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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Beim Klang der Weidhörner schwärmte die Schaar vorwärts, noch
war kein Feind zu sehen.

Die Männer des Aufgebots ordnete er in zwei Heersäulen; dicht-
geschlossen, den Speer gefällt und langsam rückten sie vor, von der
vordern Säule zur zweiten ein Abstand weniger Schritte. Der von
Randegg und der dürre Fridinger führten sie.

Die Mönche hieß er zu einem Haufen zusammentreten und stellte
sie in die Rückhut.

Warum das? fragte der Abt Wazmann; er kränkte sich, daß ihnen
nicht die Ehre des vordersten Angriffs zugetheilt ward.

Da lächelte der Kriegserfahrene: Das sind meine Triarier, sprach
er; nicht, weil altgediente Soldaten, wohl aber weil sie um Rückkehr
in's warme Nest streiten. Von Haus und Hof und Bett verjagt sein,
macht die Hiebe am schwersten und die Stiche am tiefsten. Habt
keine Sorge, die Wucht des Streites kommt noch früh genug an die
Mannschaft des heiligen Benedictus!

Die Hunnen hatten bei Tagesgrauen das Reichenauer Kloster ge-
räumt. Die Vorräthe waren aufgezehrt, der Wein getrunken, die
Kirche geplündert: ihr Tagewerk war gethan. Auf Heribald's Stirn
ward manche Runzel glatt, wie der letzte Reiter dem Thor entritt.
Er warf ihnen ein Goldstück nach, das ihm der Mann von Ellwangen
im Vertrauen zugesteckt. Landsmann, hatte Snewelin zu ihm gesagt,
wenn du hörst daß mir ein Unglück zugestoßen ist, so laß ein Dutzend
Messen für meine arme Seel' lesen. Ich hab's immer gut gemeint
mit euch und euerm Wesen, und daß ich unter die Heiden gerathen
bin, geschah mir ich weiß selber nicht wie. Der Ellwanger Boden ist
leider zu rauh, als daß Heilige drauf erwachsen können.

Aber Heribald wollte nichts von ihm wissen. Im Garten schau-
felte er Knochen und Asche der Verbrannten und ihrer Rosse zusam-
men und streute sie in See, während die Hunnen noch drüben einher-
zogen. Kein Staub von einem Heiden soll auf der Insel bleiben,
sprach er. Dann ging er in Klosterhof und schaute sich tiefsinnig den
Platz an, wo er gestern zum Tanz gezwungen wurde.

Der Hunnen Ritt ging durch den dunkeln Tannwald dem Hohen-
twiel entgegen. Aber wie sie sorglos dahin trabten, prallte da und
dort ein Roß auf; Pfeile und Schleuderkugeln, von unsichtbaren Schützen

Beim Klang der Weidhörner ſchwärmte die Schaar vorwärts, noch
war kein Feind zu ſehen.

Die Männer des Aufgebots ordnete er in zwei Heerſäulen; dicht-
geſchloſſen, den Speer gefällt und langſam rückten ſie vor, von der
vordern Säule zur zweiten ein Abſtand weniger Schritte. Der von
Randegg und der dürre Fridinger führten ſie.

Die Mönche hieß er zu einem Haufen zuſammentreten und ſtellte
ſie in die Rückhut.

Warum das? fragte der Abt Wazmann; er kränkte ſich, daß ihnen
nicht die Ehre des vorderſten Angriffs zugetheilt ward.

Da lächelte der Kriegserfahrene: Das ſind meine Triarier, ſprach
er; nicht, weil altgediente Soldaten, wohl aber weil ſie um Rückkehr
in's warme Neſt ſtreiten. Von Haus und Hof und Bett verjagt ſein,
macht die Hiebe am ſchwerſten und die Stiche am tiefſten. Habt
keine Sorge, die Wucht des Streites kommt noch früh genug an die
Mannſchaft des heiligen Benedictus!

