Die Freude sollen die Kutten nicht erleben, dachte er, daß vor ihrem Klosterwein eines herzoglichen Dienstmannes Zunge stille steht! Er stand fest auf den Füßen.
Halt an, sprach der Abt, des Abschieds Minne!
Da kam der vierte Krug. Herr Spazzo war zwar aufgestanden, aber zwischen Aufstehen und Fortgehen kann sich noch Vieles zutragen. Er trank wieder. Wie er seinen Pocal absetzen wollte, stellte er ihn bedächtig in die blaue Luft hinein, daß er auf die Steinplatten des Fußbodens fiel und zerschellte. Da ward Herr Spazzo grimmig. Ver- schiedenes rauchte und rauschte ihm durch den Sinn.
Wo habt Ihr ihn? fuhr er den Abt an.
Wen?
Den Klostermaier! Gebt ihn heraus, den groben Bauer, der mein Taufpathenkind hat umbringen wollen! Er ging drohend auf den Abt los. Nur einen einzigen Fehltritt that er.
Der sitzt auf dem Schlangenhofe, sprach der Abt lächelnd. Er sei Euch ausgeliefert. Ihr müßt aber selber ausziehen und ihn holen.
Mord und Weltbrand! wir werden ihn holen, polterte Herr Spazzo und schlug an's Schwert, indem er nach der Thüre schritt. Aus dem Bett werden wir ihn greifen, den Bärenhäuter, und wenn er gegriffen ist, beim Tornister des heiligen Gallus! wenn er ... dann ... sag' ich Euch ...
Die Rede kam nimmer zum Schluß. Die Sprache stand ihm still wie die Sonne in der Amorrhiter Schlacht, da Josua ihr gebot.
Er griff nach des Abtes Becher und trank ihn leer.
Die Sprache kam nicht wieder. Ein süßes Lächeln lagerte sich auf des Kämmerers Lippen. Er schritt auf den Abt zu und um- armte ihn.
Freund und Bruder! vielgeliebter alter Steinkrug! wie wär's, wenn ich Euch ein Aug' ausstäche? wollte er mit kämpfender Zunge zu ihm sagen; es gelang ihm nimmer, verständlich zu sein. Er preßte den Abt fest und trat ihm dabei mit dem bespornten Stiefel auf den Fuß. Abt Wazmann hatte bereits den Gedanken überlegt, ob er dem Erschöpften ein Nachtlager wolle anweisen, die Umarmung und der Schmerz seiner Zehen änderte ihm den Sinn, er sorgte, daß des Käm- merers Rückzug beginne.
Die Freude ſollen die Kutten nicht erleben, dachte er, daß vor ihrem Kloſterwein eines herzoglichen Dienſtmannes Zunge ſtille ſteht! Er ſtand feſt auf den Füßen.
Halt an, ſprach der Abt, des Abſchieds Minne!
Da kam der vierte Krug. Herr Spazzo war zwar aufgeſtanden, aber zwiſchen Aufſtehen und Fortgehen kann ſich noch Vieles zutragen. Er trank wieder. Wie er ſeinen Pocal abſetzen wollte, ſtellte er ihn bedächtig in die blaue Luft hinein, daß er auf die Steinplatten des Fußbodens fiel und zerſchellte. Da ward Herr Spazzo grimmig. Ver- ſchiedenes rauchte und rauſchte ihm durch den Sinn.
Wo habt Ihr ihn? fuhr er den Abt an.
Wen?
Den Kloſtermaier! Gebt ihn heraus, den groben Bauer, der mein Taufpathenkind hat umbringen wollen! Er ging drohend auf den Abt los. Nur einen einzigen Fehltritt that er.
Der ſitzt auf dem Schlangenhofe, ſprach der Abt lächelnd. Er ſei Euch ausgeliefert. Ihr müßt aber ſelber ausziehen und ihn holen.
Mord und Weltbrand! wir werden ihn holen, polterte Herr Spazzo und ſchlug an's Schwert, indem er nach der Thüre ſchritt. Aus dem Bett werden wir ihn greifen, den Bärenhäuter, und wenn er gegriffen iſt, beim Torniſter des heiligen Gallus! wenn er ... dann ... ſag' ich Euch ...
Die Rede kam nimmer zum Schluß. Die Sprache ſtand ihm ſtill wie die Sonne in der Amorrhiter Schlacht, da Joſua ihr gebot.
Er griff nach des Abtes Becher und trank ihn leer.
Die Sprache kam nicht wieder. Ein ſüßes Lächeln lagerte ſich auf des Kämmerers Lippen. Er ſchritt auf den Abt zu und um- armte ihn.
