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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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geschossen, fuhren in den Schwarm. Der Vortrab wollte stutzig werden.
Was kümmert euch der Mückenstich? rief Ellak und spornte sein Roß,
vorwärts, die Ebene ist das Feld der Reiterschlacht! Ein Dutzend
seiner Leute hieß er mit dem Troß zurückbleiben, zum Geplänkel mit
denen im Wald. Die Erde dröhnte vom Hufschlag der vorwärts
sausenden Horde; im Blachfeld breitete sich der Schwarm und sprengte
mit Geheul auf den anrückenden Heerbann. Weit voraus ritt Ellak
mit dem hunnischen Bannerträger, der schwenkte die grünrothe Fahne
über ihm, er aber hob sich hoch im Sattel und that einen wilden
Schrei und schoß den ersten Pfeilschuß ab, auf daß der Kampf nach
altem Brauch eröffnet sei.184) Es begann das Morden der Feldschlacht.
Aber wenig frommte es den schwäbischen Kriegern, daß sie unerschüt-
tert Stand hielten, ein starrender Lanzenwald: war der Reiter An-
griff abgeprallt, so kam aus der Ferne ein Pfeilregen geschwirrt; halb
aufgerichtet im Bügel stunden die Hunnen trotz Rossestrab, den Zaum
über des Gauls Nacken geworfen zielten sie, der Schuß traf.

Andere schwärmten von der Seite ein -- weh dem Gefallenen,
den seine Brüder nicht in die Mitte nahmen.

Da gedachten die Leichtbewaffneten vom Walde den Hunnen in
Rücken zu brechen. Hörnerruf rief sie zur Sammlung, sie rückten
vor -- aber mit eines Gedankens Schnelle waren die feindlichen
Rosse gewendet, Pfeilregen prasselte in die Anrückenden, sie stutzten,
Wenige schritten weiter, auch sie wurden geworfen, nur Audifax mar-
schirte vorwärts, die Pfeile zischten um ihn, er schaute nicht auf und
nicht zurück, er blies die Sackpfeife zum Angriff, wie es seines Amtes
war: so kam er mitten in's Gewühl der feindlichen Reiter.

Da stockte sein Blasen -- im Vorübersprengen hatte ihm Einer
die Schlinge um den Hals geworfen und riß ihn an sich; widerstrebend
schaute Audifax um, kein Einziger seines Häufleins war hinter ihm
zu erspähen -- o Hadumoth! rief er betrübt. Den Reiter jammerte
des muthigen blonden Knaben, statt ihm das Haupt zu spalten, hob
er ihn zu sich auf's Roß und jagte mit ihm zurück. Von einem
Hügel gedeckt, hielt der hunnische Troß. Hoch aufgerichtet stund die
Waldfrau auf ihrem Wagen und spähte hinaus in die wogende
Schlacht, sie hatte die ersten Verwundeten gepflegt und kräftige Heil-
sprüche gesungen über das rinnende Blut.

geſchoſſen, fuhren in den Schwarm. Der Vortrab wollte ſtutzig werden.
Was kümmert euch der Mückenſtich? rief Ellak und ſpornte ſein Roß,
vorwärts, die Ebene iſt das Feld der Reiterſchlacht! Ein Dutzend
ſeiner Leute hieß er mit dem Troß zurückbleiben, zum Geplänkel mit
denen im Wald. Die Erde dröhnte vom Hufſchlag der vorwärts
ſauſenden Horde; im Blachfeld breitete ſich der Schwarm und ſprengte
mit Geheul auf den anrückenden Heerbann. Weit voraus ritt Ellak
mit dem hunniſchen Bannerträger, der ſchwenkte die grünrothe Fahne
über ihm, er aber hob ſich hoch im Sattel und that einen wilden
Schrei und ſchoß den erſten Pfeilſchuß ab, auf daß der Kampf nach
altem Brauch eröffnet ſei.184) Es begann das Morden der Feldſchlacht.
Aber wenig frommte es den ſchwäbiſchen Kriegern, daß ſie unerſchüt-
tert Stand hielten, ein ſtarrender Lanzenwald: war der Reiter An-
griff abgeprallt, ſo kam aus der Ferne ein Pfeilregen geſchwirrt; halb
aufgerichtet im Bügel ſtunden die Hunnen trotz Roſſestrab, den Zaum
über des Gauls Nacken geworfen zielten ſie, der Schuß traf.

Andere ſchwärmten von der Seite ein — weh dem Gefallenen,
den ſeine Brüder nicht in die Mitte nahmen.

