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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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Inhalt und Charakter, in der äussern Natur ihren natürlichen Erklärer und Begleiter, während die maurerischen Feste und Aufnahmen nunmehr ganz von der Natur losgerissen, gar kein Naturdienst mehr, sondern blosse dem alten Naturdienste entlehnte Symbole des Reingeistigen und Reinethischen, daher schwerer verständlich und vieldeutiger sind. Auch bei den Griechen hatte der Naturdienst stets mehr, wenigstens bei den Gebildeten, seine natürliche und ursprüngliche Bedeutung abgelegt, war als solcher nach und nach vollständig abgeschwächt und abgestorben und durch geistige und ethische Ideen verdrängt worden. Das Christenthum hätte bei den Griechen und Römern, in dem römischen Reiche niemals aufkommen und durchdringen können, wenn nicht bereits die alten eigentlichen Naturreligionen in sich zusammengebrochen und ein neues geistiges und ethisches Reich vorbereitet gewesen wäre. Das Christenthum trat unter den Juden in dem römischen Reiche hervor, als seine Zeit gekommen und vorbereitet war, nur als der letzte kühne und geistigste, vollkommenste und volks- oder vielmehr menschheitsgemässeste Ausspruch und Ausdruck des damaligen Zeit- und Weltgeistes. Geschichtlich wird das Entstehen des Christenthums aber immer in ein gewisses Dunkel eingehüllt bleiben, weil zu seinem Entstehen wesentlich die alten Mysterien mit dem Bunde der Pythagoräer, Essäer und Therapeuten, die eleusinischen Geheimnisse und die Mithramysterien beigetragen hatten und wir von allen diesen Mysterien, weil es eben Mysterien waren, kaum mehr als den Namen und durchaus nur das Aeussere, das Exoterische, keineswegs die innere Lehre, das Esoterische, wissen. Der Dionysosdienst und die Dionysosmythe des Volkes war namentlich dem Pythagoras und den an ihn sich anlehnenden oder von ihm ausgegangenen höhern orphischen Mysterien nur der äussere Anknüpfungspunkt, der förmliche Deckmantel, unter welchem die geistigere und freiere Lehre, besonders auch die Lehre der praktischen Moral verborgen wurde. Nach den sogenannten sieben Weisen, von welchen bei den Griechen die Spruchweisheit geschaffen wurde, war Pythagoras der erste griechische Lehrer der praktischen Moral, der Lebensweisheit,

Inhalt und Charakter, in der äussern Natur ihren natürlichen Erklärer und Begleiter, während die maurerischen Feste und Aufnahmen nunmehr ganz von der Natur losgerissen, gar kein Naturdienst mehr, sondern blosse dem alten Naturdienste entlehnte Symbole des Reingeistigen und Reinethischen, daher schwerer verständlich und vieldeutiger sind. Auch bei den Griechen hatte der Naturdienst stets mehr, wenigstens bei den Gebildeten, seine natürliche und ursprüngliche Bedeutung abgelegt, war als solcher nach und nach vollständig abgeschwächt und abgestorben und durch geistige und ethische Ideen verdrängt worden. Das Christenthum hätte bei den Griechen und Römern, in dem römischen Reiche niemals aufkommen und durchdringen können, wenn nicht bereits die alten eigentlichen Naturreligionen in sich zusammengebrochen und ein neues geistiges und ethisches Reich vorbereitet gewesen wäre. Das Christenthum trat unter den Juden in dem römischen Reiche hervor, als seine Zeit gekommen und vorbereitet war, nur als der letzte kühne und geistigste, vollkommenste und volks- oder vielmehr menschheitsgemässeste Ausspruch und Ausdruck des damaligen Zeit- und Weltgeistes. Geschichtlich wird das Entstehen des Christenthums aber immer in ein gewisses Dunkel eingehüllt bleiben, weil zu seinem Entstehen wesentlich die alten Mysterien mit dem Bunde der Pythagoräer, Essäer und Therapeuten, die eleusinischen Geheimnisse und die Mithramysterien beigetragen hatten und wir von allen diesen Mysterien, weil es eben Mysterien waren, kaum mehr als den Namen und durchaus nur das Aeussere, das Exoterische, keineswegs die innere Lehre, das Esoterische, wissen. Der Dionysosdienst und die Dionysosmythe des Volkes war namentlich dem Pythagoras und den an ihn sich anlehnenden oder von ihm ausgegangenen höhern orphischen Mysterien nur der äussere Anknüpfungspunkt, der förmliche Deckmantel, unter welchem die geistigere und freiere Lehre, besonders auch die Lehre der praktischen Moral verborgen wurde. Nach den sogenannten sieben Weisen, von welchen bei den Griechen die Spruchweisheit geschaffen wurde, war Pythagoras der erste griechische Lehrer der praktischen Moral, der Lebensweisheit,

