand bezweifelt.
Vgl. unten § 355. m.
(e) L. 5. 20 ad mun. (50. 1),
L. 239 § 2 de V. S.
(50. 16)

§. 353. Origo und domicilium. II. Domicilium.
ſenheit aus, noch eine künftige Abänderung, deren Vorbe-
halt vielmehr von ſelbſt verſtanden wird; es iſt damit nur
gemeint, daß nicht ſchon jetzt die Abſicht auf vorüberge-
hende Dauer vorhanden ſein darf.

Das domicilium, wie die origo, begründete die Ange-
hörigkeit an eine beſtimmte Stadtgemeinde, bezog ſich alſo
ſtets auf ein beſtimmtes Stadtgebiet (c), und umfaßte da-
her nicht nur die Bewohner der eigentlichen Stadt ſelbſt,
ſondern auch die Bewohner der zu dieſem Gebiete gehören-
den Dörfer und einzelnen Höfe (coloniae) (d).

Für die Perſonen, die auf dieſem Wege Angehörige
einer Stadtgemeine geworden waren, iſt die regelmäßige
Bezeichnung: Incola (e). — Die zwei verſchiedene Gründe
aber, wodurch eine ſolche Angehörigkeit begründet werden
konnte (Bürgerrecht und Wohnſitz), werden durch folgende
gegenſätzliche Ausdrücke unterſchieden:


(c) L. 3. 5. 6 C. de incolis
(10. 39).
(d) L. 239 § 2 de V. S. (50. 16)
„. . Nec tantem hi, qui in
oppido morantur, incolae sunt,
sed etiam qui alicujus oppidi
finibus ita agrum habent, ut in
eum se, quasi in aliquam sedem,
recipiant.“
Scheinbar wider-
ſprechen L 27 § 1 L. 35 ad mun.
(50. 1), welche dem Bewohner
einer colonia nur dann das do-
micilium
der Stadt zuſchreiben
wollen, wenn er durch überwie-
genden Aufenthalt in der Stadt
auch die Vortheile und Annehm-
lichkeiten derſelben genieße. Dieſe
Einſchränkung beruht aber ohne
Zweifel nur auf einem ungenauen
Ausdruck, und geht eigentlich nicht
auf das domicilium an ſich,
ſondern nur auf eine einzelne
Wirkung deſſelben, die Theilnahme
an gewiſſen Arten von ſtädtiſchen
Laſten. Denn daß die Bewohner
der coloniae ihren Gerichtsſtand
vor den ſtädtiſchen Obrigkeiten
hatten (forum domicilii), wurde
gewiß von Niemand bezweifelt.
Vgl. unten § 355. m.
(e) L. 5. 20 ad mun. (50. 1),
L. 239 § 2 de V. S.
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[59/0081] §. 353. Origo und domicilium. II. Domicilium. ſenheit aus, noch eine künftige Abänderung, deren Vorbe- halt vielmehr von ſelbſt verſtanden wird; es iſt damit nur gemeint, daß nicht ſchon jetzt die Abſicht auf vorüberge- hende Dauer vorhanden ſein darf. Das domicilium, wie die origo, begründete die Ange- hörigkeit an eine beſtimmte Stadtgemeinde, bezog ſich alſo ſtets auf ein beſtimmtes Stadtgebiet (c), und umfaßte da- her nicht nur die Bewohner der eigentlichen Stadt ſelbſt, ſondern auch die Bewohner der zu dieſem Gebiete gehören- den Dörfer und einzelnen Höfe (coloniae) (d). Für die Perſonen, die auf dieſem Wege Angehörige einer Stadtgemeine geworden waren, iſt die regelmäßige Bezeichnung: Incola (e). — Die zwei verſchiedene Gründe aber, wodurch eine ſolche Angehörigkeit begründet werden konnte (Bürgerrecht und Wohnſitz), werden durch folgende gegenſätzliche Ausdrücke unterſchieden: (c) L. 3. 5. 6 C. de incolis (10. 39). (d) L. 239 § 2 de V. S. (50. 16) „. . Nec tantem hi, qui in oppido morantur, incolae sunt, sed etiam qui alicujus oppidi finibus ita agrum habent, ut in eum se, quasi in aliquam sedem, recipiant.“ Scheinbar wider- ſprechen L 27 § 1 L. 35 ad mun. (50. 1), welche dem Bewohner einer colonia nur dann das do- micilium der Stadt zuſchreiben wollen, wenn er durch überwie- genden Aufenthalt in der Stadt auch die Vortheile und Annehm- lichkeiten derſelben genieße. Dieſe Einſchränkung beruht aber ohne Zweifel nur auf einem ungenauen Ausdruck, und geht eigentlich nicht auf das domicilium an ſich, ſondern nur auf eine einzelne Wirkung deſſelben, die Theilnahme an gewiſſen Arten von ſtädtiſchen Laſten. Denn daß die Bewohner der coloniae ihren Gerichtsſtand vor den ſtädtiſchen Obrigkeiten hatten (forum domicilii), wurde gewiß von Niemand bezweifelt. Vgl. unten § 355. m. (e) L. 5. 20 ad mun. (50. 1), L. 239 § 2 de V. S. (50. 16)

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/81>, abgerufen am 30.04.2024.