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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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Gotthardt/ St. Gotthardrs-Berg/ Gotthardus, S. Gothardus,
Gothardi Mons, La Montagne de S. Godard, Il Monte di S. Gotardo.
Summae Alpes
bey Julio Caesare comm. de Bell. Gall Lib. 3. Lepontiae
Minores,
die kleineren Lepontischen Gebirge bey Jovio, zum Unter-
scheid der Grösseren/ Lepontiarum Majorum, welche vom Comer-See über
Cleven naher Chur gehen/ da sonderlich hin gehörte der Splügen/ von
welchem oben Tom. I. pag. 174. Ein mehrers kan von dem Gotthard/ und
seinem ganzen Paß/ den wir in seiner Ordnung beschreiben/ nachgesehen wer-
den bey Simler. Comm. de Alpib. pag. 101. Tschud. Rhetisch. Alpgeb.
pag. 51. b. und Helvet. Ant. MSC. allwo er unter anderem meldet/ daß
man zu Heidnischen Zeiten gewohnlich etlichen Abgotten die gebräuchlichen
Landstrassen über die Alpgebirge in Jtalien zu reisen zugeeignet/ und auf die
Firsten der Straffen ihnen Altär aufgerichtet/ wie Livius von Poenino mel-
det/ auch Mons Martis in Walliß/ und andere/ bezeugen/ also werde auch
diser Gotthard seinen Nammen daher gehabt haben/ daß man einen Ab-
gott allda geehret: in folgenden Zeiten/ als man Christgläubig worden/
habe man die Abgötter abgetahn/ und an dero Statt die Alpfirsten der
Wandlenden Strassen den Christenlichen Heiligen zugeeignet/ und Altäre
aufgericht dem wahren Gott/ und dieweil der Berg Summarum Alpium,
zuvor den Nammen Gotthardt hatte/ haben die Christen S. Gothardum den
H. Bischoff allda zu verehren fürgenommen; gleich wie S. Bernharden
auf dem Poenino, der jezt der hohe S. Bernhardtsberg genennet wird/ S.
Barnabam
auf dem Lucmannier/ S. Bernhardin auf dem Vogel/ S. Brau-
lium
auf dem Wormbser Joch. Bey diser wol außgesinnten Tschudischen
Wörter-Erforschung finde ich sonderlich folgende Bedenken. Erstlich ist
ungewiß/ und auß alten Scribenten schwerlich zu beweisen/ daß zu der Hei-
den Zeiten diser Berg den Nammen Gotthard gehabt/ wie hingegen gewiß
ist/ daß er Summae Alpes genennet worden von den Römeren. So finde
auch nirgend/ was der Gotthard vor ein Heidnischer Abgott gewesen/ deme
man auf dem Gotthards-Berg einen Altar habe aufgerichtet/ und scheinet
der Namme nicht Römisch/ sondern Teutsch zuseyn. Nicht nur ist wahr/
daß die Heiden ihren Abgötteren auf den Höhenen der Bergen geräucheret/
sondern man findet/ daß so gar die Berge selbs als Götter verehret worden
von denen Dacieren/ und Cappadocieren bey Solino cap. 57. auß Strabone
und Maximo Tyrio bey Ger. Voss. Institut. Orat. I. Lib. V. cap. 39. Sect.
gleich auch des Carmels/ als eines Gottes/ meldung geschihet bey Tacit. II.
Hist. 78. cap. Sueton. in Vespesian. cap. 5. &c.

Gotthardt/ St. Gotthardrs-Berg/ Gotthardus, S. Gothardus,
Gothardi Mons, La Montagne de S. Godard, Il Monte di S. Gotardo.
Summæ Alpes
bey Julio Cæſare comm. de Bell. Gall Lib. 3. Lepontiæ
Minores,
die kleineren Lepontiſchen Gebirge bey Jovio, zum Unter-
ſcheid der Groͤſſeren/ Lepontiarum Majorum, welche vom Comer-See uͤber
Cleven naher Chur gehen/ da ſonderlich hin gehoͤrte der Splügen/ von
welchem oben Tom. I. pag. 174. Ein mehrers kan von dem Gotthard/ und
ſeinem ganzen Paß/ den wir in ſeiner Ordnung beſchreiben/ nachgeſehen wer-
den bey Simler. Comm. de Alpib. pag. 101. Tſchud. Rhetiſch. Alpgeb.
pag. 51. b. und Helvet. Ant. MSC. allwo er unter anderem meldet/ daß
man zu Heidniſchen Zeiten gewohnlich etlichen Abgotten die gebraͤuchlichen
Landſtraſſen uͤber die Alpgebirge in Jtalien zu reiſen zugeeignet/ und auf die
Firſten der Straffen ihnen Altaͤr aufgerichtet/ wie Livius von Pœnino mel-
det/ auch Mons Martis in Walliß/ und andere/ bezeugen/ alſo werde auch
diſer Gotthard ſeinen Nammen daher gehabt haben/ daß man einen Ab-
gott allda geehret: in folgenden Zeiten/ als man Chriſtglaͤubig worden/
habe man die Abgoͤtter abgetahn/ und an dero Statt die Alpfirſten der
Wandlenden Straſſen den Chriſtenlichen Heiligen zugeeignet/ und Altaͤre
aufgericht dem wahren Gott/ und dieweil der Berg Summarum Alpium,
zuvor den Nammen Gotthardt hatte/ haben die Chriſten S. Gothardum den
H. Biſchoff allda zu verehren fuͤrgenommen; gleich wie S. Bernharden
auf dem Pœnino, der jezt der hohe S. Bernhardtsberg genennet wird/ S.
