Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
36)
Imo sint fauoze
fauoder maze,
imo sint burste
ebenho forste
unde zene seine
zvvelif elneige."
Dies ehrwürdig alte Volkslied, das anscheinend entweder aus des
Romeias Jagdgeschichte entstand, oder von ihm seiner Jagdgeschichte
zu Grunde gelegt ward, ist der Nachwelt erhalten durch die sanct-
gallische (vielleicht Notker'sche) Abhandlung über die Rhetorik, allwo
es als geeignetes Beispiel hyperbolischer Redeweise (nam plus dicitur
fet minus intelligitur)
aufgeführt wird. Vgl. Hattemer Denkmale etc.
Bd. III. pag. 577.
37) s. vita S. Galli bei Pertz Monum. II. 9.
38) regula S. Benedicti cap. 1.
39) In rauhen Zeiten sucht der Mensch seinem Gott auch in rauher
Form zu dienen. Das Klausnerthum sagte damals weltabgewandten Ge-
müthern zu, und Beispiele von solchen, die über zwanzig und dreißig Jahre
lang solch eine freiwillig auferlegte Einzelhaft trugen, beweisen, daß das
physische Leben durch einen starken, vom Glauben, etwas Verdienst-
liches zu thun, beseelten Willen lang gefristet werden kann. In der Hand-
schrift der sanctgallischen annales maiores ist ein Abbild des Priester
Hartker erhalten, eine unterwürfige, krummgebeugte, demüthig kasteite
Gestalt, in faltigem Mönchsgewand mit großer Tonsur und der Ueber-
schrift Hartkerus reclusus. S. Pertz Monum. I. 72. Diesem ist
im liber benedictionum folgender Nachruf gewidmet:
Wer hat ein härteres Loos als Hartker der Klausner getragen,
Der in beengender Haft sich dreißig der Jahre kasteite?
Immerdar stand er gebückt, so niedrig war die Bedachung,
Kissen des Kopfs war ein Stein. Auf diesem schlief und entschlief er
Und in Kreuzesgestalt die gemagerten Arme entbreitend
Wandt' er zum Himmel den Blick und befahl dem Herrn seine Seele.
s. I. v. Arx Geschichte etc. I. 232.
36)
Imo sint fûoze
fûoder mâze,
imo ſint búrſte
ébenhó fórſte
únde zéne ſîne
zvvélif élnîge.“
Dies ehrwürdig alte Volkslied, das anſcheinend entweder aus des
Romeias Jagdgeſchichte entſtand, oder von ihm ſeiner Jagdgeſchichte
zu Grunde gelegt ward, iſt der Nachwelt erhalten durch die ſanct-
galliſche (vielleicht Notker'ſche) Abhandlung über die Rhetorik, allwo
es als geeignetes Beiſpiel hyperboliſcher Redeweiſe (nam plus dicitur
fet minus intelligitur)
aufgeführt wird. Vgl. Hattemer Denkmale etc.
Bd. III. pag. 577.
37) ſ. vita S. Galli bei Pertz Monum. II. 9.
38) regula S. Benedicti cap. 1.
39) In rauhen Zeiten ſucht der Menſch ſeinem Gott auch in rauher
Form zu dienen. Das Klausnerthum ſagte damals weltabgewandten Ge-
müthern zu, und Beiſpiele von ſolchen, die über zwanzig und dreißig Jahre
lang ſolch eine freiwillig auferlegte Einzelhaft trugen, beweiſen, daß das
phyſiſche Leben durch einen ſtarken, vom Glauben, etwas Verdienſt-
liches zu thun, beſeelten Willen lang gefriſtet werden kann. In der Hand-
ſchrift der ſanctgalliſchen annales maiores iſt ein Abbild des Prieſter
Hartker erhalten, eine unterwürfige, krummgebeugte, demüthig kaſteite
Geſtalt, in faltigem Mönchsgewand mit großer Tonſur und der Ueber-
ſchrift Hartkerus reclusus. S. Pertz Monum. I. 72. Dieſem iſt
im liber benedictionum folgender Nachruf gewidmet:
Wer hat ein härteres Loos als Hartker der Klausner getragen,
Der in beengender Haft ſich dreißig der Jahre kaſteite?
Immerdar ſtand er gebückt, ſo niedrig war die Bedachung,
Kiſſen des Kopfs war ein Stein. Auf dieſem ſchlief und entſchlief er
Und in Kreuzesgeſtalt die gemagerten Arme entbreitend
Wandt' er zum Himmel den Blick und befahl dem Herrn ſeine Seele.