Da gedachten die Leichtbewaffneten vom Walde den Hunnen in
Rücken zu brechen. Hörnerruf rief ſie zur Sammlung, ſie rückten
vor — aber mit eines Gedankens Schnelle waren die feindlichen
Roſſe gewendet, Pfeilregen praſſelte in die Anrückenden, ſie ſtutzten,
Wenige ſchritten weiter, auch ſie wurden geworfen, nur Audifax mar-
ſchirte vorwärts, die Pfeile ziſchten um ihn, er ſchaute nicht auf und
nicht zurück, er blies die Sackpfeife zum Angriff, wie es ſeines Amtes
war: ſo kam er mitten in's Gewühl der feindlichen Reiter.

Da ſtockte ſein Blaſen — im Vorüberſprengen hatte ihm Einer
die Schlinge um den Hals geworfen und riß ihn an ſich; widerſtrebend
ſchaute Audifax um, kein Einziger ſeines Häufleins war hinter ihm
zu erſpähen — o Hadumoth! rief er betrübt. Den Reiter jammerte
des muthigen blonden Knaben, ſtatt ihm das Haupt zu ſpalten, hob
er ihn zu ſich auf's Roß und jagte mit ihm zurück. Von einem
Hügel gedeckt, hielt der hunniſche Troß. Hoch aufgerichtet ſtund die
Waldfrau auf ihrem Wagen und ſpähte hinaus in die wogende
Schlacht, ſie hatte die erſten Verwundeten gepflegt und kräftige Heil-
ſprüche geſungen über das rinnende Blut.

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[187/0209] geſchoſſen, fuhren in den Schwarm. Der Vortrab wollte ſtutzig werden. Was kümmert euch der Mückenſtich? rief Ellak und ſpornte ſein Roß, vorwärts, die Ebene iſt das Feld der Reiterſchlacht! Ein Dutzend ſeiner Leute hieß er mit dem Troß zurückbleiben, zum Geplänkel mit denen im Wald. Die Erde dröhnte vom Hufſchlag der vorwärts ſauſenden Horde; im Blachfeld breitete ſich der Schwarm und ſprengte mit Geheul auf den anrückenden Heerbann. Weit voraus ritt Ellak mit dem hunniſchen Bannerträger, der ſchwenkte die grünrothe Fahne über ihm, er aber hob ſich hoch im Sattel und that einen wilden Schrei und ſchoß den erſten Pfeilſchuß ab, auf daß der Kampf nach altem Brauch eröffnet ſei. ¹⁸⁴⁾ Es begann das Morden der Feldſchlacht. Aber wenig frommte es den ſchwäbiſchen Kriegern, daß ſie unerſchüt- tert Stand hielten, ein ſtarrender Lanzenwald: war der Reiter An- griff abgeprallt, ſo kam aus der Ferne ein Pfeilregen geſchwirrt; halb aufgerichtet im Bügel ſtunden die Hunnen trotz Roſſestrab, den Zaum über des Gauls Nacken geworfen zielten ſie, der Schuß traf. Andere ſchwärmten von der Seite ein — weh dem Gefallenen, den ſeine Brüder nicht in die Mitte nahmen. Da gedachten die Leichtbewaffneten vom Walde den Hunnen in Rücken zu brechen. Hörnerruf rief ſie zur Sammlung, ſie rückten vor — aber mit eines Gedankens Schnelle waren die feindlichen Roſſe gewendet, Pfeilregen praſſelte in die Anrückenden, ſie ſtutzten, Wenige ſchritten weiter, auch ſie wurden geworfen, nur Audifax mar- ſchirte vorwärts, die Pfeile ziſchten um ihn, er ſchaute nicht auf und nicht zurück, er blies die Sackpfeife zum Angriff, wie es ſeines Amtes war: ſo kam er mitten in's Gewühl der feindlichen Reiter. Da ſtockte ſein Blaſen — im Vorüberſprengen hatte ihm Einer die Schlinge um den Hals geworfen und riß ihn an ſich; widerſtrebend ſchaute Audifax um, kein Einziger ſeines Häufleins war hinter ihm zu erſpähen — o Hadumoth! rief er betrübt. Den Reiter jammerte des muthigen blonden Knaben, ſtatt ihm das Haupt zu ſpalten, hob er ihn zu ſich auf's Roß und jagte mit ihm zurück. Von einem Hügel gedeckt, hielt der hunniſche Troß. Hoch aufgerichtet ſtund die Waldfrau auf ihrem Wagen und ſpähte hinaus in die wogende Schlacht, ſie hatte die erſten Verwundeten gepflegt und kräftige Heil- ſprüche geſungen über das rinnende Blut.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/209>, abgerufen am 29.04.2024.