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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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Steine selbs etwan zum unterscheid Pietre di Lavezzi genennet werden.
Dise Wörter aber alle kommen meines bedunkens her von lebes, lebetis,
lebetes,
welches in Lateinischer Sprach einen Dopf/ oder Hafen bedeu-
let/ allermassen man weiters nicht nöhtig hat/ als das erste e zuverwandlen
in a, und das b in u, damit herauß komme Labeti, welches die Pündner
außsprechen durch Lavezzi, oder Lavetzi. An der Farb sind dise unsere
Stein aschfarb/ oder grünlecht/ und vil weicher/ wann sie erst hervor gegra-
ben worden/ als nachdem sie eine zeitlang gelegen/ welches bey allen anderen
Steinen wargenommen/ und der außfliegenden feuchtigkeit zugeschrieben
wird. Man grabt disere Stein auß denen Gruben hervor/ wie das Erz
auß den Bergwerken; Dise Steingruben heissen die Einwohnere Trone,
und wenden eine unbeschreiblich grosse Arbeit an sowol in den Gruben auf
den Knien einzuschlieffen/ als auch die Steine zuhauen/ und auf dem rugken
herauß zutragen. Ligen die Steine voraussen/ oder bey der Hütten des Stein-
drechslers/ so müssen sie erstlich in eine halbrunde/ oder cylindrische form/ wie
wir ejn gleiches thun sehen bey dem Holtz/ bereitet/ oder gehauen werden. Ein
solches halbrundes/ oder an dem einten end plattes/ am anderen außgeboge-
nes stuck Stein nimmet der Drechsler/ haltet den zugespizteren theil an das
Feuer/ daß er wol erwarme/ bestreichet denselben mit Pech/ haltet ihne ge-
schwind an ein arm dickes abgeebnetes Holz/ welches dann so fest wegen
äusserlich zu trukender Luft an dem Stein klebet/ daß man es hernach nicht
anderst/ als mit gewalt davon söndern kan/ gleich wir auch sehen/ daß zwey
wol polierte/ auf einander mit öhl geriebene/ Marmel/ so stark auf einander
halten/ daß man 20. 30. und mehr pfund damit aufheben kan/ ehe sie von-
einander fallen. Wann auf oberzellte weise der Stein an dem Träystul/
welcher gleich einer Mühle vom Wasser getriben wird/ angesetzet/ so nimmet
der Meister seine eiserne/ spitzige/ anfangs grade/ hernach je mehr und mehr
krumme Jn strument/ arbeitet damit in den Stein hinein/ und drechslet auß
einem stuck Stein 5. 6. oder mehr Geschirre herauß/ die in einanderen ligen/
und einen einigen Einsatz außmachen. Endlich bevesinet man dise Geschirre
mit Eisernen Banden/ damit sie zum Kochgebrauch können über das Feuer
gehenkt/ und widerum ab demselben genommen werden. Den ganzen Pro-
ceß der Arbeit beschreibet sehr wol der berühmte Scaliger. l. c. nach dessen
zeugnuß die Einwohnere des A. 1618. unglüklicher weise durch einen Bergfall
untergangenen Flecken Plurs/ alljährlich sollen in die 60000. Ducaten
mit disem Steingewerb gewonnen haben. Es erinneret diser Herr über

diß/

Steine ſelbs etwan zum unterſcheid Pietre di Lavezzi genennet werden.
Diſe Woͤrter aber alle kommen meines bedunkens her von lebes, lebetis,
lebetes,
welches in Lateiniſcher Sprach einen Dopf/ oder Hafen bedeu-
let/ allermaſſen man weiters nicht noͤhtig hat/ als das erſte e zuverwandlen
in a, und das b in u, damit herauß komme Labeti, welches die Puͤndner
außſprechen durch Lavezzi, oder Lavetzi. An der Farb ſind diſe unſere
Stein aſchfarb/ oder gruͤnlecht/ und vil weicher/ wann ſie erſt hervor gegra-
ben worden/ als nachdem ſie eine zeitlang gelegen/ welches bey allen anderen
Steinen wargenommen/ und der außfliegenden feuchtigkeit zugeſchrieben
wird. Man grabt diſere Stein auß denen Gruben hervor/ wie das Erz
auß den Bergwerken; Diſe Steingruben heiſſen die Einwohnere Trone,
und wenden eine unbeſchreiblich groſſe Arbeit an ſowol in den Gruben auf
den Knien einzuſchlieffen/ als auch die Steine zuhauen/ und auf dem rugken
herauß zutragen. Ligen die Steine vorauſſen/ oder bey der Huͤtten des Stein-
drechslers/ ſo muͤſſen ſie erſtlich in eine halbrunde/ oder cylindriſche form/ wie
wir ejn gleiches thun ſehen bey dem Holtz/ bereitet/ oder gehauen werden. Ein
ſolches halbrundes/ oder an dem einten end plattes/ am anderen außgeboge-
nes ſtuck Stein nimmet der Drechsler/ haltet den zugeſpizteren theil an das
Feuer/ daß er wol erwarme/ beſtreichet denſelben mit Pech/ haltet ihne ge-
ſchwind an ein arm dickes abgeebnetes Holz/ welches dann ſo feſt wegen
aͤuſſerlich zu trukender Luft an dem Stein klebet/ daß man es hernach nicht
anderſt/ als mit gewalt davon ſoͤndern kan/ gleich wir auch ſehen/ daß zwey
wol polierte/ auf einander mit oͤhl geriebene/ Marmel/ ſo ſtark auf einander
halten/ daß man 20. 30. und mehr pfund damit aufheben kan/ ehe ſie von-
einander fallen. Wann auf oberzellte weiſe der Stein an dem Traͤyſtul/
welcher gleich einer Muͤhle vom Waſſer getriben wird/ angeſetzet/ ſo nimmet
der Meiſter ſeine eiſerne/ ſpitzige/ anfangs grade/ hernach je mehr und mehr
krumme Jn ſtrument/ arbeitet damit in den Stein hinein/ und drechslet auß
einem ſtuck Stein 5. 6. oder mehr Geſchirꝛe herauß/ die in einanderen ligen/
und einen einigen Einſatz außmachen. Endlich beveſinet man diſe Geſchirꝛe
mit Eiſernen Banden/ damit ſie zum Kochgebrauch koͤnnen uͤber das Feuer
gehenkt/ und widerum ab demſelben genommen werden. Den ganzen Pro-
ceß der Arbeit beſchreibet ſehr wol der beruͤhmte Scaliger. l. c. nach deſſen
zeugnuß die Einwohnere des A. 1618. ungluͤklicher weiſe durch einen Bergfall
untergangenen Flecken Plurs/ alljaͤhrlich ſollen in die 60000. Ducaten
mit diſem Steingewerb gewonnen haben. Es erinneret diſer Herꝛ uͤber

