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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

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mit den alten Sprachen. Ich rede hier näm¬
lich nicht von der Wissenschaft der Sprache im
abstracten Sinn, in wie fern diese als unmit¬
telbarer Abdruck des inneren Typus der Ver¬
nunft Gegenstand einer wissenschaftlichen Con¬
struction ist. Eben so wenig von der Philolo¬
gie, zu der sich Sprachkenntniß nur wie das
Mittel zu seinem viel höheren Zwecke verhält.
Der bloße Sprachgelehrte heißt nur durch Mis¬
brauch Philolog; dieser steht mit dem Künstler
und Philosophen auf den höchsten Stufen,
oder vielmehr durchdringen sich beyde in ihm.
Seine Sache ist die historische Construction der
Werke der Kunst und Wissenschaft, deren Ge¬
schichte er in lebendiger Anschauung zu begrei¬
fen und darzustellen hat. Auf Universitäten
soll eigentlich nur Philologie, in diesem Sinne
behandelt, gelehrt werden; der academische
Lehrer soll nicht Sprachmeister seyn. -- Ich
kehre zu meiner ersten Behauptung zurück.

Die Sprache an und für sich selbst schon
und bloß grammatisch angesehen, ist eine fort¬

mit den alten Sprachen. Ich rede hier naͤm¬
lich nicht von der Wiſſenſchaft der Sprache im
abſtracten Sinn, in wie fern dieſe als unmit¬
telbarer Abdruck des inneren Typus der Ver¬
nunft Gegenſtand einer wiſſenſchaftlichen Con¬
ſtruction iſt. Eben ſo wenig von der Philolo¬
gie, zu der ſich Sprachkenntniß nur wie das
Mittel zu ſeinem viel hoͤheren Zwecke verhaͤlt.
Der bloße Sprachgelehrte heißt nur durch Mis¬
brauch Philolog; dieſer ſteht mit dem Kuͤnſtler
und Philoſophen auf den hoͤchſten Stufen,
oder vielmehr durchdringen ſich beyde in ihm.
Seine Sache iſt die hiſtoriſche Conſtruction der
Werke der Kunſt und Wiſſenſchaft, deren Ge¬
ſchichte er in lebendiger Anſchauung zu begrei¬
fen und darzuſtellen hat. Auf Univerſitaͤten
ſoll eigentlich nur Philologie, in dieſem Sinne
behandelt, gelehrt werden; der academiſche
Lehrer ſoll nicht Sprachmeiſter ſeyn. — Ich
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[76/0085] mit den alten Sprachen. Ich rede hier naͤm¬ lich nicht von der Wiſſenſchaft der Sprache im abſtracten Sinn, in wie fern dieſe als unmit¬ telbarer Abdruck des inneren Typus der Ver¬ nunft Gegenſtand einer wiſſenſchaftlichen Con¬ ſtruction iſt. Eben ſo wenig von der Philolo¬ gie, zu der ſich Sprachkenntniß nur wie das Mittel zu ſeinem viel hoͤheren Zwecke verhaͤlt. Der bloße Sprachgelehrte heißt nur durch Mis¬ brauch Philolog; dieſer ſteht mit dem Kuͤnſtler und Philoſophen auf den hoͤchſten Stufen, oder vielmehr durchdringen ſich beyde in ihm. Seine Sache iſt die hiſtoriſche Conſtruction der Werke der Kunſt und Wiſſenſchaft, deren Ge¬ ſchichte er in lebendiger Anſchauung zu begrei¬ fen und darzuſtellen hat. Auf Univerſitaͤten ſoll eigentlich nur Philologie, in dieſem Sinne behandelt, gelehrt werden; der academiſche Lehrer ſoll nicht Sprachmeiſter ſeyn. — Ich kehre zu meiner erſten Behauptung zuruͤck. Die Sprache an und fuͤr ſich ſelbſt ſchon und bloß grammatiſch angeſehen, iſt eine fort¬

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/85>, abgerufen am 28.04.2024.