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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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der Heerschaaren, der den Blitz vom Himmel schmetternd niederfahren
heißt und die klaffenden Abgründe der Tiefe aufthut, wenn die Stunde
der Erfüllung gekommen.

Mit erlesenen Beispielen ruhmreicher Kämpfe feuerte dann Ekke-
hard seine Zuhörer an, und manche Faust preßte den Speer und
mancher Fuß hob sich ungeduldig zum Abzug, wie er von Josua's
Heerzug sprach, der unter des Herren Schirm ein und dreißig Könige
schlug, in der Landmark jenseits des Jordan, -- und von Gideon,
der beim Schall der Posaunen in's Lager der Midianiter brach und
sie jagte bis Bethseda und Tebbath -- uud vom Ausfall der Männer
von Bethulia, die nach Judith's ruhmreicher That die Assyrer schlugen
mit der Schärfe des Schwerts.

Zum Schluß aber rief er, was Judas der Maccabäer zu
seinem Volk gerufen, da sie bei Emaus ihr Lager schlugen wider
des Antiochus Heer: Umgürtet euch d'rum und seid tapfere Männer
und seid bereit gegen den Morgen früh wider die Völker zu streiten, die
heranziehen unser Heiligthum auszutilgen, denn es ist uns besser, im
Streit umzukommen, als das Elend sehen an unserm Heiligthum --
Amen!

Eines Augenblickes Länge blieb's still, wie er geendet; dann hob
sich ein Klirren und Klingen, sie schlugen Schwert und Schild aneinand,
hoben die Speere hoch und schwenkten die Feldzeichen -- alte Sitte
freudiger Zustimmung. Amen! scholl es tönend durch die Reihen,
dann neigten sie die Kniee, das Hochamt ging zu Ende; schauerlich
klangen die hölzernen Klappern statt des üblichen Glockentones zur
Feier. Wer sich noch nicht in österlicher Andacht mit dem Leib des
Herrn gestärkt, trat vor zum Altar, ihn zu empfangen. Da rief's
vom Thurm: Waffen! Waffen! Feindio!183) -- Vom See kommt's
schwarz herangezogen, Roß und Reiter, Feindio! -- itzt war kein
Halt mehr und keine Ruhe, sie stürmten nach dem Thor, wie vom
Geist getrieben; kaum mochte Abt Wazmann den Segen ertheilen.

So stürmt in unsern Tagen der wendische Fischer aus der Sonn-
tagskirche die am rügianischen Dünengestad sein Geistlicher hält, zur
Zeit wo des Härings Heersäulen im Anzug sind: Der Fisch kommt!
ruft die Schildwache am sandweißen Ufer, da wogt's und rennt's
nach den Barken, verlassen steht der Prediger und schaut in's Getüm-

der Heerſchaaren, der den Blitz vom Himmel ſchmetternd niederfahren
heißt und die klaffenden Abgründe der Tiefe aufthut, wenn die Stunde
der Erfüllung gekommen.

Mit erleſenen Beiſpielen ruhmreicher Kämpfe feuerte dann Ekke-
hard ſeine Zuhörer an, und manche Fauſt preßte den Speer und
mancher Fuß hob ſich ungeduldig zum Abzug, wie er von Joſua's
Heerzug ſprach, der unter des Herren Schirm ein und dreißig Könige
ſchlug, in der Landmark jenſeits des Jordan, — und von Gideon,
der beim Schall der Poſaunen in's Lager der Midianiter brach und
ſie jagte bis Bethſeda und Tebbath — uud vom Ausfall der Männer
von Bethulia, die nach Judith's ruhmreicher That die Aſſyrer ſchlugen
mit der Schärfe des Schwerts.

Zum Schluß aber rief er, was Judas der Maccabäer zu
ſeinem Volk gerufen, da ſie bei Emaus ihr Lager ſchlugen wider
des Antiochus Heer: Umgürtet euch d'rum und ſeid tapfere Männer
und ſeid bereit gegen den Morgen früh wider die Völker zu ſtreiten, die
heranziehen unſer Heiligthum auszutilgen, denn es iſt uns beſſer, im
Streit umzukommen, als das Elend ſehen an unſerm Heiligthum —
Amen!