diß/
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[(179)[179]/0216] Steine ſelbs etwan zum unterſcheid Pietre di Lavezzi genennet werden. Diſe Woͤrter aber alle kommen meines bedunkens her von lebes, lebetis, lebetes, welches in Lateiniſcher Sprach einen Dopf/ oder Hafen bedeu- let/ allermaſſen man weiters nicht noͤhtig hat/ als das erſte e zuverwandlen in a, und das b in u, damit herauß komme Labeti, welches die Puͤndner außſprechen durch Lavezzi, oder Lavetzi. An der Farb ſind diſe unſere Stein aſchfarb/ oder gruͤnlecht/ und vil weicher/ wann ſie erſt hervor gegra- ben worden/ als nachdem ſie eine zeitlang gelegen/ welches bey allen anderen Steinen wargenommen/ und der außfliegenden feuchtigkeit zugeſchrieben wird. Man grabt diſere Stein auß denen Gruben hervor/ wie das Erz auß den Bergwerken; Diſe Steingruben heiſſen die Einwohnere Trone, und wenden eine unbeſchreiblich groſſe Arbeit an ſowol in den Gruben auf den Knien einzuſchlieffen/ als auch die Steine zuhauen/ und auf dem rugken herauß zutragen. Ligen die Steine vorauſſen/ oder bey der Huͤtten des Stein- drechslers/ ſo muͤſſen ſie erſtlich in eine halbrunde/ oder cylindriſche form/ wie wir ejn gleiches thun ſehen bey dem Holtz/ bereitet/ oder gehauen werden. Ein ſolches halbrundes/ oder an dem einten end plattes/ am anderen außgeboge- nes ſtuck Stein nimmet der Drechsler/ haltet den zugeſpizteren theil an das Feuer/ daß er wol erwarme/ beſtreichet denſelben mit Pech/ haltet ihne ge- ſchwind an ein arm dickes abgeebnetes Holz/ welches dann ſo feſt wegen aͤuſſerlich zu trukender Luft an dem Stein klebet/ daß man es hernach nicht anderſt/ als mit gewalt davon ſoͤndern kan/ gleich wir auch ſehen/ daß zwey wol polierte/ auf einander mit oͤhl geriebene/ Marmel/ ſo ſtark auf einander halten/ daß man 20. 30. und mehr pfund damit aufheben kan/ ehe ſie von- einander fallen. Wann auf oberzellte weiſe der Stein an dem Traͤyſtul/ welcher gleich einer Muͤhle vom Waſſer getriben wird/ angeſetzet/ ſo nimmet der Meiſter ſeine eiſerne/ ſpitzige/ anfangs grade/ hernach je mehr und mehr krumme Jn ſtrument/ arbeitet damit in den Stein hinein/ und drechslet auß einem ſtuck Stein 5. 6. oder mehr Geſchirꝛe herauß/ die in einanderen ligen/ und einen einigen Einſatz außmachen. Endlich beveſinet man diſe Geſchirꝛe mit Eiſernen Banden/ damit ſie zum Kochgebrauch koͤnnen uͤber das Feuer gehenkt/ und widerum ab demſelben genommen werden. Den ganzen Pro- ceß der Arbeit beſchreibet ſehr wol der beruͤhmte Scaliger. l. c. nach deſſen zeugnuß die Einwohnere des A. 1618. ungluͤklicher weiſe durch einen Bergfall untergangenen Flecken Plurs/ alljaͤhrlich ſollen in die 60000. Ducaten mit diſem Steingewerb gewonnen haben. Es erinneret diſer Herꝛ uͤber diß/

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. (179)[179]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/216>, abgerufen am 28.04.2024.