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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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solche, welche den Blick auch auf Ursachen und Wirkungen psc_065.002
gerichtet hält."

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Jm ersten Abschnitt hatten wir das Gebiet der Poetik psc_065.004
umschrieben: "Poetik ist vorzugsweise die Lehre von der gebundenen psc_065.005
Rede und von einigen Anwendungen der ungebundenen, psc_065.006
welche mit den Anwendungen der gebundenen in psc_065.007
naher Verwandtschaft stehen" (S. 32).

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Jetzt haben wir auch ein Programm für das was zu psc_065.009
lehren ist: die Hervorbringung auf dem genannten Gebiete psc_065.010
d. h. der gebundenen Rede &c., kurz die dichterische Hervorbringung, psc_065.011
die wirkliche und die mögliche, ist psc_065.012
vollständig zu beschreiben in ihrem Hergang, in psc_065.013
ihren Ergebnissen, in ihren Wirkungen.

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Ehe ich weiter gehe, will ich erläutern, was mit dem psc_065.015
"möglich" gemeint ist. Es giebt auf allen Gebieten, bei psc_065.016
denen wir die Bedingungen der Production kennen, die Möglichkeit, psc_065.017
diese Bedingungen zu combiniren. So sind auf dem psc_065.018
Gebiete der Lautphysiologie Laute durch Combination der psc_065.019
uns bekannten Mittel theoretisch erschlossen worden, die dann psc_065.020
später auch wirklich gefunden wurden. So kennen wir auch psc_065.021
in der Poesie die Mittel, und daher muß es für eine wissenschaftliche psc_065.022
Poetik möglich sein, ein Schema von allen möglichen psc_065.023
Gattungen zu entwerfen. So sprachen wir auch hier schon psc_065.024
über die möglichen Formen des prosaischen Lehrgedichts, psc_065.025
der prosaischen Lyrik; und so ist manches andere zu construiren, psc_065.026
was nicht in Wirklichkeit zu existiren braucht. Oder psc_065.027
ein anderes Beispiel (immer vom Wirklichen ausgehend): psc_065.028
durch Anknüpfen an alte Motive wäre die Modernisirung

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solche, welche den Blick auch auf Ursachen und Wirkungen psc_065.002
gerichtet hält.“

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  Jm ersten Abschnitt hatten wir das Gebiet der Poetik psc_065.004
umschrieben: „Poetik ist vorzugsweise die Lehre von der gebundenen psc_065.005
Rede und von einigen Anwendungen der ungebundenen, psc_065.006
welche mit den Anwendungen der gebundenen in psc_065.007
naher Verwandtschaft stehen“ (S. 32).

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  Jetzt haben wir auch ein Programm für das was zu psc_065.009
lehren ist: die Hervorbringung auf dem genannten Gebiete psc_065.010
d. h. der gebundenen Rede &c., kurz die dichterische Hervorbringung, psc_065.011
die wirkliche und die mögliche, ist psc_065.012
vollständig zu beschreiben in ihrem Hergang, in psc_065.013
ihren Ergebnissen, in ihren Wirkungen.

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  Ehe ich weiter gehe, will ich erläutern, was mit dem psc_065.015
„möglich“ gemeint ist. Es giebt auf allen Gebieten, bei psc_065.016
denen wir die Bedingungen der Production kennen, die Möglichkeit, psc_065.017
diese Bedingungen zu combiniren. So sind auf dem psc_065.018
Gebiete der Lautphysiologie Laute durch Combination der psc_065.019
uns bekannten Mittel theoretisch erschlossen worden, die dann psc_065.020
später auch wirklich gefunden wurden. So kennen wir auch psc_065.021
in der Poesie die Mittel, und daher muß es für eine wissenschaftliche psc_065.022
Poetik möglich sein, ein Schema von allen möglichen psc_065.023
Gattungen zu entwerfen. So sprachen wir auch hier schon psc_065.024
über die möglichen Formen des prosaischen Lehrgedichts, psc_065.025
der prosaischen Lyrik; und so ist manches andere zu construiren, psc_065.026
was nicht in Wirklichkeit zu existiren braucht. Oder psc_065.027
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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/81>, abgerufen am 26.04.2024.