Freund und Bruder! vielgeliebter alter Steinkrug! wie wär's, wenn ich Euch ein Aug' ausſtäche? wollte er mit kämpfender Zunge zu ihm ſagen; es gelang ihm nimmer, verſtändlich zu ſein. Er preßte den Abt feſt und trat ihm dabei mit dem beſpornten Stiefel auf den Fuß. Abt Wazmann hatte bereits den Gedanken überlegt, ob er dem Erſchöpften ein Nachtlager wolle anweiſen, die Umarmung und der Schmerz ſeiner Zehen änderte ihm den Sinn, er ſorgte, daß des Käm- merers Rückzug beginne.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0285"n="263"/><p>Die Freude ſollen die Kutten nicht erleben, dachte er, daß vor<lb/>
ihrem Kloſterwein eines herzoglichen Dienſtmannes Zunge ſtille ſteht!<lb/>
Er ſtand feſt auf den Füßen.</p><lb/><p>Halt an, ſprach der Abt, des Abſchieds Minne!</p><lb/><p>Da kam der vierte Krug. Herr Spazzo war zwar aufgeſtanden,<lb/>
aber zwiſchen Aufſtehen und Fortgehen kann ſich noch Vieles zutragen.<lb/>
Er trank wieder. Wie er ſeinen Pocal abſetzen wollte, ſtellte er ihn<lb/>
bedächtig in die blaue Luft hinein, daß er auf die Steinplatten des<lb/>
Fußbodens fiel und zerſchellte. Da ward Herr Spazzo grimmig. Ver-<lb/>ſchiedenes rauchte und rauſchte ihm durch den Sinn.</p><lb/><p>Wo habt Ihr ihn? fuhr er den Abt an.</p><lb/><p>Wen?</p><lb/><p>Den Kloſtermaier! Gebt ihn heraus, den groben Bauer, der mein<lb/>
Taufpathenkind hat umbringen wollen! Er ging drohend auf den<lb/>
Abt los. Nur einen einzigen Fehltritt that er.</p><lb/><p>Der ſitzt auf dem Schlangenhofe, ſprach der Abt lächelnd. Er<lb/>ſei Euch ausgeliefert. Ihr müßt aber ſelber ausziehen und ihn holen.</p><lb/><p>Mord und Weltbrand! wir werden ihn holen, polterte Herr Spazzo<lb/>
und ſchlug an's Schwert, indem er nach der Thüre ſchritt. Aus dem<lb/>
Bett werden wir ihn greifen, den Bärenhäuter, und wenn er gegriffen<lb/>
iſt, beim Torniſter des heiligen Gallus! wenn er ... dann ... ſag'<lb/>
ich Euch ...</p><lb/><p>Die Rede kam nimmer zum Schluß. Die Sprache ſtand ihm<lb/>ſtill wie die Sonne in der Amorrhiter Schlacht, da Joſua ihr gebot.</p><lb/><p>Er griff nach des Abtes Becher und trank ihn leer.</p><lb/><p>Die Sprache kam nicht wieder. Ein ſüßes Lächeln lagerte ſich<lb/>
auf des Kämmerers Lippen. Er ſchritt auf den Abt zu und um-<lb/>
armte ihn.</p><lb/><p>Freund und Bruder! vielgeliebter alter Steinkrug! wie wär's,<lb/>
wenn ich Euch ein Aug' ausſtäche? wollte er mit kämpfender Zunge<lb/>
zu ihm ſagen; es gelang ihm nimmer, verſtändlich zu ſein. Er preßte<lb/>
den Abt feſt und trat ihm dabei mit dem beſpornten Stiefel auf den<lb/>
Fuß. Abt Wazmann hatte bereits den Gedanken überlegt, ob er dem<lb/>
Erſchöpften ein Nachtlager wolle anweiſen, die Umarmung und der<lb/>
Schmerz ſeiner Zehen änderte ihm den Sinn, er ſorgte, daß des Käm-<lb/>
merers Rückzug beginne.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[263/0285]
Die Freude ſollen die Kutten nicht erleben, dachte er, daß vor
ihrem Kloſterwein eines herzoglichen Dienſtmannes Zunge ſtille ſteht!
Er ſtand feſt auf den Füßen.
Halt an, ſprach der Abt, des Abſchieds Minne!
Da kam der vierte Krug. Herr Spazzo war zwar aufgeſtanden,
aber zwiſchen Aufſtehen und Fortgehen kann ſich noch Vieles zutragen.
Er trank wieder. Wie er ſeinen Pocal abſetzen wollte, ſtellte er ihn
bedächtig in die blaue Luft hinein, daß er auf die Steinplatten des
Fußbodens fiel und zerſchellte. Da ward Herr Spazzo grimmig. Ver-
ſchiedenes rauchte und rauſchte ihm durch den Sinn.
Wo habt Ihr ihn? fuhr er den Abt an.
Wen?
Den Kloſtermaier! Gebt ihn heraus, den groben Bauer, der mein
Taufpathenkind hat umbringen wollen! Er ging drohend auf den
Abt los. Nur einen einzigen Fehltritt that er.
Der ſitzt auf dem Schlangenhofe, ſprach der Abt lächelnd. Er
ſei Euch ausgeliefert. Ihr müßt aber ſelber ausziehen und ihn holen.
Mord und Weltbrand! wir werden ihn holen, polterte Herr Spazzo
und ſchlug an's Schwert, indem er nach der Thüre ſchritt. Aus dem
Bett werden wir ihn greifen, den Bärenhäuter, und wenn er gegriffen
iſt, beim Torniſter des heiligen Gallus! wenn er ... dann ... ſag'
ich Euch ...
Die Rede kam nimmer zum Schluß. Die Sprache ſtand ihm
ſtill wie die Sonne in der Amorrhiter Schlacht, da Joſua ihr gebot.
Er griff nach des Abtes Becher und trank ihn leer.
Die Sprache kam nicht wieder. Ein ſüßes Lächeln lagerte ſich
auf des Kämmerers Lippen. Er ſchritt auf den Abt zu und um-
armte ihn.
Freund und Bruder! vielgeliebter alter Steinkrug! wie wär's,
wenn ich Euch ein Aug' ausſtäche? wollte er mit kämpfender Zunge
zu ihm ſagen; es gelang ihm nimmer, verſtändlich zu ſein. Er preßte
den Abt feſt und trat ihm dabei mit dem beſpornten Stiefel auf den
Fuß. Abt Wazmann hatte bereits den Gedanken überlegt, ob er dem
Erſchöpften ein Nachtlager wolle anweiſen, die Umarmung und der
Schmerz ſeiner Zehen änderte ihm den Sinn, er ſorgte, daß des Käm-
merers Rückzug beginne.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/285>, abgerufen am 27.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.