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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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mel, da schneidet auch er der Andacht Faden ab und greift seine Netze
und eilt zum Schifflein, die Schuppenträger zu bekriegen ...

Schlachtfroh rückten sie aus dem Hofe, in jedem Herzen jene
Mark und Fibern schwellende Spannung, daß es einem großen Augen-
blick entgegengehe. Und waren der Mönche von Sanct Gallen vier-
undsechzig, derer von Reichenau neunzig und an Heerbannleuten mehr
denn fünfhundert. Beim Feldzeichen der Sanct Gallischen Brüder
schritt Ekkehard; es war ein florverhüllt Crucifix mit schwarzen Wim-
peln, da des Klosters Banner zurückgeblieben. Auf dem Söller der
Burg stand die Herzogin und ließ ein weißes Tuch in die Lüfte wehen.
Ekkehard wandte sich nach ihr, aber ihr Blick mied den seinen und der
Abschiedsgruß galt nicht ihm.

An's untere Burgthor hatten dienende Brüder den Sarg mit des
heiligen Marcus Gebein getragen: Wer immer vorüberschritt, berührte
ihn mit Schwert und Lanzenspitze, dann ging's schweren Tritts den
Burgweg hinab.

In der weiten Ebene, die sich nach dem See hinstreckt, ordnete
Simon Bardo die Schaaren seiner Streiter. Hei! wie wohlig war's
dem alten Feldhauptmann, daß statt der Kutte wieder der gewohnte
Panzer sich um die narbenbedeckte Brust schmiegte. In fremdartig
geformter spitz zugehender Stahlkappe kam er geritten, sein breiter
edelsteingeschmückter Gürtel und der güldene Knauf des Schwertes
zeigten den ehemaligen Heerführer.

Ihr leset die Alten der Grammatica halber, hatte er zu den Aebten
gesagt, die hoch zu Roß bei ihm hielten, ich hab' mein Handwerk von
ihnen gelernt. Mit Frontinus und Vegetius guten Rathschlägen läßt
sich noch heutigen Tages was ausrichten. Für den Anfang soll's heut
mit der Schlachtordnung der römischen Legionen erprobt sein, dabei
läßt sich am besten abwarten, wie sich der Feind zu erkennen gibt.
Wir können dann noch immer thun wie wir wollen, die Sache geht
nicht in einer halben Stunde zu End'.

Er hieß die leichte Mannschaft der Bogenschützen und Schleuderer
vorausrücken; sie sollten den Waldsaum besetzen, vom Tannendickigt
gegen Reiterangriff geschützt. Zielt nieder! sprach er, wenn ihr auch
statt des Mannes das Roß trefft, 's ist immer Etwas!

mel, da ſchneidet auch er der Andacht Faden ab und greift ſeine Netze
und eilt zum Schifflein, die Schuppenträger zu bekriegen ...

Schlachtfroh rückten ſie aus dem Hofe, in jedem Herzen jene
Mark und Fibern ſchwellende Spannung, daß es einem großen Augen-
blick entgegengehe. Und waren der Mönche von Sanct Gallen vier-
undſechzig, derer von Reichenau neunzig und an Heerbannleuten mehr
denn fünfhundert. Beim Feldzeichen der Sanct Galliſchen Brüder
ſchritt Ekkehard; es war ein florverhüllt Crucifix mit ſchwarzen Wim-
peln, da des Kloſters Banner zurückgeblieben. Auf dem Söller der
Burg ſtand die Herzogin und ließ ein weißes Tuch in die Lüfte wehen.
Ekkehard wandte ſich nach ihr, aber ihr Blick mied den ſeinen und der
Abſchiedsgruß galt nicht ihm.

An's untere Burgthor hatten dienende Brüder den Sarg mit des
heiligen Marcus Gebein getragen: Wer immer vorüberſchritt, berührte
ihn mit Schwert und Lanzenſpitze, dann ging's ſchweren Tritts den
Burgweg hinab.