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 Inhalt und Charakter, in der äussern Natur ihren natürlichen Erklärer und Begleiter, während die maurerischen Feste und Aufnahmen nunmehr ganz von der Natur losgerissen, gar kein Naturdienst mehr, sondern blosse dem alten Naturdienste entlehnte Symbole des Reingeistigen und Reinethischen, daher schwerer verständlich und vieldeutiger sind. Auch bei den Griechen hatte der Naturdienst stets mehr, wenigstens bei den Gebildeten, seine natürliche und ursprüngliche Bedeutung abgelegt, war als solcher nach und nach vollständig abgeschwächt und abgestorben und durch geistige und ethische Ideen verdrängt worden. Das Christenthum hätte bei den Griechen und Römern, in dem römischen Reiche niemals aufkommen und durchdringen können, wenn nicht bereits die alten eigentlichen Naturreligionen in sich zusammengebrochen und ein neues geistiges und ethisches Reich vorbereitet gewesen wäre. Das Christenthum trat unter den Juden in dem römischen Reiche hervor, als seine Zeit gekommen und vorbereitet war, nur als der letzte kühne und geistigste, vollkommenste und volks- oder vielmehr menschheitsgemässeste Ausspruch und Ausdruck des damaligen Zeit- und Weltgeistes. Geschichtlich wird das Entstehen des Christenthums aber immer in ein gewisses Dunkel eingehüllt bleiben, weil zu seinem Entstehen wesentlich die alten Mysterien mit dem Bunde der Pythagoräer, Essäer und Therapeuten, die eleusinischen Geheimnisse und die Mithramysterien beigetragen hatten und wir von allen diesen Mysterien, weil es eben Mysterien waren, kaum mehr als den Namen und durchaus nur das Aeussere, das Exoterische, keineswegs die innere Lehre, das Esoterische, wissen. Der Dionysosdienst und die Dionysosmythe des Volkes war namentlich dem Pythagoras und den an ihn sich anlehnenden oder von ihm ausgegangenen höhern orphischen Mysterien nur der äussere Anknüpfungspunkt, der förmliche Deckmantel, unter welchem die geistigere und freiere Lehre, besonders auch die Lehre der praktischen Moral verborgen wurde. Nach den sogenannten sieben Weisen, von welchen bei den Griechen die Spruchweisheit geschaffen wurde, war Pythagoras der erste griechische Lehrer der praktischen Moral, der Lebensweisheit,
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[562/0582] Inhalt und Charakter, in der äussern Natur ihren natürlichen Erklärer und Begleiter, während die maurerischen Feste und Aufnahmen nunmehr ganz von der Natur losgerissen, gar kein Naturdienst mehr, sondern blosse dem alten Naturdienste entlehnte Symbole des Reingeistigen und Reinethischen, daher schwerer verständlich und vieldeutiger sind. Auch bei den Griechen hatte der Naturdienst stets mehr, wenigstens bei den Gebildeten, seine natürliche und ursprüngliche Bedeutung abgelegt, war als solcher nach und nach vollständig abgeschwächt und abgestorben und durch geistige und ethische Ideen verdrängt worden. Das Christenthum hätte bei den Griechen und Römern, in dem römischen Reiche niemals aufkommen und durchdringen können, wenn nicht bereits die alten eigentlichen Naturreligionen in sich zusammengebrochen und ein neues geistiges und ethisches Reich vorbereitet gewesen wäre. Das Christenthum trat unter den Juden in dem römischen Reiche hervor, als seine Zeit gekommen und vorbereitet war, nur als der letzte kühne und geistigste, vollkommenste und volks- oder vielmehr menschheitsgemässeste Ausspruch und Ausdruck des damaligen Zeit- und Weltgeistes. Geschichtlich wird das Entstehen des Christenthums aber immer in ein gewisses Dunkel eingehüllt bleiben, weil zu seinem Entstehen wesentlich die alten Mysterien mit dem Bunde der Pythagoräer, Essäer und Therapeuten, die eleusinischen Geheimnisse und die Mithramysterien beigetragen hatten und wir von allen diesen Mysterien, weil es eben Mysterien waren, kaum mehr als den Namen und durchaus nur das Aeussere, das Exoterische, keineswegs die innere Lehre, das Esoterische, wissen. Der Dionysosdienst und die Dionysosmythe des Volkes war namentlich dem Pythagoras und den an ihn sich anlehnenden oder von ihm ausgegangenen höhern orphischen Mysterien nur der äussere Anknüpfungspunkt, der förmliche Deckmantel, unter welchem die geistigere und freiere Lehre, besonders auch die Lehre der praktischen Moral verborgen wurde. Nach den sogenannten sieben Weisen, von welchen bei den Griechen die Spruchweisheit geschaffen wurde, war Pythagoras der erste griechische Lehrer der praktischen Moral, der Lebensweisheit,

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/582>, abgerufen am 06.05.2024.