ſ. I. v. Arx Geſchichte etc. I. 232.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <note xml:id="edt36" prev="#ed36" place="end" n="36)">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0440" n="418"/>
            <l> <hi rendition="#aq">Imo sint fûoze</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#aq">fûoder mâze,</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#aq">imo &#x017F;int búr&#x017F;te</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#aq">ébenhó fór&#x017F;te</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#aq">únde zéne &#x017F;îne</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#aq">zvvélif élnîge.&#x201C;</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>Dies ehrwürdig alte Volkslied, das an&#x017F;cheinend entweder aus des<lb/>
Romeias Jagdge&#x017F;chichte ent&#x017F;tand, oder von ihm &#x017F;einer Jagdge&#x017F;chichte<lb/>
zu Grunde gelegt ward, i&#x017F;t der Nachwelt erhalten durch die &#x017F;anct-<lb/>
galli&#x017F;che (vielleicht Notker'&#x017F;che) Abhandlung über die Rhetorik, allwo<lb/>
es als geeignetes Bei&#x017F;piel hyperboli&#x017F;cher Redewei&#x017F;e <hi rendition="#aq">(nam plus dicitur<lb/>
fet minus intelligitur)</hi> aufgeführt wird. Vgl. Hattemer Denkmale etc.<lb/>
Bd. <hi rendition="#aq">III. pag. 577.</hi></p>
        </note><lb/>
        <note xml:id="edt37" prev="#ed37" place="end" n="37)">&#x017F;. <hi rendition="#aq">vita S. Galli</hi> bei <hi rendition="#aq">Pertz Monum. II. 9.</hi></note><lb/>
        <note xml:id="edt38" prev="#ed38" place="end" n="38)"> <hi rendition="#aq">regula S. Benedicti cap. 1.</hi> </note><lb/>
        <note xml:id="edt39" prev="#ed39" place="end" n="39)">
          <p>In rauhen Zeiten &#x017F;ucht der Men&#x017F;ch &#x017F;einem Gott auch in rauher<lb/>
Form zu dienen. Das Klausnerthum &#x017F;agte damals weltabgewandten Ge-<lb/>
müthern zu, und Bei&#x017F;piele von &#x017F;olchen, die über zwanzig und dreißig Jahre<lb/>
lang &#x017F;olch eine freiwillig auferlegte Einzelhaft trugen, bewei&#x017F;en, daß das<lb/>
phy&#x017F;i&#x017F;che Leben durch einen &#x017F;tarken, vom Glauben, etwas Verdien&#x017F;t-<lb/>
liches zu thun, be&#x017F;eelten Willen lang gefri&#x017F;tet werden kann. In der Hand-<lb/>
&#x017F;chrift der &#x017F;anctgalli&#x017F;chen <hi rendition="#aq">annales maiores</hi> i&#x017F;t ein Abbild des Prie&#x017F;ter<lb/>
Hartker erhalten, eine unterwürfige, krummgebeugte, demüthig ka&#x017F;teite<lb/>
Ge&#x017F;talt, in faltigem Mönchsgewand mit großer Ton&#x017F;ur und der Ueber-<lb/>
&#x017F;chrift <hi rendition="#aq">Hartkerus reclusus.</hi> S. <hi rendition="#aq">Pertz Monum. I. 72.</hi> Die&#x017F;em i&#x017F;t<lb/>
im <hi rendition="#aq">liber benedictionum</hi> folgender Nachruf gewidmet:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wer hat ein härteres Loos als Hartker der Klausner getragen,</l><lb/>
            <l>Der in beengender Haft &#x017F;ich dreißig der Jahre ka&#x017F;teite?</l><lb/>
            <l>Immerdar &#x017F;tand er gebückt, &#x017F;o niedrig war die Bedachung,</l><lb/>
            <l>Ki&#x017F;&#x017F;en des Kopfs war ein Stein. Auf die&#x017F;em &#x017F;chlief und ent&#x017F;chlief er</l><lb/>
            <l>Und in Kreuzesge&#x017F;talt die gemagerten Arme entbreitend</l><lb/>
            <l>Wandt' er zum Himmel den Blick und befahl dem Herrn &#x017F;eine Seele.</l>
          </lg><lb/>
          <p>&#x017F;. I. v. Arx Ge&#x017F;chichte etc. <hi rendition="#aq">I. 232.</hi></p><lb/>
        </note>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[418/0440] ³⁶⁾ Imo sint fûoze fûoder mâze, imo ſint búrſte ébenhó fórſte únde zéne ſîne zvvélif élnîge.“ Dies ehrwürdig alte Volkslied, das anſcheinend entweder aus des Romeias Jagdgeſchichte entſtand, oder von ihm ſeiner Jagdgeſchichte zu Grunde gelegt ward, iſt der Nachwelt erhalten durch die ſanct- galliſche (vielleicht Notker'ſche) Abhandlung über die Rhetorik, allwo es als geeignetes Beiſpiel hyperboliſcher Redeweiſe (nam plus dicitur fet minus intelligitur) aufgeführt wird. Vgl. Hattemer Denkmale etc. Bd. III. pag. 577. ³⁷⁾ ſ. vita S. Galli bei Pertz Monum. II. 9. ³⁸⁾ regula S. Benedicti cap. 1. ³⁹⁾ In rauhen Zeiten ſucht der Menſch ſeinem Gott auch in rauher Form zu dienen. Das Klausnerthum ſagte damals weltabgewandten Ge- müthern zu, und Beiſpiele von ſolchen, die über zwanzig und dreißig Jahre lang ſolch eine freiwillig auferlegte Einzelhaft trugen, beweiſen, daß das phyſiſche Leben durch einen ſtarken, vom Glauben, etwas Verdienſt- liches zu thun, beſeelten Willen lang gefriſtet werden kann. In der Hand- ſchrift der ſanctgalliſchen annales maiores iſt ein Abbild des Prieſter Hartker erhalten, eine unterwürfige, krummgebeugte, demüthig kaſteite Geſtalt, in faltigem Mönchsgewand mit großer Tonſur und der Ueber- ſchrift Hartkerus reclusus. S. Pertz Monum. I. 72. Dieſem iſt im liber benedictionum folgender Nachruf gewidmet: Wer hat ein härteres Loos als Hartker der Klausner getragen, Der in beengender Haft ſich dreißig der Jahre kaſteite? Immerdar ſtand er gebückt, ſo niedrig war die Bedachung, Kiſſen des Kopfs war ein Stein. Auf dieſem ſchlief und entſchlief er Und in Kreuzesgeſtalt die gemagerten Arme entbreitend Wandt' er zum Himmel den Blick und befahl dem Herrn ſeine Seele. ſ. I. v. Arx Geſchichte etc. I. 232.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/440
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/440>, abgerufen am 14.05.2024.