In der weiten Ebene, die ſich nach dem See hinſtreckt, ordnete
Simon Bardo die Schaaren ſeiner Streiter. Hei! wie wohlig war's
dem alten Feldhauptmann, daß ſtatt der Kutte wieder der gewohnte
Panzer ſich um die narbenbedeckte Bruſt ſchmiegte. In fremdartig
geformter ſpitz zugehender Stahlkappe kam er geritten, ſein breiter
edelſteingeſchmückter Gürtel und der güldene Knauf des Schwertes
zeigten den ehemaligen Heerführer.

Ihr leſet die Alten der Grammatica halber, hatte er zu den Aebten
geſagt, die hoch zu Roß bei ihm hielten, ich hab' mein Handwerk von
ihnen gelernt. Mit Frontinus und Vegetius guten Rathſchlägen läßt
ſich noch heutigen Tages was ausrichten. Für den Anfang ſoll's heut
mit der Schlachtordnung der römiſchen Legionen erprobt ſein, dabei
läßt ſich am beſten abwarten, wie ſich der Feind zu erkennen gibt.
Wir können dann noch immer thun wie wir wollen, die Sache geht
nicht in einer halben Stunde zu End'.

Er hieß die leichte Mannſchaft der Bogenſchützen und Schleuderer
vorausrücken; ſie ſollten den Waldſaum beſetzen, vom Tannendickigt
gegen Reiterangriff geſchützt. Zielt nieder! ſprach er, wenn ihr auch
ſtatt des Mannes das Roß trefft, 's iſt immer Etwas!

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[185/0207] mel, da ſchneidet auch er der Andacht Faden ab und greift ſeine Netze und eilt zum Schifflein, die Schuppenträger zu bekriegen ... Schlachtfroh rückten ſie aus dem Hofe, in jedem Herzen jene Mark und Fibern ſchwellende Spannung, daß es einem großen Augen- blick entgegengehe. Und waren der Mönche von Sanct Gallen vier- undſechzig, derer von Reichenau neunzig und an Heerbannleuten mehr denn fünfhundert. Beim Feldzeichen der Sanct Galliſchen Brüder ſchritt Ekkehard; es war ein florverhüllt Crucifix mit ſchwarzen Wim- peln, da des Kloſters Banner zurückgeblieben. Auf dem Söller der Burg ſtand die Herzogin und ließ ein weißes Tuch in die Lüfte wehen. Ekkehard wandte ſich nach ihr, aber ihr Blick mied den ſeinen und der Abſchiedsgruß galt nicht ihm. An's untere Burgthor hatten dienende Brüder den Sarg mit des heiligen Marcus Gebein getragen: Wer immer vorüberſchritt, berührte ihn mit Schwert und Lanzenſpitze, dann ging's ſchweren Tritts den Burgweg hinab. In der weiten Ebene, die ſich nach dem See hinſtreckt, ordnete Simon Bardo die Schaaren ſeiner Streiter. Hei! wie wohlig war's dem alten Feldhauptmann, daß ſtatt der Kutte wieder der gewohnte Panzer ſich um die narbenbedeckte Bruſt ſchmiegte. In fremdartig geformter ſpitz zugehender Stahlkappe kam er geritten, ſein breiter edelſteingeſchmückter Gürtel und der güldene Knauf des Schwertes zeigten den ehemaligen Heerführer. Ihr leſet die Alten der Grammatica halber, hatte er zu den Aebten geſagt, die hoch zu Roß bei ihm hielten, ich hab' mein Handwerk von ihnen gelernt. Mit Frontinus und Vegetius guten Rathſchlägen läßt ſich noch heutigen Tages was ausrichten. Für den Anfang ſoll's heut mit der Schlachtordnung der römiſchen Legionen erprobt ſein, dabei läßt ſich am beſten abwarten, wie ſich der Feind zu erkennen gibt. Wir können dann noch immer thun wie wir wollen, die Sache geht nicht in einer halben Stunde zu End'. Er hieß die leichte Mannſchaft der Bogenſchützen und Schleuderer vorausrücken; ſie ſollten den Waldſaum beſetzen, vom Tannendickigt gegen Reiterangriff geſchützt. Zielt nieder! ſprach er, wenn ihr auch ſtatt des Mannes das Roß trefft, 's iſt immer Etwas!

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/207>, abgerufen am 28.04.2024.