Die Hunnen hatten bei Tagesgrauen das Reichenauer Kloſter ge-
räumt. Die Vorräthe waren aufgezehrt, der Wein getrunken, die
Kirche geplündert: ihr Tagewerk war gethan. Auf Heribald's Stirn
ward manche Runzel glatt, wie der letzte Reiter dem Thor entritt.
Er warf ihnen ein Goldſtück nach, das ihm der Mann von Ellwangen
im Vertrauen zugeſteckt. Landsmann, hatte Snewelin zu ihm geſagt,
wenn du hörſt daß mir ein Unglück zugeſtoßen iſt, ſo laß ein Dutzend
Meſſen für meine arme Seel' leſen. Ich hab's immer gut gemeint
mit euch und euerm Weſen, und daß ich unter die Heiden gerathen
bin, geſchah mir ich weiß ſelber nicht wie. Der Ellwanger Boden iſt
leider zu rauh, als daß Heilige drauf erwachſen können.

Aber Heribald wollte nichts von ihm wiſſen. Im Garten ſchau-
felte er Knochen und Aſche der Verbrannten und ihrer Roſſe zuſam-
men und ſtreute ſie in See, während die Hunnen noch drüben einher-
zogen. Kein Staub von einem Heiden ſoll auf der Inſel bleiben,
ſprach er. Dann ging er in Kloſterhof und ſchaute ſich tiefſinnig den
Platz an, wo er geſtern zum Tanz gezwungen wurde.

Der Hunnen Ritt ging durch den dunkeln Tannwald dem Hohen-
twiel entgegen. Aber wie ſie ſorglos dahin trabten, prallte da und
dort ein Roß auf; Pfeile und Schleuderkugeln, von unſichtbaren Schützen

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[186/0208] Beim Klang der Weidhörner ſchwärmte die Schaar vorwärts, noch war kein Feind zu ſehen. Die Männer des Aufgebots ordnete er in zwei Heerſäulen; dicht- geſchloſſen, den Speer gefällt und langſam rückten ſie vor, von der vordern Säule zur zweiten ein Abſtand weniger Schritte. Der von Randegg und der dürre Fridinger führten ſie. Die Mönche hieß er zu einem Haufen zuſammentreten und ſtellte ſie in die Rückhut. Warum das? fragte der Abt Wazmann; er kränkte ſich, daß ihnen nicht die Ehre des vorderſten Angriffs zugetheilt ward. Da lächelte der Kriegserfahrene: Das ſind meine Triarier, ſprach er; nicht, weil altgediente Soldaten, wohl aber weil ſie um Rückkehr in's warme Neſt ſtreiten. Von Haus und Hof und Bett verjagt ſein, macht die Hiebe am ſchwerſten und die Stiche am tiefſten. Habt keine Sorge, die Wucht des Streites kommt noch früh genug an die Mannſchaft des heiligen Benedictus! Die Hunnen hatten bei Tagesgrauen das Reichenauer Kloſter ge- räumt. Die Vorräthe waren aufgezehrt, der Wein getrunken, die Kirche geplündert: ihr Tagewerk war gethan. Auf Heribald's Stirn ward manche Runzel glatt, wie der letzte Reiter dem Thor entritt. Er warf ihnen ein Goldſtück nach, das ihm der Mann von Ellwangen im Vertrauen zugeſteckt. Landsmann, hatte Snewelin zu ihm geſagt, wenn du hörſt daß mir ein Unglück zugeſtoßen iſt, ſo laß ein Dutzend Meſſen für meine arme Seel' leſen. Ich hab's immer gut gemeint mit euch und euerm Weſen, und daß ich unter die Heiden gerathen bin, geſchah mir ich weiß ſelber nicht wie. Der Ellwanger Boden iſt leider zu rauh, als daß Heilige drauf erwachſen können. Aber Heribald wollte nichts von ihm wiſſen. Im Garten ſchau- felte er Knochen und Aſche der Verbrannten und ihrer Roſſe zuſam- men und ſtreute ſie in See, während die Hunnen noch drüben einher- zogen. Kein Staub von einem Heiden ſoll auf der Inſel bleiben, ſprach er. Dann ging er in Kloſterhof und ſchaute ſich tiefſinnig den Platz an, wo er geſtern zum Tanz gezwungen wurde. Der Hunnen Ritt ging durch den dunkeln Tannwald dem Hohen- twiel entgegen. Aber wie ſie ſorglos dahin trabten, prallte da und dort ein Roß auf; Pfeile und Schleuderkugeln, von unſichtbaren Schützen

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/208>, abgerufen am 28.04.2024.