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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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dies etwa aus der aristotelischen Theorie irgendwie abgeleitet psc_056.002
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Jedenfalls wenn selbständige Ansätze vorhanden waren, psc_056.004
so sind sie verkümmert.

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Die Tradition der Alten aber, in Poetik Rhetorik Lehrgedicht, psc_056.006
geht bis ins 18. Jahrhundert.

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Was aber dann neu, charakteristisch einsetzt, wird am psc_056.008
zweckmäßigsten durch das Stichwort der Aesthetik bezeichnet, psc_056.009
das bei Alexander Baumgarten 1750 zuerst auftritt, indem psc_056.010
er die Aesthetica, die Lehre von der sinnlichen Wahrnehmung, psc_056.011
als besondere philosophische Wissenschaft innerhalb psc_056.012
des Wolffischen Systems constituirte. Er macht reichlichen psc_056.013
Gebrauch von den Ansichten des Aristoteles und bringt es trotz psc_056.014
der Neuheit des Wortes Aesthetik nirgends zu fruchtbringenden psc_056.015
Gedanken.

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Die Entwicklung der Aesthetik nun und der Poetik psc_056.017
innerhalb der Aesthetik möchte ich nicht näher verfolgen. Es psc_056.018
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und ein besonderes Colleg wäre nöthig um für die psc_056.020
Speculation innerhalb dieser Lehren die metaphysischen Grundlagen psc_056.021
zu erläutern. Das gehört eher in die Geschichte der psc_056.022
Philosophie. Jch bin überzeugt daß die philosophischen psc_056.023
Untersuchungen über "das Schöne" die Poetik wenig gefördert psc_056.024
haben. Jch spreche Jhnen also nicht von der Lehre Baumgartens, psc_056.025
Kants, Hegels, Vischers. Auch nicht von den Franzosen: psc_056.026
von Batteux, der alle schönen Künste auf Ein Princip psc_056.027
zurückführte und zwar auf das aristotelische der mimesis, psc_056.028
und dessen Werk hauptsächlich eine Poetik ist; von Diderot,

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/72>, abgerufen am 26.04.2024.