Eines Augenblickes Länge blieb's ſtill, wie er geendet; dann hob
ſich ein Klirren und Klingen, ſie ſchlugen Schwert und Schild aneinand,
hoben die Speere hoch und ſchwenkten die Feldzeichen — alte Sitte
freudiger Zuſtimmung. Amen! ſcholl es tönend durch die Reihen,
dann neigten ſie die Kniee, das Hochamt ging zu Ende; ſchauerlich
klangen die hölzernen Klappern ſtatt des üblichen Glockentones zur
Feier. Wer ſich noch nicht in öſterlicher Andacht mit dem Leib des
Herrn geſtärkt, trat vor zum Altar, ihn zu empfangen. Da rief's
vom Thurm: Waffen! Waffen! Feindio!183) — Vom See kommt's
ſchwarz herangezogen, Roß und Reiter, Feindio! — itzt war kein
Halt mehr und keine Ruhe, ſie ſtürmten nach dem Thor, wie vom
Geiſt getrieben; kaum mochte Abt Wazmann den Segen ertheilen.

So ſtürmt in unſern Tagen der wendiſche Fiſcher aus der Sonn-
tagskirche die am rügianiſchen Dünengeſtad ſein Geiſtlicher hält, zur
Zeit wo des Härings Heerſäulen im Anzug ſind: Der Fiſch kommt!
ruft die Schildwache am ſandweißen Ufer, da wogt's und rennt's
nach den Barken, verlaſſen ſteht der Prediger und ſchaut in's Getüm-

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[184/0206] der Heerſchaaren, der den Blitz vom Himmel ſchmetternd niederfahren heißt und die klaffenden Abgründe der Tiefe aufthut, wenn die Stunde der Erfüllung gekommen. Mit erleſenen Beiſpielen ruhmreicher Kämpfe feuerte dann Ekke- hard ſeine Zuhörer an, und manche Fauſt preßte den Speer und mancher Fuß hob ſich ungeduldig zum Abzug, wie er von Joſua's Heerzug ſprach, der unter des Herren Schirm ein und dreißig Könige ſchlug, in der Landmark jenſeits des Jordan, — und von Gideon, der beim Schall der Poſaunen in's Lager der Midianiter brach und ſie jagte bis Bethſeda und Tebbath — uud vom Ausfall der Männer von Bethulia, die nach Judith's ruhmreicher That die Aſſyrer ſchlugen mit der Schärfe des Schwerts. Zum Schluß aber rief er, was Judas der Maccabäer zu ſeinem Volk gerufen, da ſie bei Emaus ihr Lager ſchlugen wider des Antiochus Heer: Umgürtet euch d'rum und ſeid tapfere Männer und ſeid bereit gegen den Morgen früh wider die Völker zu ſtreiten, die heranziehen unſer Heiligthum auszutilgen, denn es iſt uns beſſer, im Streit umzukommen, als das Elend ſehen an unſerm Heiligthum — Amen! Eines Augenblickes Länge blieb's ſtill, wie er geendet; dann hob ſich ein Klirren und Klingen, ſie ſchlugen Schwert und Schild aneinand, hoben die Speere hoch und ſchwenkten die Feldzeichen — alte Sitte freudiger Zuſtimmung. Amen! ſcholl es tönend durch die Reihen, dann neigten ſie die Kniee, das Hochamt ging zu Ende; ſchauerlich klangen die hölzernen Klappern ſtatt des üblichen Glockentones zur Feier. Wer ſich noch nicht in öſterlicher Andacht mit dem Leib des Herrn geſtärkt, trat vor zum Altar, ihn zu empfangen. Da rief's vom Thurm: Waffen! Waffen! Feindio! ¹⁸³⁾ — Vom See kommt's ſchwarz herangezogen, Roß und Reiter, Feindio! — itzt war kein Halt mehr und keine Ruhe, ſie ſtürmten nach dem Thor, wie vom Geiſt getrieben; kaum mochte Abt Wazmann den Segen ertheilen. So ſtürmt in unſern Tagen der wendiſche Fiſcher aus der Sonn- tagskirche die am rügianiſchen Dünengeſtad ſein Geiſtlicher hält, zur Zeit wo des Härings Heerſäulen im Anzug ſind: Der Fiſch kommt! ruft die Schildwache am ſandweißen Ufer, da wogt's und rennt's nach den Barken, verlaſſen ſteht der Prediger und ſchaut in's Getüm-

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/206>, abgerufen am 28.04.2024.