Barnabam
auf dem Lucmannier/ S. Bernhardin auf dem Vogel/ S. Brau-
lium
auf dem Wormbſer Joch. Bey diſer wol außgeſinnten Tſchudiſchen
Woͤrter-Erforſchung finde ich ſonderlich folgende Bedenken. Erſtlich iſt
ungewiß/ und auß alten Scribenten ſchwerlich zu beweiſen/ daß zu der Hei-
den Zeiten diſer Berg den Nammen Gotthard gehabt/ wie hingegen gewiß
iſt/ daß er Summæ Alpes genennet worden von den Roͤmeren. So finde
auch nirgend/ was der Gotthard vor ein Heidniſcher Abgott geweſen/ deme
man auf dem Gotthards-Berg einen Altar habe aufgerichtet/ und ſcheinet
der Namme nicht Roͤmiſch/ ſondern Teutſch zuſeyn. Nicht nur iſt wahr/
daß die Heiden ihren Abgoͤtteren auf den Hoͤhenen der Bergen geraͤucheret/
ſondern man findet/ daß ſo gar die Berge ſelbs als Goͤtter verehret worden
von denen Dacieren/ und Cappadocieren bey Solino cap. 57. auß Strabone
und Maximo Tyrio bey Ger. Voſſ. Inſtitut. Orat. I. Lib. V. cap. 39. Sect.
gleich auch des Carmels/ als eines Gottes/ meldung geſchihet bey Tacit. II.
Hiſt. 78. cap. Sueton. in Veſpeſian. cap. 5. &c.

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[(48)[48]/0061] Gotthardt/ St. Gotthardrs-Berg/ Gotthardus, S. Gothardus, Gothardi Mons, La Montagne de S. Godard, Il Monte di S. Gotardo. Summæ Alpes bey Julio Cæſare comm. de Bell. Gall Lib. 3. Lepontiæ Minores, die kleineren Lepontiſchen Gebirge bey Jovio, zum Unter- ſcheid der Groͤſſeren/ Lepontiarum Majorum, welche vom Comer-See uͤber Cleven naher Chur gehen/ da ſonderlich hin gehoͤrte der Splügen/ von welchem oben Tom. I. pag. 174. Ein mehrers kan von dem Gotthard/ und ſeinem ganzen Paß/ den wir in ſeiner Ordnung beſchreiben/ nachgeſehen wer- den bey Simler. Comm. de Alpib. pag. 101. Tſchud. Rhetiſch. Alpgeb. pag. 51. b. und Helvet. Ant. MSC. allwo er unter anderem meldet/ daß man zu Heidniſchen Zeiten gewohnlich etlichen Abgotten die gebraͤuchlichen Landſtraſſen uͤber die Alpgebirge in Jtalien zu reiſen zugeeignet/ und auf die Firſten der Straffen ihnen Altaͤr aufgerichtet/ wie Livius von Pœnino mel- det/ auch Mons Martis in Walliß/ und andere/ bezeugen/ alſo werde auch diſer Gotthard ſeinen Nammen daher gehabt haben/ daß man einen Ab- gott allda geehret: in folgenden Zeiten/ als man Chriſtglaͤubig worden/ habe man die Abgoͤtter abgetahn/ und an dero Statt die Alpfirſten der Wandlenden Straſſen den Chriſtenlichen Heiligen zugeeignet/ und Altaͤre aufgericht dem wahren Gott/ und dieweil der Berg Summarum Alpium, zuvor den Nammen Gotthardt hatte/ haben die Chriſten S. Gothardum den H. Biſchoff allda zu verehren fuͤrgenommen; gleich wie S. Bernharden auf dem Pœnino, der jezt der hohe S. Bernhardtsberg genennet wird/ S. Barnabam auf dem Lucmannier/ S. Bernhardin auf dem Vogel/ S. Brau- lium auf dem Wormbſer Joch. Bey diſer wol außgeſinnten Tſchudiſchen Woͤrter-Erforſchung finde ich ſonderlich folgende Bedenken. Erſtlich iſt ungewiß/ und auß alten Scribenten ſchwerlich zu beweiſen/ daß zu der Hei- den Zeiten diſer Berg den Nammen Gotthard gehabt/ wie hingegen gewiß iſt/ daß er Summæ Alpes genennet worden von den Roͤmeren. So finde auch nirgend/ was der Gotthard vor ein Heidniſcher Abgott geweſen/ deme man auf dem Gotthards-Berg einen Altar habe aufgerichtet/ und ſcheinet der Namme nicht Roͤmiſch/ ſondern Teutſch zuſeyn. Nicht nur iſt wahr/ daß die Heiden ihren Abgoͤtteren auf den Hoͤhenen der Bergen geraͤucheret/ ſondern man findet/ daß ſo gar die Berge ſelbs als Goͤtter verehret worden von denen Dacieren/ und Cappadocieren bey Solino cap. 57. auß Strabone und Maximo Tyrio bey Ger. Voſſ. Inſtitut. Orat. I. Lib. V. cap. 39. Sect. gleich auch des Carmels/ als eines Gottes/ meldung geſchihet bey Tacit. II. Hiſt. 78. cap. Sueton. in Veſpeſian. cap. 5. &c.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. (48)[48]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/61>, abgerufen am 24.04.2024.